Kurz oder lang trainieren: Was bringt HIIT bei Diabetes?

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Kurz oder lang trainieren: Was bringt HIIT bei Diabetes?

Hochintensives Intervalltraining (HIIT) verspricht Fitness und das Dahinschmelzen überschüssiger Fettpolster im Zeitsparmodus. Wundertraining oder doch gefährlicher Fettkiller? Sportwissenschaftlerin Jessica Amerkamp und Prof. (FH) Dr. Christian Brinkmann von der Deutschen Sporthochschule Köln/IST-Hochschule Düsseldorf sagen Ihnen, wie HIIT bei Diabetes wirkt, wer davon profitiert und für wen es nicht geeignet ist.

Hochintensives Intervalltraining (HIIT) ist ein vielversprechender Trend in der Fitnesswelt. Beim HIIT handelt es sich um eine Trainingsform, bei der sich hoch-intensive Phasen mit niedrig-intensiven Phasen (aktive oder passive Pausen) abwechseln. Die Trainingsdauer kann variieren, und auch die Intervalle können verschiedene Längen aufweisen. Durch den Intensitätswechsel sind kurzzeitig sehr hohe Belastungen möglich, bei denen man sich richtig auspowern kann. Je nach Motivation und gewählter Intensität kann die Belastung sogar bis zur Ausbelastung reichen.

Vor allem im Leistungssport genutzt, jedoch mit wachsender Beliebtheit im Gesundheitssport, punktet HIIT mit einem schnellen Trainingserfolg, einer hohen Leistungssteigerung und Spaß an der Herausforderung.

Passt gut in den Alltag

Für viele Menschen, die Diabetes haben, könnte diese Art des Trainings attraktiv sein, da sie im oft stressigen Alltag nur wenig Zeit zum Sporttreiben haben und kurze HIIT-Workouts besser in den Alltag integrieren können. Demgegenüber wird jedoch in den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft seit jeher den Patientinnen und Patienten vor allem das klassische kontinuierliche, moderat-intensive Training nach dem Motto „Laufen ohne zu Schnaufen“ nahegelegt. Hier bewegt man sich gleichbleibend intensiv über einen längeren Zeitraum.

Schnell erklärt

Was ist effektiver für die Gesundheit?

Vergleicht man das klassische kontinuierliche, moderat-intensive Training mit dem HIIT, so liegen bei der Frage, welche Trainingsform nun die effektivere und geeignetere sei, unterschiedliche wissenschaftliche Ergebnisse vor. Es gibt Studien, die zwischen beiden Trainingsmethoden keine Unterschiede bezüglich vieler Zielvariablen feststellen konnten. Andere Studien schreiben HIIT aber Überlegenheit in manchen Wirkungen zu, vor allem in Bezug auf die maximale Sauerstoffaufnahme , die ein Indikator für die maximale Ausdauerleistungsfähigkeit ist.

Der mögliche Trainingserfolg des HIIT liegt dabei eben genau in den beschriebenen Intensitätswechseln, die eine kurzzeitig höhere Belastung beinhalten, was auch eine höhere Anforderung an das Herz-Kreislauf-System mit sich bringt. Beim Training kann zum Beispiel die Herzfrequenz während der intensiven Phasen bis auf die maximale Herzfrequenz steigen. Durch z. B. kurzfristig höhere metabolische und mechanische Reize beim HIIT werden längerfristige Anpassungsprozesse im Herz-Kreislauf-System verstärkt angestoßen.

Körperliche Reaktionen auf ein Intervalltraining

Auch in den Skelettmuskeln ergeben sich langfristige Veränderungen nach regelmäßigen hoch-intensiven Belastungen: HIIT zeigte in Untersuchungen z. B. sehr schnelle positive Anpassungen in der Leistungsfähigkeit der Mitochondrien als „Kraftwerke“ des Körpers. Bedenkt man, dass die Ausdauerleistungsfähigkeit mit der Leistungsfähigkeit der Mitochondrien eng verknüpft ist, kann das auch ein wichtiger Erklärungsansatz für die Effizienz von HIIT sein.

Was ist mit dem Blutzucker? Ob es überlegene Effekte durch HIIT bei der glykämischen Kontrolle gibt, also der längerfristigen Blutzuckereinstellung, ist nicht ganz klar.

Ziele schneller erreichen

Grundsätzlich sollte bei der Interpretation der Studienergebnisse berücksichtigt werden, dass die HIIT-Programme und die Programme, mit denen diese in der Wirkung verglichen werden, sehr unterschiedlich sind, da es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Ein klarer Vorteil des HIIT bleibt jedoch stets ein geringerer Zeitumfang, der für das Erreichen der gesundheitlichen Ziele nötig ist.

Was sollte aus sportmedizinischer Sicht vor dem HIIT bedacht werden?

Bevor man in ein HIIT einsteigt, sollte man einige Sicherheitsvorkehrungen vornehmen wie einen ärztlichen Check-up, bevorzugt bei einer Fachärztin/einem Facharzt für Kardiologie, um die Sporttauglichkeit für Belastungsspitzen zu gewährleisten. Vor allem durch das stetige Auf und Ab der Belastungsintensität beim HIIT wird das Herz-Kreislauf-System stark gefordert. Der Wechsel der Belastungen kann vor allem bei Erkrankungen des autonomen Nervensystems (autonome Neuropathie) problematisch sein.

Checkliste vor dem HIIT-Start
  • ärztliches Einverständnis nach Check-up mit Belastungs-EKG (und Herz-Ultraschall)
  • Ausschluss schwerer Begleiterkrankungen/Folgeerkrankungen
  • Sporterfahrung
  • gutes Körpergefühl

Auch andere häufige Begleit- und Folgeerkrankungen wie eine fortgeschrittene Retinopathie sollten ausgeschlossen werden. Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Retinopathie sollten HIIT meiden, denn Blutdruckwerte können hier schnell hinausgehen über maximale Blutdruckwerte bei Belastung (180/100 mmHg), wie sie in den Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft für Menschen mit Diabetes mit dieser Folgeerkrankung empfohlen werden.

Wenn Sie ein HIIT planen, sprechen Sie also mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, ob das Training für Sie geeignet ist! Gesetzte Grenzwerte für die Trainingsbelastungen sollten unbedingt eingehalten werden.
Die Belastungsanforderungen eines hochintensiven Trainings sollten, trotz der möglichen Vorteile, nicht unterschätzt und das Training langsam gestartet werden. Vorteilhaft sind bereits vorhandene Sporterfahrung und ein gutes Körpergefühl, um die eigenen Belastungsgrenzen gut einschätzen zu können.

Das Fazit

HIIT spart nicht nur Zeit, sondern kann einige Vorteile vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Ausdauerleistungsfähigkeit haben. Vor dem Trainingsbeginn sollten jedoch Kontraindikationen beachtet und Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden.

Trotz des Hypes um HIIT gilt grundsätzlich, dass moderat-intensives Training eine solide Basis darstellt und für die meisten Patientinnen und Patienten die erste Empfehlung zum Sporttreiben sein sollte. Ein hohes Level an Alltagsaktivitäten ist neben dem sportlichen Training, ob HIIT oder klassisches Training, weiterhin als besonders wichtig anzusehen.

Schwerpunkt: Bewegungsvielfalt

von Prof. (FH) Dr. Christian Brinkmann und Jessica Amerkamp
Sportwissenschaftler und Biologe bzw. Sportwissenschaftlerin
Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin,
Abteilung Präventive und Rehabilitative Sport- und Leistungsmedizin,
Deutsche Sporthochschule Köln,
Am Sportpark Müngersdorf 6, 50933 Köln,
E-Mail: c.brinkmann@dshs-koeln.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (5) Seite 32-35

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