Landgasthof „Adler“: Heimat der Heimatküche

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Landgasthof „Adler“: Heimat der Heimatküche

Das Echt essen-Gasthaus im Dezember: Komme ich in den „Adler” in Rosenberg bei Schwäbisch Hall, komme ich heim. Denn sofort nimmt mich diese einzigartige Mischung aus Tradition und Moderne gefangen.

Schon von weitem sticht das stattliche, aus dem Jahr 1717 stammende, sattgrün gestrichene Anwesen aus dem üblichen Einheitsbild des schwäbischen Dorfes heraus. Hinter der massiven Holztür grüßen plötzlich die Klassiker des Bauhauses, knarzend geht es die Treppe hinauf, oben zeigen hell erleuchtete Vitrinen raffinierten Schmuck, und der gegenüberliegende uralte Wappenschrank ist ochsenblutrot jeglicher falscher Deutschtümelei enthoben.

Innen in der Gaststube geht das Vexierspiel weiter: Authentischer Holzboden, blendend weiße Tische ohne Tischdecken, blaue Stühle, bunt-grüne Wände – und auch ein echter Herrgottswinkel gehört dazu. Was wie Stilmix wirkt, ist ungeheuer geschmackssicher inszeniert. Schon allein der monolithische Tresen aus schwarzem Stein macht den Besuch lohnenswert.

Noch lohnenswerter aber ist die herzliche Begrüßung durch Marie Luise Bauer, die mit graziler Eleganz, wachem Blick, „wie geht’s”, festem Händedruck sofort Ankommen signalisiert. Wenn dann noch die resolute, seit über 30 Jahren im Service wirkende Hildegard Brenner fragt „stimmt elles?”, der Wirt Josef Bauer kurz aus der Küche winkt, ist die Welt wieder für einen Abend in Ordnung.

Alter Schrank, ganz jung in ochsenblut

Blanke Tische, bunte Wände und ein echter Herrgottswinkel

So wie die Einrichtung ist Josef Bauers Küche: Tiefst in der Heimat verwurzelt, doch mit wachen Antennen für die Strömungen draußen in der Welt. Es ist dies eine fest im Schwäbischen verwurzelte Tugend, welche hochsolide Firmen wie den Maschinenbauer Trumpf des Berthold Leibinger hervorgebracht hat, der zwar auf der ganzen Welt zugange ist, aber nie seinen unternehmerischen Ruhepol im Schwäbischen vergessen hat.

Auch Josef Bauer bricht mit seiner Frau immer wieder zu den kulinarischen Brennpunkten auf, war sogar, als vor einigen Jahren die ganze Testerwelt glaubte, dass ein Spanier namens Ferran Adria die Küche neu erfunden hat, bei einem Kochkurs in Barcelona, „der kleine Josef unter all den Spitzenköchen”, wie er es ironisch schildert. Aber er merkte schnell, dass da interessante Dinge laufen, was aber seine Küche nicht wirklich weiterbringt – und der Ferran Adria will ja auch von seiner inzwischen als Chemie gescholtenen Molekularküche nichts mehr wissen.

Es gibt auch Kalbskopf und Kutteln
Wer will, kann also im „Adler immer noch die schwäbischen Klassiker wie Linsen mit Saitenwürstchen, wie Kutteln, wie Kalbskopf essen – und sich freuen, wie gut diese oft verhunzten Gerichte wirklich schmecken können. Es lohnt sich, vor allem am Freitag, Samstag und Sonntag Mittag in dieses „Urschwaben” zu gastfreundlichen Preisen einzutauchen – und dazu den Wöhrwag-Riesling aus der Literflasche zu trinken. Immer wieder wurde Josef Bauer gerade für diese tradtionellen Gerichte kritisiert. Heute nun, wo plötzlich die traditionelle Küche die Avantgarde ist, wäre er auf einmal wieder Vorreiter. Er, der in sich ruht, schmunzelt darüber nur.

Besonders spannend ist es aber, einzutauchen in die Vermählung der Tradition mit der kreativen Welt des Josef Bauers, den ich bei den vielen Besuchen selbst im vollbesetzten Gasthaus (und es ist oft voll im „Adler” fernab der großen Autobahnen) nie seine Gelassenheit habe verlieren sehen, der wie wenn nichts gewesen wäre, oft noch entspannt nach dem Service aus seiner modernen Küche herauskommt – allerdings erst, so viel schwäbische Korrektheit muss sein, wenn er sich umgezogen hat.

Sechs Gänge habe ich für dieses „Echt Essen“ bei Josef Bauer gegessen, darunter auch so Deftiges wie Blutwurst, Speck, Sauerkraut. Das ist natürlich für einen Diabetiker nicht so optimal (obwohl, das zuckerbalancierende Kraut?). Jedenfalls habe ich vier Gänge für Sie ausgesucht:

Gang 1: Kalbstatar mit Matjes

So raffiniert kann Kalbstatar auch schmecken: Heimisches Milchkalbfleisch fein geschnitten, dazu ein Tomaten-Relish, also das Gemüse säuerlich angemacht (was der Verdauung frommt), gekrönt von zwei Streifen Matjes. Darüber gehobelt einige Flocken vom kräftigen Schweizer Sbrinz-Käse und Blättchen vom Thai-Basilikum. Es sind kleine kulinarische Tupfer wie der Matjes, der Basilikum, die ein traditionelles Gericht wie Tatar „schweben” lassen – ohne dass die Bodenhaftung verloren geht.

Gang 2: Zander, mariniertes Gemüse, Kürbissuppe

Herrlich saftig kommt der gebratene Süßwasserfisch daher, die dünne Scheibe Speck gibt zusätzliche Würze – und natürlich auch ein wenig Schwere. Aber es muss ja nicht alles gegessen werden, was auf den Teller kommt. Aber auf jeden Fall genossen werden muss der dazu gereichte Gemüseteller, wo jedes Gemüse individuell gegart und dann mit einer dezenten Selleriecreme aromatisiert wird. Vorbildlich! Wunderbar dazu auch die in der Tasse servierte Kürbissuppe, intensiv und durch Curry, Ingwer trotzdem leicht – und dem Bauch wohltuend.

Subtil mariniert: So wird Gemüse ein Gedicht

Gang 3: Steinpilzsuppe mit Entenherz
Welch ein Geschmack! Die intensive Essenz der Steinpilze, dazu als ungewöhnliche „Einlage” Entenherz – und für die elegante Note sorgen die kräftig schmeckenden Estragonblätter. „Entenherz? Das esse ich nicht”, sagen vielleicht manche. Aber: „Haben Sie es denn schon mal probiert?” Auf jeden Fall entgeht ihnen etwas. Nämlich die Wurzeln unserer Küche – und die war ganz stark von Innereien geprägt.

Gang 4: Hirschrücken mit Rosenkohl

Aus Bayern ist der Hirschrücken ins Schwäbische gehüpft – was ihn zwar nichts an kräftigem (keine Angst, kein Hautgout) Geschmack gekostet hat, aber noch ein wenig saftiger wäre er noch besser gewesen. Aber es gab ja noch die einreduzierte Sauce mit den Pfifferlingen. Dazu ein kleines Gedicht von einem Gericht die leicht in Butter geschwenkten Rosenkohlblättchen.

Weggelassen habe ich das mit dem Ragout gefüllte Brotsoufflée. Nicht weil es nicht köstlich gemundet hätte, aber des Abends ist mir das einfach zu viel, schließlich will ich am nächsten Morgen keine böse Überraschung beim Blick auf die Blutzuckeranzeige erleben. Gottseidank, es ging alles gut, was vielleicht auch dem wunderbaren 2007er Lemberger Spätlese des Weingutes Ellwangers zu verdanken ist – schließlich ist trockener Wein ja auch ein ausgewiesener Zuckerbalancierer.

Einfach hingehaucht: In Butter geschwenkte Rosenkohlblättchen

Es gibt auch noch wunderbare Desserts, etwa Schwarze Johannisbeeren im Glas oder ein Holunderblüteneis mit Waldbeeren und einem warmen Quarkauflauf. So etwas würde ich aber nur für mittags empfehlen, dann hat der Körper alle Muße, das auch zu verkraften. Vor allem dann, wenn sich noch ein längerer Spaziergang anschließt. Meine Empfehlung: Die gut eine Stunde dauernde Wanderung zur Jakobswegkirche Hohenberg, wo bei gutem Wetter eine prächtige Aussicht für die Mühen des leichten Aufstiegs belohnt.

Keine 60 Euro (ohne Getränke) kostet diese vier-gängige Reise durch die einzigartige Welt des Josef Bauer, begleitet vom liebenswürdigen Service durch seine Frau Marie-Luise. Allerdings, das soll nicht verschwiegen sein, nicht jeder fährt vom „Adler“ so beglückt wie ich und die eingeschworen-treue Anhängerschaft. Da gibt es welche, die sich nicht mit dem puristischen Design anfreunden wollen, die in einem in den Führern hoch benoteten Gasthaus partout Tischdecken erwarten – und noch nicht mitgekriegt haben, dass in Tokio sogar ein schlichtes U-Bahn-Gasthaus drei Michelin-Sterne hat, schließlich geht es mehr denn je um die Qualität des Essens, der Produkte.

Und es gibt kuschelsüchtige Pärchen, welche nicht merken, dass in der rustikalen „War’s gut?“-Frage von Frau Hildegard Brenner mehr ehrliches Interesse steckt, als in manchem einstudierten „Hat Ihnen unser Mahl gemuindet“-Getue in manchen Häusern. Ich habe übrigens einmal gesagt, „na, nicht ganz so gut“. Hinterher habe ich mich lange mit Josef Bauer darüber unterhalten, der sehr konzentriert zuhört, auch mit Kritik umgehen kann.

Ich jedenfalls fahre wieder zufrieden weg, hoffe, dass es dieses Kleinod noch lange gibt. Und wünsche mir, dass die Nachfolger (hoffentlich eine der Töchter) vielleicht etwas wiederbeleben, was den „Adler” noch vor Jahrzehnten moderner gemacht hat, als er heute ist: Die eigene Landwirtschaft.

Landgasthof Adler
Ellwanger Straße 15, 73494 Rosenberg, Tel.: 07967 – 513, Internet: www.landgasthofadler.de

von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de

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