„L’Escalier“: Treppe zum Gästeglück

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© Restaurant „L’escalier“ Maximilian Lorenz
„L’Escalier“: Treppe zum Gästeglück

Das Echt essen-Gasthaus im Oktober: Das „L´Escalier“ ist trotz Michelin-Stern kein Gourmet-Tempel geworden und hat ein absolut korrektes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Geht „Echt Essen“ auch in einer Großstadt? Geht es, dass ein Koch in einer von Großmärkten und Großlieferanten dominierten Welt noch Waren von Produzenten beziehen kann, die er persönlich kennt, von deren Qualität er sich persönlich ein Bild machen kann? Es geht!

Der Niedersachse Jens Dannenfeld hat sich in jahrelanger Arbeit einen Kreis von Lieferanten rund um Köln aufgebaut, von denen er regelmäßig seine Waren bezieht; etwa die sonst nur im Bodensee schwimmenden Felchen aus dem Laacher See, einem großen Eifelmaar, einige Kilometer südlich der Domstadt; die Flusskrebse aus der Wupper; Heidschnucken, Wild von Jägern aus der Eifel; Kräuter sammelt ihm ein Mann in der Umgebung; auch das Gemüse kommt von regionalen Bauern – sodass Dannenfeld auf einen Anteil von gut 50 Prozent an Produkten aus der Heimat kommt, ein Wert, den selbst viele Köche nicht erreichen, die auf dem Land einen viel einfacheren Zugang zum Echten hätten.

Lauschig in der Großstadt: „L’Escalier”

Treppe heißt „L´Escalier“ auf deutsch – weshalb es drei kleine Stufen hinunter geht in das freundliche Bistro-Gasthaus, wo die sympathische Melanie Dannenfeld den Gast freundlich begrüßt, zum Tisch geleitet. Obwohl es eng zugeht im „Treppen-Haus“ entsteht sofort eine angenehme Atmosphäre. Wer im Sommer hingeht, findet draußen eine kleine, aber feine Terrasse, wo es sich gut tafeln lässt.

Klug gewählt ist der Standort des Gasthauses: In einem vitalen Stadtteil der lebensfrohen rheinischen Stadt. Aber dennoch leicht entfernt von den sonst allgegenwärtigen Touristen und trinkfreudigen Kneipengängern. Auch nach Jahren noch ein kleiner Geheimtipp – allerdings nicht für kundige Einheimische, weshalb das „L´Escalier“ schnell einmal ausgebucht ist. Übrigens: Nicht ganz leicht zu finden und Parkplätze gibt es eigentlich auch nicht – aber Sie wollen ja sicher von den gästefreundlich kalkulierten Weinen nicht nur nippen.

Hat gut lachen: Jens Dannenfeld

Selten zeigt sich Jens Dannenfeld den Gästen, er macht nicht gern viele Worte. Sein „Reich“ ist die kleine Küche, wo er seine rustikal-intensive authentische Küche zubereitet. Er schöpft seine Zufriedenheit, seine Kraft aus dem Glück der Gäste, wofür auch der liebenswürdig-umsichtige Service sorgt, den seine Frau leitet.

Merkmale der Küche des gebürtigen Mannes aus Niedersachsen sind schonende Garmethoden, vor allem beim Fisch, die Nutzung von Kräutern und Gewürzen – und was Diabetiker lieben: Der schonende Einsatz von Zucker. Genau diesen Grundsätzen folgt auch unser Echt-Essen-Menü“, das übrigens nicht speziell dafür zubereitet wurde, sondern ganz normal von der Abendkarte kommt.

Start: Zucchini-Variation

Es fängt gleich gut an: Das Brot ist selbst gebacken. Dazu schickt die Küche einen kleinen Gruß von Zucchini, etwa mariniert mit Balsamico-Tomaten. Mir hat es so gut geschmeckt, dass ich fast das Fotografieren vergessen hätte.

Gang 1: Variation von Wassermelone

Das Schönste, was eine Wassermelone werden kann: Einmal gegrillt mit einer tollen Makrele (das ist der Fisch, der mit herzfitten Omega-3-Fetten prunkt). Der Klacks neben der Makrele ist übrigens ein wunderbar intensives Makrelenmousse; dann mit Oliven und Kürbiskernen sowie pikant abgeschmeckt mit Chili und Knoblauch.

Gang 2: Wilder Kabeljau mit Fenchelgemüse

Mein Favorit an diesem Abend: Ein gefangener wilder Kabeljau, schonend bei 60 Grad im Sud selbst gesammelter Kamille pochiert (wer´s nachmachen will: Die Kamille in Distelöl ziehen lassen). Von einer grandiosen Konsistenz ist dieser Fisch, sodass ich am liebsten nur noch das gegessen hätte. Gebettet ist der Kabeljau auf Fenchelgemüse, gekrönt ist er von einer gegrillten Tomate – und wilde Rauke gibt einen fein-herben Geschmackstupfer dazu.

Was so toll schmeckt, so voller vitaler Proteine steckt, ist auf das Höchste gefährdet: Der Kabeljau. Das auch deshalb, weil allein in Europa jedes Jahr einige tausend Tonnen gefangener und getöteter Fische wieder ins Meer zurückgeworfen werden, weil der betreffende Fischer dafür keine offizielle „EU-Fanglizenz“ hat. Ein unfassbares Vorgehen, was alle kennen, was immer wieder diskutiert wird – aber nie abgestellt wird. Ich frage mich, wie lange wollen wir noch so frevlerisch mit unseren natürlichen Schätzen umgehen?

Gang 3: Eifel-Mufflon mit Mirabellen-Kompott

Kurz vor dem Aussterben war das Mufflon, eine Art wildes Schaf. Gottseidank haben kluge Menschen es gerettet, sodass Jens Dannenfeld daraus ein köstliches Gericht zaubern kann. Sehr angetan war ich vom nicht-süßen Kompott aus wilden Mirabellen, das wie ein Spiegel auf dem Teller glänzt. Die reichlich bemessenen vier Mufflon-Scheiben liegen auf Kartoffel-Stampf. Dazu gibt es Pfifferlinge, gemischt mit Petersilienwurzel-Stücken. Das ebenfalls gereichte Zwiebel-Mousse mag vielleicht der Verdauung helfen, geschmacklich hätte ich es aber nicht gebraucht.

Gang 4: Gratinierter Ziegenkäse mit Apfel

Statt eines Desserts gab´s zum Abschluss einen gratinierten Ziegenkäse mit gedünsteten Stückchen von drei heimischen Apfelsorten. Ein Minzblatt sorgt für ein frisches Mundgefühl.

Eine stimmige Menüfolge, die satt macht, ohne zu übersättigen. Wer mag, kann sich dazu passende Weine servieren lassen, die Melanie Dannenfeld klug dazu wählt, etwa einen Verdejo aus Spanien zur Wassermelone, einen feinen, natürlich trockenen Silvaner aus Hessen zum Kabeljau. Sehr erfreulich die Rechnung in diesem Gasthaus: Die vier Gänge kosten 48 Euro, werden dazu passende Weine geordert, kommen noch einmal 28 Euro dazu.

Nachahmenswert: Das Wasser gibt´s so dazu. Für eine Großstadt ein absolut korrektes Preis-Leistungs-Verhältnis – und sicher ein richtiges Konzept für die kommenden schwierigen Zeiten. Gut ist auch, dass sich Jens Dannenfeld nicht von diesem gehobenen, bezahlbaren Bistro-Konzept hat abbringen lassen, als er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Das „L´Escalier“ ist kein Gourmet-Tempel geworden – und wer die Dannenfelds kennt, weiß, das wird gottseidank auch nie einer.

„L´Escalier“
Brüsseler Straße 11, 50 674 Köln, Tel.: 0221/205 39 89, Internet: www.lescalier-restaurant.de

von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
,
Internet: www.lauber-methode.de

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