Löwen: Landpartie

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© Löwen Altheim
Löwen: Landpartie

Im Hinterland des Bodensees wird in stimmiger Atmosphäre eine lustmachende gutbürgerliche Küche serviert.

Isolde Pfaff erinnert sich noch genau: „Ich hab euch damals einen Krafttrunk mit eigenen Aroniabeeren gemacht“. Euch, das waren die Teilnehmer der 24-Stunden-Wanderung, die von einem Wirt aus dem nahen Lippertsreute vor knapp zehn Jahren erstmals organisiert wurde. Eine bunte Schar von Hausfrauen, Handwerkern und Lehrern war wie in einer Prozession nächtens und tagens durch die wunderbaren Felder und Wiesen oberhalb des Bodensees gepilgert – und der „Löwen“ in Altheim war die letzte Station für die Ermatteten.

Licht in der Finsternis: „Löwen“ in Altheim

Mit einem prächtigen Hut und der charakteristischen farbigen Brille („sie war damals grün“, sagt sie – und sie wird recht haben) stand sie majestätisch im eigenen Gärtchen und ermunterte uns alle mit ihrer ansteckenden Lebensfreude. Ihre unkonventionelle Art, die urgemütliche Wirtschaft (wozu auch frivole Bosheiten, afrikanische Stilelemente gehören) und eine Küche, wo sie schon lange vor dem heutigen Hype mit Kräutern kochte, hat den Löwen zum heiß geliebten Kultlokal gemacht. Immer noch wirbelt Isolde durch den Familienbetrieb, mal in der Küche, mal im Service, mal im Garten – wo sie halt gebraucht wird.

Ihr Sohn Roman Pfaff hat aber jetzt das Sagen in der Küche – und der ist ein Glücksfall: Kochstationen in guten Häusern, aber auch ein abgeschlossenes Ökonomiestudium geben ihm das nötige Rüstzeug, um das Restaurant sicher in die Zukunft zu führen. Klugerweise behält er im Prinzip das bisherige Konzept bei – und setzt behutsam eigene Akzente. Der Erfolg gibt ihm recht: Selbst an einem Dienstag Abend Anfang Dezember, wo nicht wie im Sommer die atemberaubende Sicht auf den Bodensee und die Berge locken kann, sind die beiden Stuben fast bis auf den letzten Platz von einer fröhlichen Gästeschar bevölkert.

Kein Hort der Political Correctness: Löwenstube

Klein und fein ist die Karte, wo Cordon Bleu von der Kalbshüfte oder gegrillter, mit Honig-Senf lackierter Schweinebauch Lust machen – und wo die meisten Produkte aus der nahen Umgebung stammen, vieles Bio ist. Ich bestelle das viergängige Menü für sehr korrekte 35 Euro – und die junge Tanja Jablonski nickt zustimmend. Sie ist ein Segen von einer Servierkraft; sieht alles, reagiert schnell und schlagfertig; ist ungemein sachkundig und von einer einnehmenden Herzlichkeit. Seit zwei Jahren ist sie hier, kommt aus dem wenige Kilometer entfernten Beuren – und erscheint mir fast wie eine Wiedergängerin von Isolde Pfaff. Toll, dass diese gesegnete Gegend solche charmant-selbstbewussten Frauen hervorbringt.

Gebettet auf Birnen: Tatar von der Lachsforelle

Sein Können lässt Roman Pfaff gleich beim ersten Gang aufblitzen: Auf dem Fächer einer reifen Birne ruht ein Tatar von der hausgebeizten Lachsforelle einer nahen Zucht. Fein gewiegt Würfel vom Fisch sind vermengt mit Gurkenstückchen und als Clou: karamelisierte Birne. Abgebunden ist der stimmige Gang mit Buttermilch und gerösteten Sonnenblumenkernen. Fein schmeckt dazu ein Viertele Müller-Thurgau vom hochgelobten Weingut Kress aus Überlingen für 6,30 Euro.

Sämig und währschaft: Maronensuppe

Wärmend in kalter Nacht ist die sämige Maronensuppe, die wirklich nach der edlen und gesunden Frucht schmeckt. Gekonnt ausgelassene Würfelchen vom saftigen Speck steigern den Genuss wohltuend, der mit einer richtig heißen Suppe noch größer wäre. Eine interessante Entdeckung ist der dazu georderte Spätburgunder vom Weingut Lorenz Keller aus Erzingen bei Waldshut, fast an der Schweizer Grenze. 6,50 Euro kostet das samtige Vergnügen.

Aus heimischer Jagd: Reh fürs Ragout

Mit federndem Schwung serviert Frau Jablonski den Hauptgang, ein zart gegartes Ragout vom heimischen Reh in konzentrierter Sauce, die gut zum Wein passt. Nach bewährtem Rezept das schlotzige Rotkraut, genau richtig mit Zimt und Nelken gewürzt. Überrascht haben mich die Serviettenknödel, die fluffig-leicht daherkommen, aber auch den bewährten Geschmacksträger Fett nicht verleugnen wollen. Ebenso wohltuend: Die Preiselbeeren sind nicht zu süß.

Spät abends bin ich immer zurückhaltend mit Desserts. Aber das Zimteis ist genau so eine Wucht wie das Cassis, wo ich den Eindruck habe, ein ganzer Johannisbeerstrauch hat sich in die Kugel gemogelt.

Gelungener Generationenwechsel: Isolde und Roman Pfaff

Kein Zweifel: Der oft so schwierige Übergang von einer Generation zur nächsten scheint hier gelungen zu sein – und so sehe ich noch ein beträchtliches Potential für das sympathische Gasthaus und seine genau so sympathischen Betreiber.

Fazit: Gäb’s mehr “Löwen” im Land, gäb’s mehr Gastlichkeit.

„Löwen“


Adresse: Hauptstraße 41, 88 699 Altheim
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag ab 17 Uhr 30. Sonntag ist mittags offen und am Montag ist zu.
Kontakt: 07554/8631, www.loewen-altheim.de

ECHT ESSENheißt der Blog, in dem ich seit zehn Jahren jeden Monat mindestens ein Gasthaus vorstelle. Wichtiges Auswahlkriterium: Herkunft der Produkte.



von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Internet: www.lauber-methode.de

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