Mit Diabetes sicher und rechtskonform durch den Straßenverkehr

3 Minuten

Mit Diabetes sicher und rechtskonform durch den Straßenverkehr

An einer roten Ampel und bei laufendem Motor mal eben per kontinuierlichem Glukosemessgerät (rtCGM) oder flash-glucose-monitoring (iscCGM) die aktuelle Glukosestoffwechsellage prüfen ist verboten. Wie die Nutzung des Handys am Steuer gilt auch dies als Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) – und wird mit einem Bußgeld von aktuell mindestens 100 Euro sowie mindestens einem Punkt in Flensburg geahndet. Dazu kann auch ein Fahrverbot drohen, berichtet die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG).

Der Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) weist in einer Stellungnahme Autofahrende auf diese Rechtslage hin und erklärt, wie Menschen mit Diabetes ihre Werte sicher und rechtskonform im Straßenverkehr überprüfen können. Gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe fordern die Experten, diese wichtige Information auch in die Aufklärung, Schulung und Beratung von Patientinnen und Patienten mit aufzunehmen.

Aktuelle Rechtsgrundlage

Laut § 23 Abs. 1 a StVO dürfen beim Führen eines Fahrzeugs elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen, nur benutzt werden, wenn sie dafür weder aufgenommen noch gehalten werden müssen und zur Bedienung und Benutzung der Blick nur kurz vom Verkehrsgeschehen ab und dem Gerät zugewendet wird, heißt es in dem Bericht der DDG weiter.

„Wir empfehlen unseren Patienten stets regelmäßige Kontrollen ihrer Glukosewerte bei Autofahrten, um gefährliche Unterzuckerungen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden“, erklärt Dr. med. Wolfgang Wagener, Vorsitzender des DDG AusschussesSoziales. „Dass eine spontane CGM-Anwendung oder ein FGM-Scan bei laufendem Motor als Verstoß gegen die Verkehrsregeln gewertet wird und zu erheblichen Problemen führen kann, ist nicht allen bewusst.“ Aus aktuellem Anlass gab der Ausschuss nun eine Stellungnahme heraus, die auf diese Rechtsgrundlage hinweist.

Ob im Auto, auf dem Motorrad, E-Bike, E-Scooter oder Fahrrad: Bevor Fahrerinnen und Fahrer das CGM oder die Insulinpumpe bedienen, müssen sie ordnungsgemäß an den Straßenrand fahren und gegebenenfalls den Motor abstellen. Denn die Bedienung solcher Geräte kann zur verminderten Aufmerksamkeit für die Verkehrslage, zu Fahrfehlern und zu Unfällen führen. Das Verbot gilt auch an roten Ampeln und für Situationen, in denen sich der Motor automatisch abschaltet (Start-Stopp-Automatik), erklärt der DDG.

„Ein kurzer Blick aufs Display zum Ablesen des Glukosewerts ist zulässig, sofern das Messgerät dazu nicht aufgenommen oder bedient werden muss“, führt Rechtsanwalt Oliver Ebert, Rechtsexperte der DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe, aus. Er empfiehlt den Einsatz einer Handy-Halterung: Ein Tastendruck zum Einschalten des Displays wäre dann unproblematisch, sofern dies zu keiner Ablenkung führt.

„Wir raten jedoch davon ab, das Gerät mehrfach anzutippen oder zum Messwert zu scrollen. Das absorbiert zu viel Aufmerksamkeit vom Verkehr.“ Die Rechtsprechung sei sehr streng, da bereits das Ablegen des Gerätes auf dem Oberschenkel schon als „Halten des Gerätes“ angesehen werde.

Mögliche Folgen einer Verkehrswidrigkeit

Die Folgen einer Verkehrswidrigkeit können weitreichend sein: „Kommt es im Zusammenhang mit einer Gerätebedienung zu einem Unfall, könnten Gerichte schnell ein fahrlässiges Verhalten unterstellen“, warnt Ebert. Dem Unfallverursacher würden dann hohe Strafen, Schadensersatzforderungen oder gar Gefängnis drohen.

Ebert weist zudem darauf hin, dass es zu einer Meldung an die Straßenverkehrsbehörde führen kann, wenn rtCGM oder Insulinpumpe bei einer Polizeikontrolle auffallen. Fahrende könnten von der Führerscheinbehörde dann womöglich zu einer verkehrsmedizinischen Untersuchung aufgefordert werden, deren Kosten er oder sie selbst tragen müsse.

Hinweis auf Rechtsgrundlage in Schulungen und Therapien

Menschen mit Diabetes, die mit Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung und/oder Insulinpumpen behandelt werden, sollten also bereits in Schulungen und Therapien ausdrücklich auf diese Rechtslage hingewiesen werden, fordern DDG und diabetesDE.

„Die Informationen sollten ab sofort in entsprechende Schulungscurricula aufgenommen werden“, rät Wagener. In der Beratung sollten mit den Menschen mit Diabetes Maßnahmen entwickelt werden, die eine Vereinbarkeit von größtmöglicher Verkehrssicherheit einerseits und Schutz vor riskanten Glukoseverläufen während der Fahrt andererseits ermöglichen.

„Wichtig für Behandelnde ist auch, sich selbst juristisch abzusichern und die Aufklärung und Beratung in der Krankenakte zu dokumentieren“, ergänzt Wagener. Fehlende oder mangelhafte Aufklärung sowie fehlende Dokumentation stellten ein großes Risiko für die eigene (Mit-)Haftung oder gar Strafbarkeit dar.

Ratschläge von Experten

Beide Experten raten Menschen mit Diabetes zu folgendem Vorgehen im Straßenverkehr: Bei Verdacht auf eine Unterzuckerung oder vor der regelmäßigen Kontrolle der Glukosewerte sollte der Fahrer seine Teilnahme am Straßenverkehr sofort beenden, indem er sicher parkt oder die Warnblinkanlage einschaltet, an den Straßenrand fährt, das Fahrzeug zum Stehen bringt und den Motor abschaltet. Zweiradfahrer müssen absteigen. Dann könne man rechtskonform alles Notwendige für seinen Diabetes tun.

Weitere Informationen:

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) | diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe | Redaktion

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert