Nach Studie: Experten fordern erneut ein Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für Dickmacher

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Nach Studie: Experten fordern erneut ein Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für Dickmacher

Neue Studienergebnisse zeigen, dass 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die von Kindern gesehen wird, Fast Food, Snacks und Süßes bewirbt. Angesichts dieser und weiterer Zahlen aus der Untersuchung fordern Kinderärzte, Wissenschaftler und die AOK ein Verbot von Kindermarketing für solche ungesunden Produkte.

Durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und Fernsehen wahrnehmen, beziehen sich auf ungesunde Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten (TV 89 Prozent, Internet 98 Prozent). Ein mediennutzendes Kind sieht in Deutschland damit pro Tag durchschnittlich 15,48 Werbespots oder -anzeigen für ungesunde Lebensmittel (5,14 im Internet und 10,34 im TV). Das sind Ergebnisse einer Studie der Universität Hamburg (siehe Kasten für weitere Details), die heute (11. März 2021) vorgestellt wurden.

70 Prozent der Lebensmittelwerbespots im TV richtet sich speziell an Kinder

Weitere Erkenntnisse aus der Untersuchung: Die Zahl, der von Kindern gesehenen Spots pro Tag, ist zwar seit 2007 etwa gleichgeblieben, aber Kinder sehen heute 30 Minuten weniger fern – pro Stunde werden damit also 29 Prozent mehr ungesunde Spots ausgestrahlt als früher. Zudem richten sich 70 Prozent der untersuchten Lebensmittelwerbespots im Fernsehen durch Aufmachung oder Sendeumfeld speziell an Kinder.

Über die Studie
Die Studie „Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel in Internet und TV“ von Wirtschaftswissenschaftler Dr. Tobias Effertz analysiert die Werbekontakte von Kindern von 3 bis 13 Jahren für den Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 für Internet und von Juni bis September 2019 für TV. Grundlagen waren neben eigenen Erhebungen unter anderem Daten von Nielsen Media Research zum Internetsurfverhalten von Kindern und zur Reichweite von Webseiten sowie Daten über rezipierte Werbung.

Die Bewertung der Produkte als gesund oder ungesund erfolgte nach dem Nutrition Profile Model der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das eigens für den Bereich Kinder entwickelt wurde. Die Auswertung bezog sich auf die Kinder, die Internet bzw. TV nutzen.

Die Studie wurde von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), dem AOK-Bundesverband sowie sechs medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen finanziert.

Im Internet werden Kinder vor allem über Facebook mit Werbepostings zu ungesunden Produkten erreicht – über zehn Milliarden Mal pro Jahr in Deutschland. Zudem locken die Unternehmen Kinder gezielt auf ihre Webseiten zu ungesunden Produkten und versuchen sie dort durch Spiele oder ähnliches lange zu halten. Auf YouTube erfolgt die Werbung für Ungesundes mit Kindermarketing zu zwei Dritteln (67 Prozent) durch Influencer.

„Bemühungen um Erziehung zur gesunden Ernährung werden zunichtegemacht“

Angesichts dieser Zahlen erneuert ein Bündnis aus Wissenschaftlern, Kinderärzten und dem AOK-Bundesverband die Forderung, Kindermarketing für ungesunde Produkte in allen Medienarten zu untersagen – wie es in vielen Ländern bereits Standard ist.

„Die Unternehmen haben den Werbedruck auf Kinder bewusst erhöht“, kritisiert beispielsweise Dr. Sigrid Peter, Kinderärztin aus Berlin und stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVJK). „Die schädlichen gesundheitlichen Folgen davon sehen wir täglich in unseren Praxen. Wir müssen endlich die Ursachen angehen für Übergewicht bei Kindern – und Werbung ist dabei ein wichtiger Faktor.“

„Über 15 mal am Tag werden unsere Kinder von der Industrie dazu animiert, mehr Zucker, Salz und Fett zu essen“, kritisiert auch Prof. Dr. Hans Hauner, Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der TU München und Vorsitzender der Deutschen Diabetes Stiftung (DDS). „Das macht alle Bemühungen um eine Erziehung zur gesunden Ernährung zunichte und darf nicht weiter toleriert werden. Diese Werbeaktivitäten in den digitalen Medien nehmen rasch zu und sind besonders wirksam.“ Zumal es Nachweise gebe, dass Werbung sogar stärker wirken kann als ein gutes Vorbild der Eltern.

„Es wird höchste Zeit, die Lebensmittelindustrie in die Pflicht zu nehmen“

„Die Studie zeigt erneut, dass seitens der Lebensmittelindustrie offenkundig keine Übernahme von Verantwortung oder Unterstützung zu erwarten ist“, ergänzt Dr. Kai Kolpatzik, Leiter der Abteilung Prävention beim AOK-Bundesverband. „Es wird daher höchste Zeit, diese Branche in die Pflicht zu nehmen. Denn freiwillige Selbstverpflichtungen, ganz egal ob im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie oder beim Werbeverbot für Kinderlebensmittel, liefen bisher ins Leere.“

Ein gesetzlich verankertes Werbeverbot fordert auch das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK): „Ernährungsbedingte Krankheiten haben sich auch bei Covid-19 als verhängnisvolle Risikofaktoren für schwere Verläufe und Versterben gezeigt“, sagt DANK-Sprecherin Barbara Bitzer. „Viele Todesfälle hätten verhindert werden können, wenn die Politik früher Maßnahmen gegen Übergewicht ergriffen hätte. Deshalb ist ein Werbeverbot jetzt mehr als überfällig.“


Quelle: Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) | Redaktion

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