Nephropathie bei Diabetes feststellen und behandeln

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Nephropathie bei Diabetes feststellen und behandeln

Sind die Nieren geschädigt, kann eine Dialyse nötig werden. Bei dieser „Blutwäsche“ werden schädliche Stoffe aus dem Blut herausgefiltert. Welche Dialyse-­Arten gibt es, welche Vor- und Nachteile haben die Methoden? Das erklärt Dr. Kristina Rohmann im Interview.

Im Interview:


Dr. Kristina Rohmann ist Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie in der Praxis für Nieren- und Blut­hoch­druck­erkrankungen in Ahaus im westlichen Münsterland. In der Praxis werden u. a. Nierenerkrankungen behandelt und auch Menschen auf die Dialyse vorbereitet.

Zu Dr. Kristina Rohmann kommen auch Menschen mit einer diabetischen Nephropathie, also einer Nierenschädigung, die durch den Diabetes entstanden ist. Diabetologe Dr. Martin Lederle hat sie unter anderem dazu befragt.

Diabetes-Journal (DJ): Wann sollte sich ein Patient mit Diabetes mellitus und Nierenfunk­tionsstörung beim Nephrologen vorstellen?
Dr. Kristina Rohmann:
Patienten mit Diabetes mellitus werden regelmäßig beim Hausarzt oder Diabetologen untersucht. Dazu gehören auch Laboruntersuchungen aus Blut (HbA1c-Wert, Kreatinin-Wert) und Urin. Die Urinuntersuchung (Mikroalbuminurie-Screening) dient zum Nachweis einer erhöhten Eiweißausscheidung im Urin. Sofern bei diesen Untersuchungen eine Verschlechterung der Nierenfunktion oder eine erhöhte Eiweißausscheidung im Urin nachgewiesen wird, sollte eine Vorstellung beim Nephrologen erfolgen.

DJ: Welche speziellen Untersuchungen werden beim Nephrologen durchgeführt?
Rohmann:
Der Nephrologe beginnt mit einer ausführlichen Befragung des Patienten. Dies bezieht sich auf den Diabetes mellitus, d. h. wie lange die Erkrankung besteht, wie die Einstellung zuletzt war, welche Medikation besteht und ob bereits andere Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus, z. B. eine diabetische Retinopathie, bekannt sind.

Da auch viele andere Erkrankungen zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen können, ist auch wichtig, ob es in der Vergangenheit Nierenprobleme gab (z. B. häufige Harnwegsinfekte oder Nieren­becken­entzün­dungen), ob Bluthochdruck oder Herz-­Kreislauf-­Erkrankungen (Herz­infarkt, Schlaganfall) bestehen oder ob erhöhte Cholesterinwerte vorliegen. Außerdem interessieren Tumorerkrankungen, Auto­immun­erkrankungen (z. B. Rheuma) und Nierenerkrankungen in der Familie. Zusätzlich erfolgt eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums, um zu beurteilen, wie die Nieren aussehen, ob es Hinweise auf einen gestörten Harnabfluss (Harnstau), Tumore oder Zysten gibt.

Außerdem wird eine Urinuntersuchung durchgeführt. Mit dem Urinteststreifen erkennt man, ob Entzündungszellen (Leukozyten), Blut (Erythrozyten) oder Eiweiß (Protein) im Urin auftreten. Beim Nachweis von Erythrozyten im Urin wird eine Urin-Mikroskopie ergänzt. Man unterscheidet dabei normale (eumorphe) Erythrozyten und verformte (dysmorphe) Erythrozyten. Sollten sich dysmorphe Erythrozyten finden, kann dies ein Hinweis auf eine zusätzliche akute Nierenerkrankung (akute Glomerulonephritis) sein, die man weiter abklären sollte. Dies kann bedeuten, dass der Nephrologe weitere Laboruntersuchungen ergänzt (z. B. Bestimmung von Antikörpern) oder sogar eine Probenentnahme von Nierengewebe durch eine Punktion (Nierenbiopsie) veranlasst.

Der Nachweis von Protein im Urin ist typisch für die diabetische Nephropathie. Um abzuschätzen, wie viel Eiweiß sich im Urin befindet, kann durch einen Schnelltest eine grobe Unterteilung der Eiweißausscheidung vorgenommen werden. Wenn sich eine sehr hohe Eiweißausscheidung zeigt, kann man durch Untersuchungen aus dem 24-Stunden-­Sammelurin die Gesamtmenge an ausgeschiedenem Eiweiß über 24 Stunden und die unterschiedlichen Eiweißgruppen bestimmen und je nach Verteilung weitere Erkenntnisse bezüglich der Nieren­erkrankung gewinnen.

DJ: Wie viele Patienten kommen pro Jahr in Deutschland neu an die Dialyse? Wie ist der Anteil an Patienten mit Diabetes?
Rohmann:
Nach dem „Jahresbericht 2019 zur Qualität in der Dialyse“ des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) belief sich die Anzahl der 2019 erstmalig begonnenen Nierenersatztherapien mit Hämodialyse oder Peritonealdialyse deutschlandweit auf 12 648 Patienten. Bei 23,36 % der Patienten war hierbei eine diabetische Nephropathie die Ursache für die Dialyse­pflichtigkeit.

DJ: Wann muss an eine Dialysebehandlung gedacht werden?
Rohmann:
Grundsätzlich besteht bei jedem Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung das Risiko, im Laufe des Lebens eine Dialyse zu brauchen.
Hierbei wird zur Abschätzung der Nierenleistung mit der errechneten GFR, der glomerulären Filtrationsrate, gearbeitet. Je schlechter die GFR ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, an die Dialyse zu müssen.
Aber die Notwendigkeit zur Dialyseeinleitung hängt von mehreren Faktoren ab. Wenn die Nierenfunktion nachlässt, kann die Wasserausscheidung abnehmen und der Patient Wasser einlagern (Ödeme z. B. im Knöchel- oder Unterschenkelbereich). Wenn eine Überwässerung des Patienten droht (meist auch mit Luftnot), kann man durch Einleitung einer Dialysebehandlung Wasser entziehen.

Aber auch andere Funktionen der Niere können beeinträchtigt sein. Dies sind Störungen des Säure-Basen-Haushalts oder der Kaliummenge im Körper. Wenn die Nierenfunktion nachlässt, kommt es zu einer Übersäuerung des Körpers (Azidose) und Kalium häuft sich im Körper an, sodass schwere Herzrhythmusstörungen die Folge sein können. Hier ist eine Dialyse die letzte Möglichkeit, das Kalium aus dem Blut „auszuwaschen“ und den Säure-­Basen-Haushalt wiederherzustellen.

Wenn die Entgiftungsfunktion der Nieren nachlässt, steigt zudem der Harnstoffwert im Blut an. Einen Anstieg des Harnstoffs (Urämie) bemerkt man durch Müdigkeit und Konzentrationsstörungen, Appetitlosigkeit, dauerhafte Übelkeit und später auch Erbrechen sowie starken Juckreiz der gesamten Haut. Sollten diese Symptome auftreten, ist eine Dialysebehandlung dringend erforderlich, da eine fortschreitende Urämie bis zum Koma führen kann.

DJ: Welche Dialysemethoden stehen zur Verfügung?
Rohmann:
Man unterscheidet im Wesentlichen die Hämodialyse (Blutwäsche) von der Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse). Bei beiden Verfahren sorgt ein Filter mit einer Membran dafür, einen Stoffaustausch zwischen dem Blut und einer Dialysatlösung herzustellen. Ziel ist es hierbei, über eine selektive (semipermeable) Membran die Stoffe aus dem Blut in das Dialysat wandern (diffundieren) zu lassen, die aus dem Blut entfernt werden sollen (z. B. Kalium oder Harnstoff), und Stoffe aus dem Dialysat in das Blut diffundieren zu lassen, die dort fehlen (z. B. Bicarbonat).

DJ: Wie wird eine Hämodialyse durchgeführt?
Rohmann:
Bei der Hämodialyse wird dem Patienten zunächst ein Dialysezugang angelegt. Dies kann entweder ein Katheter sein, der in ein Blutgefäß im Halsbereich führt, oder eine Gefäßverbindung (Shunt) im Bereich des Arms, die im Rahmen einer kleinen Operation angelegt wird.

Die Hämodialyse erfolgt üblicherweise 3-mal pro Woche für jeweils 4 Stunden. Hierbei wird der Patient an die Dialysemaschine angeschlossen. Das Blut wird von der Maschine kontinuierlich angesaugt, durchläuft in der Maschine einen besonderen Filter und wird dann „gereinigt“ dem Patienten wieder zurückgegeben.

DJ: Wie wird eine Peritonealdialyse durchgeführt?
Rohmann:
Für die Peritonealdialyse wird das Bauchfell als Dialysefilter genutzt. Hierbei wird dem Patienten in einer kleinen Opera­tion ein Katheter durch die Bauchdecke gelegt (PD-Katheter). Durch diesen Katheter kann man dann Dialysat in die Bauchhöhle einlaufen lassen. Während die Flüssigkeit im Bauchraum ist, findet über das Bauchfell ein Stoffaustausch mit dem Blutsystem statt, sodass überschüssige Stoffe in das Dialysat diffundieren. Nach einer vorgegebenen Zeit wird die Flüssigkeit über den Katheter wieder abgelassen und es wird neue Flüssigkeit in den Bauchraum gefüllt.

DJ: Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Dialysemethoden für Patienten mit Diabetes mellitus?
Rohmann:
Die Hämodialyse findet üblicherweise 3-mal pro Woche in einem Dialysezentrum statt. Bei berufstätigen Patienten kann dies eine große zeitliche Einschränkung bedeuten. Vorteil ist, dass man in der Praxis gut überwacht ist. Gerade bei fortgeschrittener Diabetes­erkrankung kann es zu Blutdruckproblemen im Rahmen der Dialyse kommen, auf die das Dialyseteam gut reagieren kann. Auch Infekte oder andere Komplikationen werden hier oft frühzeitig erkannt.

Die Peritonealdialyse wird meistens zu Hause durchgeführt. Nach einer Schulung kann der Patient die Behandlung allein durchführen und entweder mehrfach am Tag oder über Nacht mithilfe einer Maschine die Flüssigkeit im Bauchraum wechseln. Dies gibt gerade jungen, berufstätigen Patienten viele Freiheiten, den Alltag selbst zu gestalten.

DJ: Wann wird über eine Nierentransplanta­tion nachgedacht?
Rohmann:
Wenn sich die Nierenfunktion eines Patienten so verschlechtert hat, dass in absehbarer Zeit ein Nierenersatzverfahren notwendig wird, sollten mit jedem Patienten alle Möglichkeiten der Nierenersatztherapie besprochen werden. Hierzu gehört auch die Nierentransplantation, also die Möglichkeit, ein Spenderorgan zu bekommen.

Hierbei kann man über eine Aufnahme auf der Warteliste bei der Organisation „Euro­transplant“ ein Organ eines unbekannten Organspenders erhalten oder versuchen, durch eine Lebendspende eine Niere von einem Angehörigen o. ä. zu bekommen.

Um für eine Transplantation in Frage zu kommen, muss der Patient bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen erfüllen. Eine Altersgrenze gibt es hierbei nicht, aber es kann sein, dass z. B. eine schwere Herzerkrankung oder eine Tumorerkrankung gegen eine Transplantation spricht und der behandelnde Nephrologe daher von einer Transplantation abrät.

Schwerpunkt „Kleine Blutgefäße schützen“

Interview:

Dr. Martin Lederle
Arzt für Innere Medizin, Diabetologie
MVZ Ahaus, Fachbereich Diabetologie
Wüllener Straße 101, 48683 Ahaus

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (10) Seite 30-33

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