Neue Therapieansätze

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Neue Therapieansätze

Ende November tagten in Leipzig die Deutsche Diabetes Gesellschaft und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft. Was waren die bestimmenden Themen der Leipziger Tagung?

Diabetes und Fettleibigkeit sind chronische Erkrankungen, deren Behandlung Betroffenen ein Höchstmaß an Disziplin und Motivation abverlangt. Häufig stellen sich im Verlauf der Selbstbehandlung Versagensgefühle ein, die zu Depressionen führen können. Um negative Entwicklungen zu verhindern und die Motivation zu stärken, setzen Experten neue psychotherapeutische Behandlungsformen ein. Wie können Schema-Therapie, Acceptance-and-Commitment-Ansatz oder Konfrontationen vor dem Spiegel beim Krankheitsmanagement helfen? Das erläuterten Spezialisten anlässlich der 8. Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der 30. Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).

Das Problem: Verzicht und Einschränkungen als Therapie

Diabetes und Adipositas treten immer häufiger auf, zunehmend auch kombiniert. Die Therapien stellen Betroffene oft vor große Herausforderungen. Diabetespatienten, die Insulin benötigen, müssen jeden Tag mehrmals Blutzucker messen, Insulinmengen berechnen und spritzen. Adipöse Menschen wiederum sind gefordert, täglich ein ausgeklügeltes Ernährungsmanagement umzusetzen, sich mehr zu bewegen und die Kalorienzufuhr zu kontrollieren.
„Dafür müssen Verzicht und Einschränkungen in Kauf genommen werden“, erläutert Dr. phil. Andrea Benecke. „Und das ist ein Problem“, ergänzt die Leiterin des Psychodiabetologischen Forschungs- und Behandlungsschwerpunkts der Poliklinischen Ambulanz an der Universität Mainz. „Denn die Betroffenen müssen sich jeden Tag für etwas negativ Erlebtes entscheiden. Dies entspricht nicht der menschlichen Natur, die unmittelbar positive Erfahrungen machen will.“

Risiko für Depressionen und Angststörungen

Erschwerend kommt hinzu, dass Blutzuckerwerte nicht hundertprozentig kontrollierbar sind. Ebenso gibt es Tage, an denen Menschen mehr wiegen, obwohl sie sich zuvor eingeschränkt haben. „Solche Erlebnisse wirken zusätzlich demotivierend, lösen Gefühle von Sinnlosigkeit, Hilflosigkeit und Versagen aus“, so Benecke. „Daraus können sich leicht Depressionen oder Angststörungen entwickeln.“ Zahlen belegen, dass Depressionen bei Diabetespatienten doppelt so häufig auftreten wie in der Allgemeinbevölkerung, Angststörungen um zwanzig Prozent erhöht sind. Angst und Depression haben zur Folge, dass sich die Blutzuckereinstellung verschlechtert oder das Gewichtsproblem verschärft.

Neue Lösungswege im Angebot

Um dem entgegenzusteuern und die Selbstbehandlungsmotivation zu stärken, bieten Experten neue psychotherapeutische Lösungswege an. Bei der Schema-Therapie etwa identifiziert der Patient negative Einstellungen, die seine Selbstabwertung fördern oder Kompetenz in Frage stellen. „In einem zweiten Schritt verändern Therapeut und Patient die hinderlichen Schemata, so dass der Patient frei wird, gesündere Verhaltensweisen zu etablieren“, erklärt Benecke. Schwierige Lebensumstände besser annehmen zu können, ist das Ziel der Acceptance-and-Commitment-Therapie. „Psychische wie körperliche Schmerzen sollten ins Leben integriert statt bekämpft werden“, sagt Benecke. Bei Verfahren lernen die Patienten daher, Lebensziele mit der Erkrankung zu erreichen und nicht trotzdem.

Blick in den Spiegel soll helfen

Vielversprechend ist schließlich auch ein neuer Ansatz, der Menschen mit schweren Ess-Attacken helfen soll. Die Erkrankung, die Fachleute als „Binge-Eating“ bezeichnen, führt meist zu einem Vermeidungsverhalten, die Betroffenen leiden unter einer negativen Selbsteinschätzung und wollen sich mit ihrem Körper nicht beschäftigen. „Therapeutisch geleitete Konfrontationen vor dem Spiegel helfen, dieses Vermeidungsverhalten ab- und regelmäßige körperbezogene Aktivitäten aufzubauen“, erklärt Benecke.

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft


Zum neuartigen Ansatz der Acceptance-and-Commitment-Therapie ist im Kirchheim-Verlag ein Buch erschienen (Abbildung siehe Randspalte). Es heißt „Diabetes akzeptieren und Motivation gewinnen – Selbsthilfe mit der Diabetes-Akzeptanz- und Commitment-Therapie (DACT)“, Autor ist der Psychologe Achim Stenzel. Gedacht ist es für Patienten, die besser mit ihrem Diabetes zurechtkommen wollen, hilfreich ist es aber auch für Diabetesberaterinnen.

Im Begleittext zum Buch heißt es:
Über Diabetes wissen Sie eine ganze Menge. Auch, dass Sie Ihren Lebensstil ändern müssen.

  • Aber können Sie auch akzeptieren, dass diese Veränderungen nötig sind?
  • Sind Sie motiviert fürs Diabetes-Selbst-Management?
  • Oder kämpfen Sie mit Burn-out-Gefühlen, weil Alltagsstress und Diabetes zusammen einfach zu viel für Sie sind?

Dieser Ratgeber hilft Ihnen, langfristig erfolgreich Ihren Diabetes zu akzeptieren und Motivation zu gewinnen. Das gelingt mit der Diabetes-Akzeptanz- und Commitment-Therapie, einer neuen Methode, die hier erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht wird.
Erfolgreich erprobt im Diabetes Zentrum Bad Mergentheim.
ISBN 978-3-87409-525-9, 1. Auflage 2012, 106 Seiten, 12,50 € / 22,80 sFr

Sie erhalten das Buch unter anderem im Online-Shop des Kirchheim-Verlages unter www.kirchheim-shop.de

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