„Preisverhandlungen sind kein Glücksspiel!“

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„Preisverhandlungen sind kein Glücksspiel!“

“Nicht zocken, sondern verhandeln!” Das fordert der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn (www.spahnblog.de), wenn es um das AMNOG, das Arzneimittelmarktneuordungsgesetz, geht. In einem aktuellen Blog-Beitrag schlägt er harsche Töne gegen die Preisverhandlungen bei der frühen Nutzenbewertung moderner Diabetes-Medikamente an, wie der Gliptine und der Inkretin-Mimetika für Typ-2-Diabetiker. Spahn: “Das AMNOG ist kein Glücksspiel!”

Durch das AMNOG, das 2011 in Kraft trat, sollen sich die Preise neuer Medikamente an ihrem Zusatznutzen orientieren, was Studien nachweisen müssen (wir berichteten mehrfach). Ein Jahr nach Markteinführung werden die Preise hart verhandelt – am Verhandlungstisch sitzen GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und Pharmaunternehmen. Oder sollte man besser Spieltisch sagen?

Preisverhandlungen: „Pokerpartien, bei denen gezockt wird“

“Die Preisverhandlungen gleichen teilweise Pokerpartien, bei denen gezockt wird. Wie bei Glücksspielen üblich, verzockt man sich dann auch mal. Dies ist leider meistens der GKV-Spitzenverband als Vertreter der Krankenkassen.” Dessen Verhalten bezeichnet er als “starrköpfig und kurzsichtig”, wodurch den Kassen in einigen Fällen “erhebliche Mehrkosten” entstanden seien. Zudem müssten zigtausende Patienten auf neue Medikamente umgestellt werden.

Bestes Beispiel: das Diabetes-Medikament Vildagliptin von Novartis. Weil der Spitzenverband den Preis unbedingt auf das Niveau billigerer Nachahmer-Produkte (Generika-Basis) drücken wollte, zog das Unternehmen am 1. Juli die Notbremse und nahm das Arzneimittel vom deutschen Markt.

“Das Nachsehen haben am Ende die Patienten”, so der Gesundheitsexperte. Denn über 300.000 Patienten müssen jetzt auf Alternativpräparate umgestellt werden, was die Kassen in den kommenden 3 Jahren voraussichtlich 40 bis 60 Mio. Euro pro Jahr kostet; die entgangenen Einsparungen durch einen niedrigeren Preis noch gar nicht mitgerechnet – die beiden derzeit im Markt befindlichen Gliptine (Sitagliptin, Saxagliptin) sind teurer. Das Angebot des Herstellers sei sogar im europäischen Vergleich “äußerst günstig gewesen”, erklärt er.

DDB befürchtet Umstellung auf umstrittene Sulfonylharnstoffe

Schon im Juli hat der Deutsche Diabetiker Bund (DDB) das Bundesgesundheitsministerium ebenso wie den GKV-Spitzenverband darüber informiert, dass es für Diabetespatienten essenziell wichtig sei, eine Umstellung der getroffenen Medikamentenauswahl, die sich oft erst nach einer langwierigen Testphase entscheide, möglichst zu verhindern.

“Die Patienten unter Vildagliptin-Therapie werden nicht nur auf andere Gliptine umgestellt, sondern es ist insbesondere bei den Hausärzten zu befürchten, dass die Umstellung auf die umstrittene Vergleichstherapie Sulfonylharnstoff mit einem deutlich erhöhten Risiko für Unterzuckerungen erfolgt”, sagt der DDB-Bundsvorsitzende Dieter Möhler. Bei den Sulfonylharnstoffen wird die Insulinausschüttung nahrungsunabhängig angeregt.

Als weiteres Beispiel für das schlechte Verhandlungsgeschick des Spitzenverbands nennt Spahn das Diabetes-Medikament Lyxumia von Sanofi. Es ist ein Inkretin-Mimetikum, das die Freisetzung von Insulin in Abhängigkeit von der aufgenommenen Kohlenhydrat-Menge steigert und die Magenentleerung verzögert. “Der GKV-SV drehte auch hier die Verhandlungsschraube so weit, dass der Hersteller den Vertrieb in Deutschland aussetzt”, erläutert der gesundheitspolitische Sprecher. Die Folge sind wiederum hohe Mehrkosten für die Versichertengemeinschaft von rund 12 Mio. Euro pro Jahr.

Weiterer Vertriebsstopp: Canagliflozin

Ein weiteres, neues Diabetes-Medikament flog im September vom deutschen Markt: Canagliflozin (Invokana von Janssen). Das entschied der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Nach Dapagliflozin (Forxiga, Hersteller: Astra-Zeneca und Bristol-Myers-Squibb) ist es der zweite Wirkstoff aus der Gruppe der SGLT-2-Hemmer (“Gliflozine”), der schlecht bewertet wurde. Diese Arzneimittel senken den Blutzucker, indem sie die Ausscheidung von Zucker über die Nieren fördern.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert die Entscheidung scharf. Damit werde die Einführung einer neuen Gruppe von “effektiven und sicheren Wirkstoffen”, die für die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes benötigt werden, verhindert, erklärt DDG-Präsident Privatdozent Dr. Erhard Siegel.


von Angela Monecke
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-online.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (11) Seite 58-59

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