Raus aus dem Haus – rein in den Sportschuh

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© Jonas Glaubitz - Fotolia
Raus aus dem Haus – rein in den Sportschuh

Menschen mit Diabetes müssen neben der üblichen Planung darüber nachdenken, wie sie im Urlaub ihren Diabetes managen – vor allem im Aktivurlaub! Denn dort heißt es Muskelkater statt Erholung. Egal ob trainiert oder untrainiert: Vor dem Aktivurlaub gilt es, seine Kräfte realistisch einzuschätzen. Die Diabetestherapie muss je nach Art und Umfang der Bewegung angepasst werden. Auch Klimawechsel und Höhenunterschiede sind zu beachten.

Die Therapie anpassen

Bei Bewegung oder Sport benötigt der Körper mehr Kohlenhydrate, die aus den Speicherdepots der Muskulatur und der Leber freigesetzt werden. Die

Wie genau sich die körperliche Aktivität auf den Stoffwechsel auswirkt, ist bei jedem anders und hängt von vielen Faktoren ab. Es gibt kein Patentrezept, wie Insulin oder Tabletten

Zuerst Blutzucker messen

Vor Bewegung und Sport sollte der Blutzucker bestimmt werden – vor allem dann, wenn eine Insulintherapie oder eine Behandlung mit oralen Antidiabetika (z. B. mit

Der Ausgangsblutzuckerwert vor körperlicher Aktivität sollte bei einer Insulintherapie bzw. einer Therapie mit Sulfonylharnstoffen zwischen 150 und 180 mg/dl (8,3 und 10 mmol/l) liegen. Wird im Urlaub eine Sportart betrieben, mit der man bis dahin keine Erfahrung hatte und deren Wirkung auf den Blutzucker nicht genau eingeschätzt werden kann, ist ein Blutzuckerwert zwischen 180 und 200 mg/dl (10 und 11,1 mmol/l) sinnvoll.

Der Sicherheitsblutzucker

Wer Extremsport betreibt wie Fallschirmspringen oder Tauchen, sollte einen Sicherheitsblutzucker von 200 bis 240 mg/dl (11,1 bis 13,3 mmol/l) tolerieren. Wie hoch der Blutzuckerwert bei welcher körperlichen Aktivität im Einzelfall sein sollte, muss letztlich individuell herausgefunden und festgelegt werden.

Um zu erfahren, wie der eigene Diabetes auf die im Urlaub geplante körperliche Aktivität reagiert, ist es am besten, dies vorher zu Hause zu testen. Hilfreich ist ein

Vor dem Aktivurlaub ist es sinnvoll, geplante Aktivitäten anhand des Bewegungstagebuchs mit dem Diabetesteam zu besprechen.

Sollte es doch zu einer Unterzuckerung

Hypoglykämie? Sofort aufhören!

Jetzt heißt es, erst einmal schnellwirksame Kohlenhydrate zuzuführen, mindestens 20 g Kohlenhydrate in Form von Apfelsaft, Cola, Traubenzucker oder eines Glukose-Gels. Dabei gilt: Erst essen, dann messen! Anschließend sind zur Sicherheit noch 20 bis 40 g langwirksame Kohlenhydrate (Müsliriegel, Brot) erforderlich, um den Blutzucker hoch zu halten.

Es sollte in der Regel eine Verschnaufpause von 30 Minuten erfolgen, bevor es mit der körperlichen Aktivität weitergeht. Steigt der Blutzucker nach der Pause nicht deutlich an, sollten lieber noch weitere 30 Minuten abgewartet und zusätzliche Kohlenhydrate gegessen werden.

Auch

Alkohol und Bewegung

Die Leber schüttet in der Regel ständig Zucker aus; durch Alkohol wird die kontinuierliche Zuckerausschüttung gehemmt, der Blutzucker kann absinken. Deshalb ist es besser, bei Sport auf Alkohol zu verzichten. Falls nicht, gilt: Unbedingt die Insulindosis anpassen und/oder vermehrt Kohlenhydrate zuführen, um Unterzuckerungen zu vermeiden.

Schützen Sie Ihr Rüstzeug!

Ob beim Skifahren oder in der Wüste – die Diabetesausrüstung ist immer dabei und muss vor Wind und Wetter geschützt werden. Insulinvorräte sollten immer kühl zwischen 2 und 8° C gelagert werden. Die Insulinvorräte können optimal im zimmereigenen Kühlschrank gelagert werden. Sollten die Insulinvorräte mit auf Reisen gehen, z. B. bei einer Fahrradtour quer durchs Land, sollten die Vorräte durch Kühlpads oder spezielle Taschen (z. B.

Das angebrochene Insulin ist bei 30 °C sechs Wochen haltbar. Bei extrem hohen Außentemperaturen kann es nötig sein, auch dieses zu kühlen. Geht es in kalte Regionen wie zum Skifahren auf die Berge oder zum Winterwandern nach Schweden, muss darauf geachtet werden, dass das Insulin nicht zu kalt wird. Am besten ist es, das Insulin am Körper zu tragen: entweder in der Jackeninnentasche oder in einer Bauchtasche unter dem Pulli.

Auch Teststreifen sind hitze- und kälteempfindlich. Sie sollten zwischen 4 und 30 °C gelagert werden. Außerdem sind Teststreifen vor Feuchtigkeit zu schützen: Transportieren Sie sie immer in der Originaldose!

Insulin ins Handgepäck

Auf Flugreisen sollten Insulin und auch Teststreifen im Handgepäck transportiert werden, um sie vor Kälte zu schützen. Wer sich im Urlaub hoch hinaus wagt, muss sich bezüglich seines Blutzuckermessgerätes erst ab einer Höhe von 3 048 m Gedanken machen: Bis zu dieser Höhe garantieren alle Hersteller, dass die Geräte korrekt messen.

Egal ob

Ist das Insulin mit einer Pumpe immer dabei, muss auch diese geschützt werden. Ob die Pumpe wasserdicht ist oder nicht, lässt sich in den Bedienungsanleitungen der Hersteller nachlesen. Die meisten Hersteller empfehlen, die Insulinpumpen beim Duschen oder Schwimmen abzulegen. Für einen Zeitraum von etwa 30 Minuten kann die Pumpe problemlos abgenommen werden. Um die Pumpe bei Sportarten wie Kanufahren vor Wasser zu schützen, kann die Pumpe in eine

Was Sie immer dabeihaben sollten …

Wer den ganzen Tag unterwegs ist, sollte gut ausgestattet sein. Je nach Diabetestherapie sollten immer dabei sein: ein Blutzuckermessgerät, Spritze, Pen, Insulinpumpe, Tabletten, ausreichend Kohlenhydrate und Mineralwasser

Ernährung im Urlaub

Kulinarische Highlights möchte sich keiner im Urlaub entgehen lassen. Das muss auch nicht sein, denn Genuss gehört schließlich zum Urlaub. Essgewohnheiten und Lebensmittelauswahl weichen oft von denen zu Hause ab. Eine Nährwerttabelle mit landestypischen Lebensmitteln oder Gerichten kann helfen, den Kohlenhydratgehalt der Lebensmittel oder Gerichte besser abzuschätzen.

Ernährung bei erhöhter körperlicher Aktivität entspricht der gesunden Ernährung nach den Empfehlungen der

Rolle der Kohlenhydrate

Kohlenhydrate spielten in der Ernährung bei Diabetes immer schon eine besondere Rolle. Auch bei körperlicher Aktivität gibt er hier etwas zu beachten: Um die Zuckerdepots der Leber wieder aufzufüllen, sollten stärkereiche Lebensmittel wie Vollkornbrot, -reis, -nudeln und Kartoffeln bevorzugt werden. Zwei Portionen frisches Obst sind empfehlenswert: Sie versorgen den Körper gleichzeitig mit Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen.

Wie bei jeder gesunden Ernährung sollten Sie Lebensmittel mit Haushalts- oder Traubenzucker sparsam verzehren. Grundsätzlich sollten Sie vor, bei und nach dem Sport genügend Kohlenhydrate zuführen.

Trinken Sie genügend …

Wenn der Durst da ist, ist es schon zu spät. Durch die Schweißproduktion des Körpers kommt es bei körperlicher Aktivität zu einem Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust. Die Muskelzellen müssen ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, dafür ist eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme entscheidend.

… auch wegen höherer Werte!

Zusätzlich muss beachtet werden, dass vor der körperlichen Aktivität ein höherer Blutzuckerwert toleriert wird: Das bedeutet unter Umständen, dass die Blutzuckerwerte über der Nierenschwelle liegen; dadurch wird vermehrt Urin über die Niere ausgeschieden, was zusätzlich ausgeglichen werden muss. Auch vor dem Sport sollten Sie schon ein großes Glas Mineralwasser trinken.

Geeignete Getränke sind vor allem kalorien- und alkoholfreie Getränke wie Mineralwasser. Während des Sports reicht es aus, kleine Mengen an Flüssigkeit aufzunehmen. Um die Blutzuckerwerte während der Aktivität stabil zu halten, können Saftschorlen hilfreich sein; gut geeignet sind 100-%-Fruchtsäfte im Mischverhältnis 1:3 bis 1:1 (Kohlenhydratanteil von 30 bis 60 g pro Liter). Der größte Teil des Flüssigkeitsverlustes sollte nach dem Sport ausgeglichen werden. Die Menge richtet sich nach Intensität und Belastung.

Kein Koffein und Alkohol

Ein zusätzlicher Ausgleich von Mineralstoffen ist nicht notwendig – eine gesunde, ausgewogene Ernährung reicht aus. Zuckerhaltige Getränke wie Cola oder pure Fruchtsäfte sind für einen schnellen Flüssigkeitsausgleich genauso ungeeignet wie koffeinhaltige oder alkoholische Getränke.

Auf Sportlergetränke,

Diabetes- und allgemeine Reiseapotheke

Zusätzlich zur allgemeinen Reiseapotheke sollten natürlich die für die Diabetestherapie benötigten Medikamente in ausreichender Menge mitgenommen werden – lieber etwas mehr als zu wenig. Nicht nur Medikamente, auch Traubenzucker und haltbare, feste kohlenhydrathaltige Lebensmittel gehören dazu wie Knäckebrot, Zwieback, Müsliriegel. Die allgemeine Reiseapotheke sollte bei Menschen mit Diabetes nicht fehlen. Was die Reiseapotheke alles beinhalten sollte, hängt natürlich vom Reiseziel und von der Reisezeit ab.

Zu einer allgemeinen Reiseapotheke gehören:

Wer sich nicht sicher ist, kann sich vom Hausarzt, Apotheker oder Diabetesteam beraten lassen.

Die Voraussetzungen

Es ist wichtig, für die geplante Sportart und Intensität der Belastung fit zu sein. Wer länger nicht aktiv war oder die Sportart wechselt, sollte sich vom behandelnden Diabetesteam vor dem Urlaub beraten lassen. Natürlich müssen eventuell vorliegende diabetische Folge- und/oder Begleiterkrankungen bei der Planung der körperlichen Aktivität im Urlaub berücksichtigt werden. Hierbei hilft das Diabetesteam sicher gern.

Fazit

Walken, Wandern und Klettern, Schwimmen, Tauchen und Schnorcheln, Tennis oder Golf, Kiten und Surfen – den vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten im Urlaub sind keine Grenzen gesetzt. Die richtige Portion Bewegung, Erholung und Entspannung machen jeden Aktivurlaub zu einem unvergessenen Erlebnis – und Körper und Geist freuen sich.


Kerstin Sielemann, Minden

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