Schluss mit Marketing-Wildwuchs für Dickmacher – Minderjährige gesetzlich schützen!

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Schluss mit Marketing-Wildwuchs für Dickmacher – Minderjährige gesetzlich schützen!

Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe unterstützen die Forderung des Verbraucherschutzvereins foodwatch [1] an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, gegen das „Influencer-Marketing“ von Coca Cola und anderen Anbietern nachweislich übergewichtfördernder Lebensmittel und Getränke auf Youtube und Instagram vorzugehen und Jugendliche endlich besser zu schützen.

Nach einer neuen britischen Studie unter 11- bis 19-Jährigen geben mehr als die Hälfte schwer übergewichtiger Jugendlicher an, sich durch Werbung massiv unter Druck gesetzt zu fühlen, Ungesundes zu konsumieren; normalgewichtige Jugendliche sahen dies zu 40 Prozent ebenso. Der stärkste Einflussfaktor in der Umwelt des Menschen auf den Kalorienverzehr sei die Werbung, so der aktuelle Report von Cancer Research UK [2].

Selbstverpflichtungen der Industrie führt nicht zu verantwortungsvollem Marketing

„Minderjährige und junge Erwachsene lernen heute zunehmend durch Werbung in ihren bevorzugten Social Media-Kanälen, dass Junk Food, Cola, Limo & Co. hippe Lebensfreude verheißen – stattdessen besteht international wissenschaftlicher Konsens: Junk Food, Cola, Limo & Co. machen langfristig dick und krank. Ein gesetzlicher Schutz Minderjähriger vor Animation zu ungesundem Konsum durch Werbung ist längst überfällig“, so Professor Dr. med. Matthias Blüher, DAG-Präsident.

„Wieder einmal zeigt sich, dass Selbstverpflichtungen der Industrie keinesfalls zu verantwortungsvollem Marketing führen; das Animieren junger Menschen mit Internet-Helden und Sportidolen kann nur durch gesetzliche Vorgaben eingedämmt werden“, bekräftigt auch Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Pressesprecher der DDG.

„Die WHO Europe hat den Regierungen mit ihrem Nährwert-Profil ein einfaches Raster an die Hand gegeben, anhand dessen auf einen Blick ersichtlich ist, welche Getränke und verarbeiteten Lebensmittel an Minderjährige vermarktet werden dürfen und welche nicht. Die Bundes¬regierung sollte sich endlich entschließen, dieses auch anzuwenden“, so Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe.

„Influencer“ wecken gezielt Nachahmereffekte und Konsumbedürfnisse

Durch „Product placements“ ungesunder Lebensmittel in eigenen Videos und Posts jugendlicher Idole mit hoher Internet-Reichweite („Influencern“) werden gezielt Nachahmereffekte und Konsumbedürfnisse in deren Netzwerken geweckt – also bei Millionen von Minderjährigen und jungen Erwachsenen.

Der aktuelle Report von Cancer Research UK [2] belegt, dass sich Werbung für Junk Food auszahlt: Sehen junge Menschen nur eine Junk-Food Werbung am Tag, erhöht sich der Kalorienverzehr durchschnittlich um 18.000 Kalorien pro Jahr. Von allen Werbekanälen war die Nutzung von sozialen Medien am effektivsten: Dort gezeigte Werbung war übergewichtigen Jugendlichen am meisten präsent in Erinnerung geblieben.

Die Korrelation Bildschirmzeit und Adipositas besteht nicht mehr, sobald Streamingdienste ohne Werbeblöcke angeschaut werden. Das Übergewichtsrisiko verdoppelt sich, wenn ein Minderjähriger sich daran erinnern kann, mindestens eine Werbung pro Tag gesehen zu haben, im Vergleich zu einem Minderjährigen, der sich an keine solche Werbung im Verlauf eines Monats erinnern kann, so der Report.

Keine funktionierende Kontrolle für verantwortungsvolles Kindermarketing in Deutschland

„Wir plädieren für generelle Werbeverbote für übergewichtfördernde Lebensmittel und Getränke, die sich an Minderjährige richten, weil Minderjährige heute geradezu einem Sperrfeuer von Junk-Food-Marketing in Social-Media-Kanälen ausgesetzt sind und sich dagegen nicht wehren können. Auch Eltern, Lehrer und Erzieher kommen dagegen nicht an“, so Adipositasexperte Blüher. Jegliche Versuche in Familie, Kita und Schule, Minderjährigen gesunde Ernährung schmackhaft zu machen, werden so im Keim erstickt und tagtäglich konterkariert.

„Tatsache ist, dass wir derzeit keine funktionierende Kontrolle für verantwortungsvolles Kindermarketing in Deutschland haben. Auf die Beschwerde der Deutschen Diabetes Gesellschaft und foodwatch beim Deutschen Werberat3 hinsichtlich der Coca-Cola-Kampagne mit Fußballhelden auf Coladosen und Sammelbildchen bei der Fußballweltmeisterschaft 2016 haben wir die Antwort erhalten, die Werbung richte sich nicht an Minderjährige, sondern an junge Erwachsene. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern dreist und aberwitzig“, so Gallwitz.

Politik muss auch den gesundheitlichen Verbraucherschutz im Blick haben

„Im Koalitionsvertrag wird ausgeführt, dass ‚an Kinder gerichtete Werbung der kritischen Beobachtung [bedarf]‘ – das reicht aber nicht aus. Wir brauchen einen gesetzlichen Schutz von Minderjährigen vor der ständigen Verführung zu ungesundem Konsum! Dazu gehören eine effektive Kontrolle und im Notfall auch Sanktionsmöglichkeiten. Die Entscheidung, welche Lebensmittel an Minderjährige vermarktet werden dürfen und welche nicht, ist mit dem WHO Europe Nährwertprofil 2015 [4] einfach – nun muss es auch zur Anwendung kommen!“, fordert Dr. Jens Kröger von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und weist darauf hin, dass die WHO den Begriff „Kind“ für den Altersbereich von 0-18 Jahren definiert hat.

Blüher, Gallwitz und Kröger unisono: „Zu den Aufgaben unserer neuen Ernährungsministerin Frau Klöckner gehört nicht nur die Sicherung der Absatzmärkte der Ernährungswirtschaft, sondern auch der gesundheitliche Verbraucherschutz. Wir sind gespannt, ob es Frau Klöckner gelingt, diesen Interessenskonflikt so auszugleichen, dass die Ernährungswirtschaft zukünftig weniger Teil des Problems ist, sondern Teil der Lösung wird – und so zum Schutz der Gesundheit unserer Kinder beitragen kann.“

Literatur:
[1] Foodwatch [Hrsg.]: Der Coca-Cola-Report. (April 2018)
[4] WHO Regional Office for Europe: Nutrient profile model

Quelle: gemeinsame Pressemitteilung von Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe

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