Schnelles Abendessen für die Familie

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Schnelles Abendessen für die Familie

Schnell muss es oft gehen, gesund soll es sein – und natürlich möglichst allen schmecken: das Abendessen für die ganze Familie. Wie das gelingen kann, erklärt die Ernährungsberaterin Evelin Sadeghian im Interview.

Oft ist es doch so: Alle Familienmitglieder waren den Tag über unterwegs und treffen abends wieder aufeinander. Der Hunger ist groß, die Zeit knapp – ist es trotzdem möglich, in kurzer Zeit etwas auf den Tisch zu bringen, was schmeckt und gesund ist? Das haben wir Evelin Sadeghian gefragt. Sie ist Ernährungsberaterin im Diabetesteam des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult” in Hannover.


Diabetes-Eltern-Journal (DEJ): Gibt es in der Klinik Kochkurse für Kinder mit Diabetes? Wie wird Ernährung “unterrichtet”?

Evelin Sadeghian: Wir beschränken uns bei den Schulungen leider noch zu häufig auf die Theorie. Allerdings haben die Kinder auf der Station die Möglichkeit, ihre kalten Mahlzeiten selbständig zusammenzustellen. Hier versuchen wir, empfehlenswerte Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukte regelmäßig anzubieten. Eltern berichten in den Schulungen nicht selten, dass ihr Kind plötzlich Vollkornbrot mag.

Eine gute Möglichkeit, die Kinder praktisch anzuleiten, bieten die ambulanten Schulungen. Eine “persönliche” Lieblings-Müslimischung zusammenstellen, ein Dessert aus einem natürlichen Milchprodukt kreieren oder Osterhasen backen, macht in erster Linie Spaß, das Berechnen der Kohlenhydrate geschieht dann fast “nebenbei”.

DEJ: Schnell, gesund, lecker – ist es möglich, alles gleichzeitig zu erfüllen? Und wenn ja: Mit welchen Gerichten kann es gelingen?

Sadeghian: Mit etwas Planung ist das durchaus möglich. Wenn ich “schnell” allerdings mit “ich nehme mir für die Zubereitung einer Mahlzeit weniger als 30 Minuten Zeit” übersetze, dann wird es schwierig …

Also, vorausgesetzt alle Zutaten sind vorrätig, sind z. B. folgende Gerichte möglich:

  • Vollkornnudeln mit Pesto, Cocktailtomaten/getrockneten Tomaten, Basilikum und Parmesan
  • gebackene Kartoffel- und Gemüsestifte (Möhren/Zucchini/u. a.) mit Kräuterquark
  • Putensteak/Hähnchenbrust mit Champignonsauce und Reis
  • Broccolicremesuppe mit Vollkornbrötchen oder Vollkorntoast-Croutons
  • gebratenes Lachsfilet mit Gemüsereis
  • Kartoffel-Gemüse-Omelett
  • Gemüsesuppe mit Hackbällchen und Nudeln

DEJ: Viele Familien essen abends kalt – wie können dafür die Lebensmittel ausgewogen zusammengestellt werden?

Sadeghian: Auf jeden Fall sollte es eine abwechslungsreiche Auswahl an Getreideprodukten geben. Seien Sie neugierig, testen Sie beim Bäcker oder Bio-Bäcker hin und wieder eine neue Brotsorte oder backen Sie gemeinsam mit den Kindern Brot. Falls Brot abgelehnt wird, gehen auch Brötchen, auch hier lohnt es sich, das große Sortiment zu erkunden.

Gemüse und Obst gehören ebenfalls als fester Bestandteil zu der Mahlzeit, besonders wenn es tagsüber zu kurz gekommen ist. Schnell ist ein Teller mit Knabbergemüse vorbereitet, natürlich können auch ein Salat oder im Herbst/Winter eine warme Suppe angeboten werden. Die klassischen Lebensmittel Streichfett, Käse, Aufschnitt, vegetarischer Aufstrich, Fisch und Ei dürfen nicht fehlen.

Wenn das Ganze gelegentlich als selbstgemachter Hamburger, bunter Wrap oder Vollkornbrötchen “italienisch” mit Tomate, Mozzarella, Pesto und Rucola daherkommt, freuen sich die Kinder, wenn sie helfen dürfen.

DEJ: Meist hat jeder in der Familie seine Vorlieben. Wie kann es – z. B. durch eine geschickte Zusammenstellung – gelingen, dass möglichst viele mit dem Essen zufrieden sind?

Sadeghian: Grundsätzlich sollten die Vorlieben aller Familienmitglieder bei der Auswahl der Gerichte berücksichtigt werden. Bei jüngeren Kindern kann es sinnvoll sein, die einzelnen Bestandteile nicht zu vermischen (z. B. in Auflauf oder Reis-Gemüse-Pfanne), so dass das Kind die Möglichkeit hat, auszuwählen und ein neues Lebensmittel kennenzulernen. Bei älteren Kindern kann das Aufstellen eines Wochenplans hilfreich sein. Vereinbart werden sollte, dass nicht gemeckert wird und die Speisen probiert werden. Wenn es wirklich nicht gemocht wird, ist die Alternative eine “Brotmahlzeit”.

DEJ: Welche Convenience-Produkte kann man guten Gewissens verwenden? Worauf sollte man bei der Auswahl achten?

Sadeghian: Mit gutem Gewissen können z. B. tiefgekühlte Gemüsemischungen ohne weitere Zusätze, unpaniertes Fleisch oder unpanierter Fisch verwendet werden. Bei verarbeiteten Lebensmitteln ist der Blick auf die Zutatenliste wichtig. Wählen Sie Produkte aus, bei denen Gemüse und Beilagen (Kartoffeln, Reis, Nudeln) weit vorne stehen und fettreiche Zutaten (z. B. Käse, Rahm oder Sahne, Salami, Speck) fehlen oder weit hinten stehen.

Außerdem sollten wenig/keine Konservierungsstoffe, Aromen oder Geschmacksverstärker enthalten sein. Unterschiedliche Hersteller bieten unterschiedliche Qualitäten an, hier lohnt sich ein Vergleich. Weitere Tipps:

  • Kaufen Sie möglichst fettarme Fertiggerichte.
  • Ergänzen Sie Fertigpizza oder Fertigsuppe mit Gemüse.
  • Bereiten Sie die Fix-Gerichte mit mehr Gemüse zu als im Rezept angegeben.
  • Ersetzen Sie Sahne durch Milch.

Weitere Tipps finden Sie im Flyer “Gesundes Essen fix auf den Tisch” des Forschungsinstituts für Kinderernährung.

DEJ: Einmal kochen, zweimal essen – welche Gerichte eignen sich besonders gut zum Aufwärmen? Wie kann durch geschicktes (Vor-)Kochen Zeit gespart werden?

Sadeghian: Besonders gut zum Aufwärmen eignen sich Suppen oder Eintopfgerichte. Falls es mit der Menge für eine zweite Runde nicht reicht, kann die Mahlzeit gut mit Brot/Brötchen ergänzt werden.

Ebenso ergiebig sind Gemüsepfannen, die mit unterschiedlichen Beilagen wie Reis, Nudeln oder Couscous gereicht werden können. Aus übrig gebliebenen Kartoffeln kann z. B. am nächsten Tag ein Kartoffel-Gemüse-Omelett hergestellt werden. Hackfleisch kann einmal zu Frikadellen verarbeitet werden, gleichzeitig können kleine Fleischklößchen als Grundlage für einen Eintopf am übernächsten Tag gekocht werden.

DEJ: Am Abend wenige Kohlenhydrate zu essen, ist ein häufig gehörter Ratschlag, wenn jemand abnehmen will. Kann das auch für Kinder mit Diabetes sinnvoll sein und wenn ja: aus welchem Grund?

Sadeghian: Körpergewicht zu verlieren, funktioniert in der Regel über eine angemessene Energiezufuhr. Das Problem ist häufig eine zu große Aufnahme fett- oder kohlenhydrathaltiger Lebensmittel, z. B. Fleisch und Wurstwaren, Milchprodukte, Weißmehlprodukte, Süßigkeiten/pikante Snacks. Leider hören wir sehr oft, dass als Zwischen- oder Spätmahlzeiten Wurst oder Käse ausgewählt werden, weil diese “kein Insulin brauchen”. Dieses ist leider nicht ganz so (Anm. d. Red.: siehe auch nächste Frage/Antwort). In jedem Fall bedeutet die Auswahl solcher “Snacks” eine Steigerung der Kalorienmenge.

Die Kohlenhydratmenge am Abend zu reduzieren, ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Kohlenhydrathaltige Lebensmittel wie Vollkornbrot/-brötchen, Kartoffeln oder Vollkornnudeln tragen bei Kindern wesentlich zur Nährstoffzufuhr bei. Sie sättigen gut und dürfen in altersgemäß angemessener Menge Bestandteil der Mahlzeit sein.

DEJ: Gibt es Gerichte, die für Kinder mit Diabetes am Abend ungünstig sind?

Sadeghian: Nicht wirklich ungünstig, aber schwieriger mit der Abstimmung der Insulindosis, sind Gerichte mit einem hohen Eiweiß- und/oder Fettanteil und sehr große Mahlzeiten. Viele Familien berichten, dass der Blutzuckerverlauf in der Nacht, z. B. nach Pizza, Lasagne, Fast Food oder großen Pasta-Portionen, kaum zu handeln ist.

In dieser Situation empfehlen wir häufigeres Blutzuckertesten oder -beobachten (ggf. mit CGM/FGM). In einer Schulung lernen die Familien die Berechnung der Fett- und Eiweißeinheiten (Stichwort: Fett-Protein-Einheit (FPE)) kennen und den Zeitfaktor zu berücksichtigen. So ist es letztendlich möglich, auch für diese Gerichte die benötigte Dosis und – in der Insulinpumpentherapie – den geeigneten Bolus herauszufinden.

DEJ: Was tun, wenn Kinder über längere Zeit immer nur ihr Lieblingsgericht essen möchten?

Sadeghian: Auf keinen Fall sollte so eine Situation zur Folge haben, dass keine anderen Gerichte mehr zubereitet und angeboten werden. Kinder sind oft skeptisch und brauchen länger für die Gewöhnung an neue Lebensmittel oder Speisen. Klappt es beim ersten Mal nicht, sollte man nicht gleich aufgeben, sondern es unbedingt mehrfach versuchen. Erfahrungsgemäß ändern sich Vorlieben, die Kinder probieren in der Kindertagesstätte, bei Freunden oder Großeltern etwas “Neues”, und ab sofort gibt es ein neues Lieblingsgericht.

Es wäre hilfreich, wenn Eltern sich nicht täglich auf Diskussionen einließen. Vielleicht erinnern Sie sich selbst an Phasen mit eingeschränkter Lebensmittelauswahl oder Lieblingsspeisen, die Sie früher häufig eingefordert haben. Beeinflussen Sie das Essverhalten Ihres Kindes positiv, indem Sie unverdrossen weiterhin die breite Palette nährstoffreicher Lebensmittel einkaufen, mit Freude zubereiten und mit Genuss verzehren.

DEJ: Frau Sadeghian, vielen Dank für das Gespräch!

Mehr über das gesunde Familien-Abendessen und das Kochen mit Kindern erfahren Sie in Ausgabe 1/2016 des Diabetes-Eltern-Journals, die im März erscheint.

Interview: Nicole Finkenauer-Ganz

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (4) Seite 8-11

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