Sensordaten richtig interpretieren: der Banker

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Sensordaten richtig interpretieren: der Banker

Kontinuierlich gemessene Glukosedaten richtig zu deuten, kann knifflig sein. In der neuen Serie „Flash-Quiz“ stellen wir Ihnen Fallbeispiele nebst Sensordaten vor. Wir beschreiben, was man anhand der Daten erkennen kann – Ihre Aufgabe ist es, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Das Flash-Quiz – so funktioniert’s

Heute nutzen viele Menschen, die eine intensivierte Insulintherapie (ICT) oder eine Insulin­pumpentherapie durchführen, Sensoren zur Therapieüberwachung. Damit erhalten sie statt 4 bis 10 einzelnen Blutzuckerwerten beliebig viele Einzelmessungen der Glukose, einen kontinuierlichen Verlauf über 24 Stunden und Trendmeldungen, ob der Zucker steigt, fällt oder gleich bleibt. Die Tagesdaten lassen sich grafisch übereinanderlegen, so dass man die Werte von 7, 14, 30 oder 90 Tagen im Überblick erhält.

Umgang mit den Programmen erlernen
Diese Daten und grafischen Darstellungen werden von verschiedenen Auswerteprogrammen erzeugt. Den Umgang mit den Programmen muss man erlernen, damit man aus den Darstellungen die richtigen Schlüsse ziehen kann. Dabei sollte man sich nicht nur auf die Interpretation der Daten gemeinsam mit dem Diabetesteam verlassen: Jeder Patient sollte selbst erlernen, seine eigenen Daten anzuschauen, auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

AGP: ambulantes Glukoseprofil
Ein häufig verwendetes Auswerteprogramm ist das ambulante Glukoseprofil (AGP), das Kollegen in den USA entwickelt haben und das auch in Deutschland weit verbreitet ist. In der neuen Rubrik wollen wir gemeinsam mit Ihnen den Umgang mit dem AGP trainieren.

Selbst die richtigen Schlüsse ziehen
In 3 aufeinanderfolgenden Ausgaben stellen wir Ihnen die Geschichte eines Patienten vor. Danach sehen Sie die Sensordaten, und wir beschreiben, was man anhand dieser Daten typischerweise erkennen kann. Ihre Aufgabe ist es dann, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ziel ist es, die Therapie durch die richtige Interpretation der Sensordaten für den Patienten zu optimieren.

Am Ende dieser Seite finden Sie die Lösung.

Wir hoffen, dass Ihnen das Flash-Quiz Freude macht und Ihren Blick für die Sensordaten schärft!

Das Flash-Quiz: der Banker

Der 52-jährige Christian Kaufmann arbeitet in einer Bank. Er ist Filialleiter und trägt nicht nur die Verantwortung für die Bankgeschäfte seiner Kunden, sondern ist auch personalverantwortlich. Bei seinen Kollegen ist der Diabetes bekannt. Jedoch hatte er schon einmal im Kundengespräch eine Unterzuckerung – das war ihm sehr peinlich. Die Ursache damals war, dass er sein Verzögerungsinsulin morgens in der Eile in den Oberarm gespritzt und dabei offenbar die Muskulatur getroffen hatte.

Herr Kaufmann spritzt morgens und abends je 15 bzw. 25 Einheiten des Basal­insulins Insulin detemir. Zu den Mahlzeiten injiziert er ein schnelles Analoginsulin (1,0 Einheiten pro Kohlenhydrateinheit). Nur zum Abendessen hat er einen Faktor von 1,5 Einheiten (E) pro Kohlenhydrateinheit (KE). Um etwa 9 Uhr frühstückt er mit den Kollegen. Die Zeit wird auch für die gemeinsame Teambesprechung genutzt. Manchmal frühstückt er aber auch schon zu Hause.

Aufgrund seines Erlebnisses mit der Unterzuckerung versucht Christian Kaufmann, seine Zielwerte tagsüber zwischen 140 und 150 mg/dl (7,8 und 8,3 mmol/l) zu halten. Um aber einen guten HbA1c-Wert zu haben, ist es sein Ziel, abends und nachts tiefere Werte zu erreichen.

Was verraten die Sensordaten?

Auf Abbildung 1 überblickt man die letzten 7 Tage: Der Glukosedurchschnitt lag bei 156 mg/dl (8,7 mmol/l). Nur etwa 50 Prozent der Werte lagen im Zielbereich, den der Patient für sich zwischen 80 und 158 mg/dl (4,4 und 8,8 mmol/l) festgelegt hatte. Werte unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) gab es nicht.

Des Weiteren sieht man die flache, dunkelblaue Linie, die den Medianwert anzeigt. Der Medianwert ist der Wert, der von allen zum gleichen Zeitpunkt gemessenen Werten genau in der Mitte steht. Diese Linie sollte im Zielbereich liegen und zeigt auch die Anstiege nach dem Essen, wenn sie regelmäßig erfolgen. Der Zielbereich sollte idealerweise zwischen 70 und 180 mg/dl (3,9 und 10,0 mmol/l) eingestellt werden.

Auf Abbildung 2 sieht man, dass in den blauen Streifen 80 Prozent der Glukosewerte liegen. Je breiter die Bereiche sind, desto mehr Schwankungen sind aufgetreten. Der dunkelblaue Streifen umfasst 50 Prozent aller Werte; auf die hellblauen Bereiche verteilen sich die restlichen 30 Prozent der tiefsten und höchsten Werte. Bei Herrn Kaufmann fällt auf, dass normalerweise die Schwankungsbreite nicht sehr groß ist.

Eine Schwankung im dunkelblauen Bereich deutet auf Einstellungsfehler hin. Eine breite Schwankung im hellblauen Bereich kommt eher von verhaltensbedingten Unregelmäßigkeiten. Allerdings sieht man vor allem eine größere Schwankungsbreite nach dem Frühstück nach oben und im Nachmittagsbereich nach unten. Eine weitere größere Schwankung gibt es nach dem Abendessen.

Auf Abbildung 2 sieht man alle gescannten Einzelwerte und darunter eine Farbkodierung für bestimmte Wahrscheinlichkeiten (für zu niedrige Glukosewerte, den medianen Glukosewert und die Schwankungen unter dem Medianwert). Diese sind mit Ampelfarben für die jeweilige Tageszeit gekennzeichnet, und es ist klar zu erkennen, dass der Median bei Herrn Kaufmann tagsüber immer über dem Zielbereich liegt.


So, nun die spannende Frage: Wie können Sie Christian Kaufmann helfen? Die Lösung finden Sie im folgenden Kasten:

Auflösung anzeigen


Aus beiden Abbildungen ist ersichtlich, dass Christian Kaufmann sich tagsüber über 150 mg/dl (8,3 mmol/l) hält und seinen guten HbA1c-Wert mit tieferen Werten in der Nacht erreicht. Diese sind nicht kritisch, da er keine Unterzuckerungen hat. Er selbst ist jedoch mit den Verläufen gerade am Vormittag und nach dem Essen nicht zufrieden.

Welche Möglichkeiten hat Christian Kaufmann?
Zunächst sollte Herr Kaufmann seinen Zielbereich neu definieren. Empfohlen wird ein Zielbereich von 70 bis 180 mg/dl (3,9 bis 10,0 mmol/l). Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Werte nach dem Essen bis 180 mg/dl ansteigen. Der neu eingestellte Zielbereich würde ihm zeigen, dass seine Einstellung gar nicht so schlecht ist, was man ja auch an dem guten HbA1c-Wert sieht. Die hohen Werte nach dem späteren Frühstück kommen von dem viel zu niedrigen KE-Faktor morgens.

Christian Kaufmanns Angst vor Unterzuckerungen während der Arbeitszeit ist auch bei tieferen Zielwerten unbegründet. Er hat im Alltag keine Unterzuckerungen und erkennt sie frühzeitig bei 70 mg/dl (3,9 mmol/l). Die Unterzuckerung während des Kundengesprächs war Folge eines klar erkennbaren Spritzfehlers.

Die Ursache für die große Schwankungsbreite am Morgen sind unregelmäßige Frühstückszeiten. Wenn der KE-Faktor morgens passt, werden die Werte sicher weniger schwanken. Die Schwankungsbreite nach dem Abendessen kommt vermutlich von Fehlern beim Schätzen der Kohlenhydrate. Herr Kaufmann sollte ein paar Tage lang seine Nahrungsmittel abwiegen.

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