Sind Videosprechstunden nun nicht mehr möglich?

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Sind Videosprechstunden nun nicht mehr möglich?

Sie haben medizinische, psychosoziale und/oder rechtliche Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!

Die Frage:

Während der Corona-Beschränkungen hat unsere Diabetologin mit uns Videosprechstunde gemacht: Alle Werte wurden abgefragt, und wir haben Sophie auf die Waage gestellt. Das fanden wir super, denn wir müssen 40 km zur Praxis fahren.

Jetzt möchte unsere Ärztin, dass wir wieder in die Praxis kommen. Aber es ging doch auch anders? Wie kann ich unsere Ärztin überzeugen, dass wir weiter die Videosprechstunde nutzen können?

Carina H.

Die Antwort von Dr. Biester

Auch wir haben in unserer Klinik jetzt angefangen, Videosprechstunden anzubieten. Ich fand es toll, durch die Videoaufnahmen einen Einblick in das häusliche Umfeld zu bekommen, aber es gibt mehrere Gründe, warum auch wir in Hannover nun wieder mehr in die Präsenzkontakte wechseln.

Ein Grund sind die gesetzlichen Regelungen. Zum einen kann eine Arztpraxis/eine Krankenhaus­ambulanz mit einer rein telemedizinischen Sprechstunde die Kosten für das Team nicht decken, da es dafür weniger Geld von den Kassen gibt als für Besuche vor Ort. Leider ist das wichtig, um die Ambulanzen zu erhalten.

Und auch für Ihre Tochter hat es Konsequenzen: Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes werden in einem „Chroniker-Programm“ geführt (z. B. „Curaplan“ bei der AOK). Durch die Teilnahme gibt es das Anrecht auf regelmäßige Schulungen, und manche Krankenkassen machen z. B. die Versorgung mit Glukosesensoren davon abhängig. Die Teilnahme verpflichtet z. B. zu regelmäßigen Arztbesuchen. Auch wenn es sehr „zwingend“ wirkt, ist das Programm dazu gedacht, eine gute Therapie für Ihre Tochter sicherzustellen.

Und es gibt noch mehr Gründe, die für persönliche Treffen sprechen:

  • Sitzt man sich gegenüber, ist die Gesprächsqualität immer besser als über Video – besonders, wenn es um schwierige Befunde/Entscheidungen geht.
  • Einiges lässt sich nicht aus der Ferne klären, wie die jährliche Blutentnahme zur Kontrolle von Leber, Nieren, Schilddrüse etc. Und auch wenn ein aus den Sensorwerten berechneter HbA1c-Wert der „echten“ Messung sehr nahe kommt: Der gleiche Wert ist es nicht.
  • Auch die Untersuchung der Katheterstellen durch Abtasten der Haut geht nicht über Video. Immer wieder höre ich, dass die mir augenscheinlichen Hautverdickungen im Alltag nicht gesehen werden, da diese schleichend entstehen. In einer großen Untersuchung mit unseren Hautärzten haben wir gesehen, dass es sich immer lohnt, auch die Pflasterstellen zu betrachten, um Unverträglichkeiten zu entdecken.
  • Eine gerade veröffentlichte Studie der Lübecker Kinderdiabetologen zeigt, dass Telemedizin zwischendurch hilfreich sein kann, aber: Der persönliche Kontakt etwa alle drei Monate kann dadurch nicht ersetzt werden.

Also, auch wenn es schwerfällt: Präsenztermine müssen wieder sein, Corona-Sonderregelungen fallen weg. Aber natürlich werden wir und sicherlich die meisten Kollegen die Telemedizin zukünftig als einen Baustein in die Dauerversorgung integrieren. Ich selbst freue mich übrigens, endlich wieder persönliche Sprechstunden durchführen zu können.

Haben Sie auch Fragen rund um das Thema Kinder mit Typ1-Diabetes?
Bei medizinischen, psychologischen oder rechtlichen Fragen an die Diabetes-Eltern-Journal-Experten schreiben Sie an: Nicole Finkenauer (E-Mail: finkenauer@kirchheim-verlag.de
); sie leitet Ihr Anliegen umgehend weiter.

von Dr. med. Torben Biester
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Kinder- und Jugendkrankenhaus „Auf der Bult“
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: biester@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (2) Seite 28

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