„Storchen“: Landliebe

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© Bade- und Kurverwaltung Bad Bellingen GmbH
„Storchen“: Landliebe

Das Echt essen-Gasthaus im Dezember: In dem grundsympathischen Landgasthof wird frisch gekocht, freundlich serviert – und der Wein kommt von den eigenen Reben ums Haus. Eine Entdeckung.

Wer wissen will, wie Gästeglück klingt, besucht an einem Sonntag mittag den „Storchen“ in Bamlach oberhalb des Thermalkurorts Bad Bellingen. Bis auf den letzten Platz besetzt sind dann die beiden rustikal-eleganten Gaststuben. Es ist eine wunderbare Mischung der Gäste, wie ich es nur von französischen und spanischen Landgasthöfen kenne: Alle Schichten, alte und Junge, Kinder und Familien sind herzlich willkommen. Es herrscht eine zufriedene Stimmung, ein glückseliges Gemurmel.

Rustikale Eleganz: „Storchen“-Gaststube

So voll das Gasthaus, so flott der Service. Ungemein selbstsichere und schlagfertige weibliche Bedienungen bringen sofort die Karte, fragen nach den Getränkewünschen – und im Handumdrehen steht ein perfekt gezapftes Bier auf dem Tisch. Eine gutbürgerliche Küche in Bestform zu reellen Preisen wird hier serviert – mit einem deutlichen Fokus auf Schnitzel und Steaks vom Kalb, vom Rind und vom Schwein, aber auch Gemüse und Salat kommen zu ihrem Recht.

Salat, so sollst du sein: Frisch und individuell

Drei Mal war ich in den letzten Monaten in diesem Landgasthof, der seit 1888 im Besitz der Familie Hugenschmidt ist. Jedes Mal bin ich wieder angetan von dieser herzlichen Atmosphäre, wo sich alle sofort wohlfühlen. Jedes Mal hat mich auch der frische Salat begeistert – und beim letzten Mal habe ich mich richtig reinvertieft: Es war ein ungemein frischer „Fünf-Elemente-Salat“ aus Endivie, Möhren, Nüssle, Kraut und Rettich – und jeder Salat war für sich individuell gewürzt. Großartig – und nachahmenswert, werte Wirte mit euren abgestandenen Salatbuffets!

Suppe, so sollst du sein: Heiß und kräftig

Ein wichtiges Element der gutbürgerlichen Küche sind Suppen – und auch da läuft der „Storchen“ zur Hochform auf. Eine kräftige Brühe ist in einem solchen Traditionshaus eine Selbstverständlichkeit. Selbstverständlich wird die Suppe hier auch richtig heiß serviert – und ich freue mich, dass es für 4,50 Euro eine so herrlich altmodische und verführerisch duftende Grießklöschensuppe gibt, wobei die Klöße natürlich selbst gemacht sind. Ich liebe ja diese überlieferten Rezepte, vermitteln sie doch gerade in unsteten Zeiten ein Gefühl der Geborgenheit – weshalb ich vor einiger Zeit mit einem badischen Koch das Buch „Heimatküche“ geschrieben habe.

Deutscher Küchenklassiker: Rinderzunge in Madeirasoße

Riesig gefreut habe ich mich deshalb, dass jüngst im „Storchen“ eine Rinderzunge auf der Karte stand. Ein wunderbares Gericht, das einem selbst kaum gelingt, schließlich muss die Zunge für Stunden gekocht werden – und dann besteht die Gefahr, dass sie knochentrocken wird. Nicht so hier, butterzart und saftig werden fünf! (ja, hier sitzen noch richtige Esser am Tisch) Scheiben serviert, umrandet von einer perfekten Madeirasoße und hausgemachten Spätzle. Ein großartiges Gericht für sehr korrekte 18,80 Euro.

Zubereitet hat den Klassiker der Wirt Hans-Peter Hugenschmidt, ein gelernter Metzger. Sein Sohn Steffen ist ein gelernter Koch und beide zusammen sind die ideale Kombination für eine einzigartige Küche in der gesegneten Genussregion Markgräflerland.

Eigene Weine sind die Spezialität der gastlichen Stätte. Rund ums Haus wachsen auf 1,5 Hektar die einheimischen Reben Gutedel und Spätburgunder. Sie werden selbst gelesen, gekeltert und ausgebaut – und die kernigen Tropfen werden als Fasswein für 3,40 Euro das „Viertele“ verkauft.

Zergehen auf der Zunge: Hirschmedaillons

„Zwei Hirsche aus dem Hochschwarzwald kriegen wir demnächst“, erzählen mir die beiden Köche, „die zerlegen wir selbst“. So etwas schätze ich ja auf das Allerhöchste, also nichts wie noch mal hin. „Hirschmedaillon“ für 26,50 Euro mit hausgemachten Spätzle und Salat für 26,50 bestelle ich – und bin begeistert: Leicht rosa das Fleisch, kräftig im Biss, fein nach Wild duftend. Eine klassische Wacholderrahmsoße begleitet das Gericht, die dann am besten schmeckt, wenn sie ganz frisch zubereitet ist. Als kleines „Versucherle“ lässt mich der Koch noch den Hirschgulasch probieren, auch hier das Fleisch kräftig, aber nicht zäh und die Soße leicht „nelkig“.

Steffen Hugenschmidt hat ein Händchen für Gemüse, das er von einem einheimischen Erzeuger nahe Freiburg bezieht. So schmeckt das Rotkraut zart-zimtig, verfeinert er den bissfesten Blumenkohl mit einem Klacks Hollandaise.

Ein Koch wie aus dem Bilderbuch: Steffen Hugenschmidt

Die Seele macht langfristig den Erfolg eines Landgasthofs wie den „Storchen“ aus. Und die Seele sind die Menschen, allen voran die Wirtsleute Hans-Peter Hugenschmidt mit seiner Frau Irmgard, die den Familienbetrieb führen; der Chefkoch Steffen Hugenschmidt mit seiner Frau Susann und seine Schwester, die allesamt tatkräftig im Einsatz sind. Seele ist aber auch eine Bedienung wie Doreen Tobis aus einem nahen Winzerdorf, die mit ihren Gästen spritzig-witzig auf Augenhöhe kommuniziert. Kein Vergleich mit der Spitzengastronomie, wo die Serviceleute häufig vorgestanzte Sätze aufsagen müssen.

Trotz Sonntagsstress findet Steffen Hugenschmidt nach dem Personalessen (es gab Sellerieschnitzel) noch Zeit für ein Gespräch. Er erklärt mir, das Patenkind Oskar auf dem Arm, seinen schon etwas größeren Buben Moritz zwischen den Beinen, wo er seine Ware herhat, möglichst aus der Umgebung; erklärt mir, dass sie ganz stark mit heimischem Holz heizen, auch aus dem eigenen Wald; freut sich, dass endlich wieder viele Gäste aus dem Elsass kommen. Auch empfiehlt er mir den Samstag mittag, wo es frisches Ochsenfleisch mit Rahmkartoffeln und Meerrettichsauce gibt.

Gelassenheit gehört auch zu den Erfolgsgeheimnissen. „Ein Zwölfertisch ist einfach nicht erschienen“, erzählt er mir. In Städten wie Köln ist das in der Topgastronomie ein Anlass für Panikattacken, wo der Wirt schon mal nachts um drei die Saumseligen anruft und fragt: „Soll ich den Tisch noch freihalten?“ Ganz anders im „Storchen“: „Vielleicht kommen die heute abend oder vielleicht nächste Woche“, so der Wirt. Wer seit über 120 Jahren wirtet, lässt sich nicht so schnell aus dem Gleichgewicht bringen.

Fazit: Solange es Gasthäuser wie den „Storchen“ gibt, hat die gut-bürgerliche Gastronomie eine erfreuliche Zukunft.

„Gasthaus zum Storchen“


Adresse: Rathausstraße 3, 79 415 Bad Bellingen-Bamlach

Öffnungszeiten: Montag, Dienstag ab 18 Uhr; Freitag ab 17 Uhr; Samstag und Sonntag mittags und abends. Mittwoch, Donnerstag ist zu. Vom 10. bis 25. Dezember 2021 ist geschlossen.

Kontakt: 07635/547, www.storchen.eu

Weieteres: Zehn schöne Gästezimmer, die je nach Aufenthalt 30 oder 40 Euro pro Person kosten. Natürlich mit einem reichhaltigen. Frühstück. Auf einer Sonnenterrasse über dem Rhein liegt Bamlach. Nach dem Essen empfiehlt sich ein rund halbstündiger Spaziergang zur Wallfahrtskapelle „Maria Hügel“, von wo sich ein prächtiges Panoramabild ins benachbarte Frankreich öffnet.

Weit schweift der Blick: Elsass mit Vogesen


ECHT ESSENheißt der Blog, in dem ich seit zehn Jahren jeden Monat mindestens ein Gasthaus vorstelle. Wichtiges Auswahlkriterium: Herkunft der Produkte.



von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Internet: www.lauber-methode.de

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