Studie zeigt erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes nach Corona-Infektion

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Studie zeigt erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes nach Corona-Infektion

Eine aktuelle Studie weist auf ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes nach einer überstandenen Corona-Infektion hin. Die ausgewerteten Daten stammen aus deutschen Praxen, die Diabetes mellitus nach einem überwiegend milden Corona-Verlauf nachweisen. Ausgehend von den gewonnenen Ergebnissen fordert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) eine aktive Untersuchung der Glukoseregulation aller Betroffenen nach Infektionen, besonders nach einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Erreger.

Betroffene mit COVID-19 entwickeln im Vergleich zu Menschen mit Atemwegsinfektionen häufiger einen Typ-2-Diabetes. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Diabetes-Zentrums, die im März 2022 veröffentlicht wurde. Das relative Risiko, nach einer Corona-Infektion an Diabetes zu erkranken, ist um 28 Prozent höher als nach einer Atemwegsinfektion, die häufig ebenfalls durch Viren verursacht wird. In Zahlen ausgedrückt erkranken über einen Zeitraum von einem Jahr ca. 3-4 Personen pro 1000 Menschen mehr an Diabetes nach einer COVID-19-Infektion als nach einer anderen Atemwegsinfektion.

Eine neue Risikogruppe für Typ-2-Diabetes

„Diese Risikoerhöhung erscheint zunächst gering“, sagt Professor Dr. med. Wolfgang Rathmann, Erstautor der Studie. „Doch damit haben wir eine neue Risikogruppe für Typ-2-Diabetes. Und das werden alle Menschen sein, die sich mit COVID-19 infiziert haben und infizieren werden. In Deutschland sind das zum jetzigen Zeitpunkt über 22 Millionen Menschen.“

Insgesamt wurden die Daten von über 70.000 Patientinnen und Patienten ausgewertet. Diese stammen aus einer bundesweiten Praxisdatenbank (Disease Analyzer; IQVIA Frankfurt). „Die Stichprobengröße war größer als in früheren, meist krankenhausbasierten Studien. Außerdem verwendeten wir Originaldaten aus den Praxen, die uns valide Angaben zu Prävalenz und Inzidenz von Typ-2-Diabetes und anderen chronischen Erkrankungen geben können“, so Rathmann, stellvertretender Direktor des Instituts für Biometrie und Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ), Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Die Studie weist aber auch verschiedene Einschränkungen auf wie beispielsweise die geringe Fallzahl von Typ-1-Diabetes, die es nicht ermöglichte, die Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen; Prävalenz: Häufigkeitsrate einer Krankheit) zu untersuchen. Es ist außerdem eine langfristige Beobachtung von Betroffenen notwendig, um zu klären, ob Typ-2-Diabetes nach einer Corona-Infektion nur vorübergehend auftritt oder zu einer chronischen Erkrankung führt.

Empfehlung: nach einer Corona-Erkrankung auch den Langzeitblutzucker (HbA1c-Wert) messen

„Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Schwäche sind Symptome, die sowohl bei Typ-2-Diabetes als auch nach einer COVID-19-Erkrankung als Corona-Langzeitfolge auftreten können“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Stellvertretender Direktor an der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums Tübingen und Pressesprecher der DDG. Er rät daher Betroffenen und behandelnden Ärztinnen und Ärzten, auch an das Neuauftreten eines Diabetes zu denken. „Daher sollte nach einer Corona-Infektion unbedingt auch ein Diabetes-Screening mit Langzeitblutzuckermessung durchgeführt werden“, so Gallwitz.

Präventionsmaßnahmen wichtiger denn je

Ob sich der Stoffwechsel wieder normalisiert oder der Diabetes bestehen bleibt, konnte die Studie noch nicht beantworten. Wie auch bei einem – nicht nach einer Viruserkrankung auftretenden – Diabetes Typ 2 könnten jedoch gezielte Präventionsmaßnahmen einer Manifestation, das heißt einer chronischen Erkrankung, entgegenwirken.

„Wir brauchen weitere Forschung, um den Zusammenhang von Infektionserkrankungen und Diabetes mellitus zu verstehen“, betont Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Vizepräsident der DDG vom Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz-Zentrums München an der Universität Tübingen. „Wir können es uns jedoch nicht leisten abzuwarten, bis es möglicherweise zu spät ist. Deshalb erneuern wir unseren Appell an die Politik, unsere bereits bekannten Forderungen mit höherer Priorität endlich umzusetzen: Wir brauchen ein umfangreiches Maßnahmenbündel zur Prävention und Behandlung von Diabetes.“

Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9200 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

Literatur
Rathmann W, Kuss O, Kostev K. Incidence of newly diagnosed diabetes after Covid-19. Diabetologia 2022 Mar; 16:1–6. DOI: 10.1007/s00125-022-05670-0
Mulder H, Fall T. Die COVID-19-Pandemie mag zurückgehen, aber die Diabetes-Pandemie wütet weiter. Diabetologia 2022 Mar; 16:1-2. DOI: 10.1007/s00125-022-05683-9
Robert Koch-Institut. COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html) (12.04.2022). Im Internet: Fallzahlen in Deutschland und weltweit; Stand: 12.04.2022

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft | Redaktion

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