Volles Programm beim Diabetes Kongress in Berlin

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© Verlag Kirchheim/Katrin Kraatz
Volles Programm beim Diabetes Kongress in Berlin

Ein volles Programm mit 88 Symposien und 19 Workshops in 4 Tagen: Das war der Diabetes Kongress vom 17. bis zum 20. Mai im CityCube in Berlin. Rund 6500 Diabetes-Profis waren der Einladung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gefolgt und nutzten die Zeit für Fortbildung und Vernetzung – ganz im Sinne des Kongress-Mottos “Vielfalt & Individualität – Diabetes neu denken”.

In der Presse-Konferenz im Rahmen des Kongresses stellten die Referentinnen und Referenten einige der wichtigen Themen aus dem Programm vor. Es ging unter anderem um die Remission des Typ-2-Diabetes, es ging um ein Diabetes-Medikament, das auch beim Abnehmen hilft, und um Bewegung als Medikament.

Gewicht abnehmen, Werte normalisieren

“Wir haben gesehen, dass Remission möglich ist”, sagte Kongress-Präsident Prof. Dr. Matthias Blüher, ergänzte aber sofort: “Wir können weder den Typ-1- noch den Typ-2-Diabetes heilen.” Man könne zwar zum Beispiel durch Operationen eine starke Gewichtsabnahme erreichen und so die Blutzuckerwerte ohne jede Therapie im Normalbereich halten. “Aber auch da zeigt sich, dass bei der Mehrzahl der operierten Patienten nicht nur das Gewicht wieder ansteigt, sondern auch der Diabetes Typ 2 wiederkehrt. Bei manchen ist das erst nach 15 bis 20 Jahren (…), aber er ist immer noch in mir drin, er geht quasi nicht weg dadurch.” Auch neuere Medikamente aus dem Bereich der Darmhormone wie die Wirkstoffe Semaglutid und Tirzepatid können zu einer deutlichen Gewichtsabnahme beitragen, wie aktuell beim Kongress präsentierte Studien zeigen, erläuterte der Diabetes-Experte aus Leipzig.

Diabetes-Medikament unzulässig eingesetzt

Semaglutid ist derzeit auch außerhalb des Diabetes-Bereichs aktuell oft in den Medien zu finden: als Lifestyle-Präparat zur Gewichts-Reduktion. “Wir als DDG sehen das Thema mit einer gewissen Sorge und einer gewissen Kritik”, sagte Prof. Dr. Baptist Gallwitz, Pressesprecher der DDG. Die GLP-1-Rezeptor-Agonisten, zu denen Semaglutid gehört, verlangsamen die Passage der Nahrung in Magen und Darm und führen außerdem zu einem Gefühl der Sättigung im Gehirn – was zusammen eine Reduktion des Körpergewichts unterstützt. Der Wirkstoff Liraglutid ist in Deutschland auch allein zum Abnehmen zugelassen, Semaglutid aber noch nicht, so Gallwitz. “Was wir ganz klar ablehnen, ist, wenn Menschen, die vielleicht nur ganz geringes, leichtes Übergewicht haben, aus Lifestyle-Gründen versuchen, an sehr wirkungsvolle und sehr gute Medikamente wie Semaglutid heranzukommen (…).” Das habe dazu geführt, dass es derzeit in Deuschland Lieferschwierigkeiten gebe, sagte der Tübinger Diabetologe. “Das behindert den Alltag in der Versorgung von unseren Patienten durchaus und ist (…) für die Patientinnen und Patienten eine große Belastung.” Auf die Frage, welche Ärzte dieses Medikament Menschen ohne Typ-2-Diabetes verordnen, sagte Gallwitz: “Wir sind dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dem BfArM, sehr, sehr dankbar (…), dass es den Verordnungshinweis, der eine gesetzliche Regelung ist, jetzt herausgegeben hat – und man kann diese Medikamente jetzt eben bei Typ-2-Diabetes verordnen. Punkt. Ich denke, zu ärztlichem Handeln (…) gehört auch immer dazu, dass man sich eben auch regelkonform und leitlinienkonform verhält.”

“Vergessenes Medikament” Bewegung

Die neuen Therapie-Formen können auch dazu führen, “dass die Säule noch mehr vergessen wird, und das ist irgendwann keine Säule mehr, sondern ein Kieselstein, der irgendwo noch durchs Getriebe rattert”. Mit der Säule gemeint ist das “vergessene Medikament” Bewegung. Prof. Dr. Dr. Christine Joisten von der Deutschen Sporthochschule Köln machte noch einmal deutlich: “Jeder Schritt zählt, den man mehr macht!” Für etwa 1000 Schritte braucht man etwa 10 Minuten. Eine Sorge, die viele Menschen mit Diabetes, vor allem Typ 1, im Hinblick auf Bewegung umtreibt, sind Unterzuckerungen. Begegnen kann man dieser Sorge mit adäquater Schulung, so die Medizinerin und Sportwissenschaftlerin. Um mehr Menschen in Bewegung zu bringen, spielen auch die Möglichkeiten dafür eine Rolle, zum Beispiel im Umfeld der Arbeit. “Die Bewegungs-Förderung im Arbeits-Alltag ist eine unendlich wichtige”, betonte Joisten. Im Präventions-Gesetz ist die betriebliche Gesundheitsförderung eigentlich besser ausgestattet worden als andere Präventions-Maßnahmen – aber “es ist immer eine Frage des Kümmerers vor Ort”: Gibt es zum Beispiel Umkleideräume, Duschen und Abstell-Möglichkeiten für Fahrräder? “Wir brauchen die Verhältnisse, wir brauchen auch die Ideen.”

Die komplette Pressekonferenz mit weiteren interessanten Themen ist zu finden unter
t1p.de/vji7k. Weitere Berichte vom Diabetes Kongress gibt es auch in der nächsten Ausgabe des Diabetes-Journals.

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (7) Seite 10-11

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