Warum die Leber bei Diabetes so wichtig ist

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Warum die Leber bei Diabetes so wichtig ist

Zwei Stunden nach dem Essen einen guten Blutzuckerwert zu erreichen, steht wohl ganz oben auf der To-do-Liste – sowohl bei den Betroffenen selbst als auch bei Behandlern. Denn wenn gegessener Zucker nicht durch körperliche Aktivität verbrannt wird, kümmert sich die Leber um ihn und wandelt diese Kohlenhydrate zumeist in Fett um. Das kann im Lauf der Zeit zum Entstehen einer nicht alkoholischen Fettleber beitragen.

Die Leber ist lebenswichtig zum Entgiften, beispielsweise nach Alkohol-Konsum. Sie hat weitere Aufgaben, zum Beispiel das Herstellen von Gallen-Flüssigkeit und von Faktoren zur Blutgerinnung. Auch im Hormon-Haushalt nimmt sie eine Schlüsselrolle ein. Zudem beteiligt sie sich maßgeblich am Fett-Stoffwechsel. Eine häufige Erkrankung der Leber ist die nicht alkoholische Fettleber, kurz NAFLD (engl. non-alcoholic fatty liver disease). Wird diese diagnostiziert, ist bereits mit etwa 250 g Leberfett zu rechnen. Das entspricht einem ganzen Stück Butter.

Erhöhte Leberwerte im Blut gehen nicht zwingend mit übermäßigem Alkohol-Konsum einher, sondern können ein Hinweis auf eine Fettleber sein. Eigentlich sollte in der Leber selbst keine Ansammlung von Fett erfolgen. Ist die Energie-Aufnahme jedoch permanent höher als der Verbrauch, hat das Organ keine andere Wahl, als das Fett dort einzulagern.

Was hat der Blutzucker mit einer Fettleber zu tun?

Wurde in der Vergangenheit die Fettleber häufig mit einem übermäßigen Alkohol-Konsum in Verbindung gebracht, trägt heute vor allem das Einlagern von überschüssiger Nahrungs-Energie, insbesondere aus Zucker, zum Entstehen bei. Ein Blutzucker, welcher längerfristig die Grenzwerte deutlich überschreitet, fördert bei entsprechender Veranlagung das Entstehen einer Fettleber.

Die Behandlung erfordert ein Beheben der auslösenden Ursachen. Die Gewichts-Reduktion durch eine dem Verbrauch angepasste Ernährung sowie regelmäßige Bewegung sind förderlich. Medikamente zur Therapie der Fettleber stehen nicht zur Verfügung. Ein Verfetten der Leber-Zellen geht einher mit einer stärkeren Unempfindlichkeit gegenüber Insulin (Insulin-Resistenz). Diese führt dazu, dass die Leber, insbesondere in den frühen Morgenstunden, vermehrt Glukose ins Blut abgibt. Als Folge zeigen sich erhöhte Blutzucker-Nüchternwerte. So ist es durchaus möglich, dass Sie mit einem Blutzuckerwert von 130 mg/dl (7,2 mmol/l) schlafen gehen, aber morgens mit einem deutlich höheren Wert aufstehen. Beteiligt daran ist auch die Fettleber.

Gesunde Lebensmittel – gesunde Leber

Das Sprichwort “Gut gekaut ist halb verdaut” stimmt. Es ist aber, wenn es um einen langsamen Blutzucker-Anstieg sowie ein langanhaltendes Sättigungs-Gefühl bei Menschen mit Diabetes geht, weniger angebracht. Vermeiden Sie eine zu feine Konsistenz der Speisen. Je feiner und breiiger Ihr Essen ist, umso schneller und höher steigt der Blutzucker. Ein Apfel, am Stück gegessen, erhöht den Blutzucker-Spiegel langsamer als Apfelmus oder Apfelsaft. Ebenso verhält es sich beispielsweise mit Kartoffeln im Vergleich zu Kartoffelpüree. Besonders schnell erhöhen feinpürierte Kartoffel- oder Kürbissuppe, Pudding, Grießbrei oder Fruchtmus den Blutzucker-Spiegel.

Aber auch die Kohlenhydrate aus Lebensmitteln wie Weißbrot, weichgekochten Nudeln – insbesondere feinen Suppen-Nudeln – oder Hefeteig-Gebäck gelangen rasch ins Blut. Die in den Lebensmitteln enthaltene Stärke wird bereits im Mund und anschließend im Magen in den Einfachzucker Glukose (Traubenzucker) zerlegt. Selbst wenn Sie eine an sich zuckerfreie Brezel essen, werden Sie den steilen Anstieg des Blutzuckers innerhalb kürzester Zeit messen können. Der wesentliche Part der Verdauung erfolgt im Dünndarm. Enzyme der Darmwand sind für den sofortigen Abbau der Stärke verantwortlich. Einem Blutzucker-Anstieg steht nun nichts mehr im Weg.

Jeder Schritt zählt

In früheren Zeiten war Essen immer mit körperlicher Bewegung und Arbeit verknüpft. So wurde die aufgenommene Energie wieder verbrannt. Bei unserem heutigen, oft sitzenden Lebensstil gelangt die nicht verbrannte Glukose zur Leber und wird dort als Fett-Reserve eingelagert.

Inzwischen zählen die nicht alkoholischen Fettleber-Erkrankungen zu den häufigsten Leber-Erkrankungen weltweit. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma wäre zum einen, die Kalorien der Nahrung zu begrenzen, zum anderen das Steigern der körperlichen Aktivität – und das am besten nach der Hauptmahlzeit, wie australische Forscher im Jahr 2016 bestätigen konnten. Somit ist das Sprichwort “Nach dem Essen sollst du ruh’n oder 1000 Schritte tun” dann als Lebens-Weisheit zu interpretieren, wenn man sich für Letzteres entscheidet. Sich nach Bewegung eine ausgleichende Ruhephase zu gönnen, ist dann wohlverdient.

Mit Ernährungs-Medizin behandeln

Eine medikamentöse Behandlung der Fettleber gibt es bekanntlich nicht. Jedoch geben Studien-Daten Anlass, die traditionelle Mittelmeer-Küche – so wie sie in den 1950er-Jahren auf Kreta üblich war – als Ernährungs-Medizin bei einer NAFLD einzusetzen. Deshalb haben europäische Fachgesellschaften die Mittelmeer-Kost bereits im Jahr 2016 in ihre Behandlungs-Leitlinien aufgenommen.

Ebenso empfiehlt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Gewichts-Reduktion eine traditionelle, mediterrane, Pflanzen-betonte Kost. Diese sollte reich an Gemüse, Salat, Vollkorn-Produkten (möglichst wenig vermahlen), Hülsenfrüchten, Olivenöl und Nüssen sein. Eine generell fettarme Ernährung wird hingegen nicht mehr empfohlen. Um Kalorien einzusparen, kann es natürlich sinnvoll sein, auch die tägliche Fettmenge im Auge zu behalten, insbesondere die Fette aus Fleisch- und Wurstwaren.

Mit immateriellem Kulturerbe halten Sie nicht nur Ihre Leber gesund

Die mediterrane Küche erfreut sich weltweit großer Beliebtheit und dies nicht zuletzt wegen ihrer schützenden Wirkung auf die Blutgefäße. Sie leitet sich aus verschiedenen Landesküchen der Mittelmeer-Region ab. Diese Küchen weisen etliche gemeinsame Elemente wie das häufige Verwenden von Olivenöl, mediterranen Kräutern oder Knoblauch auf, unterscheiden sich im Detail mitunter jedoch erheblich. Grundsätzlich handelte es sich ursprünglich um eine Stärke-reduzierte Ernährungsform, die von der UNESCO im November 2010 in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde.

Auch wenn es genau genommen die Mittelmeer-Küche nicht gibt, sollten folgende Lebensmittel vermehrt Einzug in die Planung des Essens finden:

  • Olivenöl und Oliven,
  • frisches Gemüse wie Tomaten, Auberginen, Paprika, Zucchini, Fenchel,
  • Knoblauch, Lauch, Zwiebeln,
  • Kräuter und Gewürze wie Thymian, Rosmarin, Koriander, Salbei, Kümmel, Anis, Oregano, Basilikum,
  • Hülsenfrüchte,
  • Getreide möglichst als ganzes Korn,
  • Fisch und Meeresfrüchte,
  • etwas frisches Obst zum Nachtisch.

Essen gegen eine Fettleber – das geht

Eine dem Verbrauch angepasste Essens-Menge kann das Risiko einer nicht alkoholischen Fettleber (NAFLD) deutlich senken beziehungsweise bei bestehender Erkrankung als Ernährungs-Medizin wirken. Blutzuckerwerte im Zielbereich können einen Fett-Aufbau der Leber abwenden. Zahlreiche groß angelegte Studien bei Bewohnern der Mittelmeer-Länder zeigen eine geringere Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes Typ 2, Übergewicht und Fettleber. Zudem ergab sich eine tendenziell höhere Lebenserwartung. Ein Zusammenhang mit der Ernährung konnte hierbei hergestellt werden.

Das war der Anlass, Ernährungs-Empfehlungen zu entwickeln, die unter dem Namen “traditionelle Mittelmeer-Diät” bekannt geworden sind. Diese Empfehlungen weichen jedoch von den heutigen Ess-Gewohnheiten deutlich ab. Pizza und Pasta aus dem Italien-Urlaub haben mit der klassischen Mittelmeer-Küche nichts gemein. Nicht zuletzt sind auch Faktoren wie die Mentalität, der Umgang mit Stress, das soziale Verhalten (gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie), mehr Sonnenlicht und ausreichend Schlaf für die Gesundheit mitverantwortlich.


Autor:
Helmut Nussbaumer

Master of Science
Diabetes-/Ernährungsberater und Gesundheitspädagoge
Diabeteszentrum Burghausen
Akademische Lehrpraxis der Ludwig-Maximilians-Universität München
Robert-Koch-Straße 26
84489 Burghausen

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (6) Seite 28-30

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