Warum kein Glycowohl für meine Tochter?

2 Minuten

© mamsizz - AdobeStock
Warum kein Glycowohl für meine Tochter?

Sie haben medizinische und/oder psychosoziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!

Die Frage von Yasemin S.

Unsere 9-jährige Tochter hat seit einem Jahr Diabetes und wird mit Insulin über Pens behandelt. Unsere Ärztin hat uns auch schon von einer Insulinpumpe erzählt. Oft lese ich nun in letzter Zeit von dem Mittel Glycowohl, das den Blutzucker senken kann und explizit auch bei Typ-1-Diabetes geeignet sein soll.

Wir gehen doch extra in eine diabetologische Schwerpunktpraxis – warum wird uns dort nichts davon erzählt? Warum bekommt meine Tochter das Mittel nicht? Sollten wir die Praxis wechseln? Ich traue mich nicht, nachzufragen – das könnte die Ärztin falsch verstehen.

Die Antwort von Dr. Biester

Als erstes möchte ich sagen, dass in der Diabetesbehandlung das Vertrauensverhältnis zwischen Familien und Behandlern immens wichtig ist. Keine der beiden Seiten sollte Bedenken haben, nachzufragen und Probleme anzusprechen. Die Behandlung bei der Kinderdiabetologin wird wahrscheinlich bis zum 18. Geburtstag Ihrer Tochter dauern, da muss man offen miteinander reden können.

Der Frage nach Glycowohl bin ich in meiner Sprechstunde auch schon begegnet: Ein Vater hat die Anzeige aus der Zeitung mitgebracht und mich offen aufgefordert: „Sagen Sie doch mal was dazu.“ Der 14-jährige Sohn hat die Augen verdreht und gesagt: „Papa das ist Quatsch“, und da muss ich einfach zustimmen.

Denn bei diesem alkoholischen Pflanzenextrakt, der dann vielfach verdünnt wird, handelt es sich um ein homöopathisches Präparat, das für die Zulassung keinerlei Wirksamkeitsprüfungen benötigt, wie es bei echten Medikamenten der Fall ist. Nur die Ungefährlichkeit des Präparats muss belegt werden.

Es gibt in Deutschland kein einziges homöopathisches Präparat mit einem belegten Nutzen, daher gibt es auch keine echte Medikamentenzulassung für diese Präparate. Als „zusätzliche Behandlung“ darf es bezeichnet werden. Die Organisation arznei-telegramm hat das auf ihrer Website gut dargestellt.

In den Anzeigen in Zeitungen, Zeitschriften und auch im Internet wird leider so getan, als gebe es wissenschaftliche Ergebnisse, die die Wirkung von Glycowohl belegen. Das ist nicht so. Bei Typ-1-Diabetes ist Insulin weiterhin das Medikament, das Betroffene jeden Alters in individueller Menge brauchen. Für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes gibt es viele geprüfte, wirksame und verträgliche Medikamente, für Kinder noch nicht sehr viele.

Was mir noch wichtig ist: Auf gar keinen Fall sollten Sie bitte aufgrund dubioser Reklame das ansonsten intakte Verhältnis zum Diabetesteam in Frage stellen.


von Dr. med. Torben Biester
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Kinder- und Jugendkrankenhaus „Auf der Bult“
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: biester@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (4) Seite 19

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert