Wenn der Diabetes deprimierend ist

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Wenn der Diabetes deprimierend ist

Seit Ende März ist viel diskutiert worden über die Depression – natürlich in Zusammenhang mit dem wohl bewusst herbeigeführten Flugzeugabsturz der Germanwings über den französischen Alpen mit 150 Toten. Und Diabetes und Depression sind eng miteinander verknüpft.

Wer unter einer Depression leidet, der kann sich zum Beispiel nicht mehr freuen, der kann nicht mehr trauern, der verliert das Gefühl für Gefühle. Schwerbetroffene sehen keinen Sinn im Leben – Experten schätzen, dass rund die Hälfte der Menschen, die Selbstmord begehen, unter einer Depression litten; das sind mehrere tausend Menschen pro Jahr.

Diabetes und Depression beeinflussen sich gegenseitig

Seit Ende März diskutieren auch viele Menschen, die Diabetes haben, in den sozialen Netzwerken über die Depression: Denn laut Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG) leiden Menschen mit Diabetes doppelt so oft unter einer Depression wie die Normalbevölkerung. 10 Prozent aller Menschen mit Diabetes haben eine depressive Störung, heißt es. Nahezu jeder dritte Diabetiker hat eine erhöhte psychische Belastung.

Offensichtlich ist es so: Wer eine Depression hat, hat ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Und ein Diabetes, ob Typ 1 oder Typ 2, erhöht das Risiko, eine Depression zu entwickeln – denn Menschen sind durch den Diabetes belastet, kümmern sich intensiv darum, müssen sich intensiv kümmern … und entwickeln eher seelische Probleme, zeigen eher depressive Symptome.

Erfahrungsberichte aus den sozialen Netzwerk

In den sozialen Netzwerken liest sich das so – zum Beispiel bei Insulinpumpenträgerin Melissa:

„Eigentlich ist es nicht drin, sich mal ein paar Tage eine Auszeit zu gönnen, eine Art Urlaub vom Diabetes. Nicht groß ans Messen und Spritzen zu denken. Einfach mal zu essen, ohne sich groß Gedanken darum zu machen (…). Und sagen wir es doch einfach, wie es ist: Diese Aussicht auf das Leben ist beschissen. Und dass das einen runterziehen kann, ist hoffentlich (!) auch für Nicht-Diabetiker verständlich. Wobei ‘runterziehen’ noch sehr vorsichtig ausgedrückt ist. Es kann deprimieren. Sogar ziemlich schwer.“

Dutzende Kommentare gab es allein auf Diabetes-Journal-Facebook dazu; beispielsweise:

„Man muss die Krankheit vor dem Kopf lassen. Nicht daran denken. Sonst stirbt man.“ (Ramona D.)

„Jeder der behauptet, dass Diabetes keine Last ist, lügt.“ (Rabia A.)

„Ich war vor dem Diabetes schon wegen Depressionen in Therapie, als die Diagnose Diabetes kam wurde es noch schlimmer und ich bin total abgestürzt.“ (M. G.)

Anhaltende innere Leere, Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit

Aus meinem Blickwinkel kann die tragische Aktualität, die sich rund um die Depression ergeben hat, nur guttun: Es geht nicht um etwas Niedergeschlagenheit oder darum, dass man mal schlecht drauf ist aufgrund seiner Beziehung, seines Arbeitsplatzes. Wir reden über anhaltende innere Leere, über Antriebslosigkeit, ja über Hoffnungslosigkeit.

Eine Depression verstärkt die Einschränkungen durch den Diabetes und reduziert erheblich die Lebensqualität. Wer depressiv ist, ist eher beruflich eingeschränkt und schlechter eingestellt. Laut Prof. Dr. med. Johannes Kruse (Gießen) weisen eine Reihe von Studien darauf hin, dass depressive Diabetiker eine erhöhte Sterblichkeitsrate haben.

Depressionen bei Diabetikern zu erkennen und zu behandeln, ist wichtig und heute gut möglich. Das sollten Sie nutzen!

Rat und Hilfe für Betroffene
Info für Betroffene, kompetente Therapeuten und Hilfe bei Depression gibt‘s hier: www.diabetes-psychologie.de

von Günter Nuber | Chefredaktion Diabetes-journal
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (5) Seite 38

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