Wenn ein Arztbesuch das ganze Leben verändert – und am Ende doch Vieles gleich bleibt

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Wenn ein Arztbesuch das ganze Leben verändert – und am Ende doch Vieles gleich bleibt

Es war der 15. Juni 2009, ein Montagmorgen, 7 Uhr. Schon seit einigen Wochen fühlte ich mich schwach, antriebslos. Körperliche Aktivität wurde zur Qual. Ich konnte nicht aufhören, Flüssigkeit zu mir zu nehmen. In zwei Wochen hatte ich 10 Kilogramm Gewicht verloren. Es war klar, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Der Gang zum Arzt — ein logischer Schritt. Doch was ich dort erfuhr, entzog sich für mich jeglicher Logik. Diagnose: Diabetes mellitus Typ 1. Was? Wie? Diabetes? Ich bin doch noch jung und sportlich, wie soll das gehen?

Nur ältere oder übergewichtige Menschen erkranken an Diabetes. So dachte ich. Genau wie einem Großteil der deutschen Bevölkerung war auch mir damals der Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 nicht bewusst. Heute bin ich schlauer, kenne mich in der Welt von Blutzucker, Pen, CGM, Not-BEs und Korrekturfaktoren ganz gut aus. Ich heiße Felix Petermann, bin 23 Jahre alt, komme aus Berlin und lebe die meiste Zeit des Jahres in den USA. Bis vor einigen Monaten verbrachte ich jede freie Minute auf dem Fußballplatz. Sport und Diabetes gehören für mich zusammen wie Susi und Strolch, Currywurst und Pommes oder Unterzuckerungen und Cola.

Mein Traum: Profifußballer werden!

Früher war ich einer der kleinen Jungs, die alle nur einen Traum haben: Profifußballer werden! So begann auch ich mit dem Fußballspielen. Zwischen 1999 und 2005 spielte ich für einen kleinen Verein nahe meinem Wohnort, bevor ich ins Nachwuchs-Leistungszentrum des 1. FC Union Berlin wechselte. Die Diabetes-Diagnose durchkreuzte zunächst meine Zukunftspläne, genau in der Sommerpause vor meiner ersten Spielzeit in der Junioren-Bundesliga.

Dennoch konnte ich nach kurzer Einstellung im Krankenhaus die anstrengende Saisonvorbereitung von Beginn an mitmachen, nur um dann das erste Pflichtspiel wegen eines grippalen Infekts zu verpassen. Egal. Der Traum, Profifußballer zu werden, lebte für mich weiter. Obwohl ich mir nach außen hin nichts anmerken ließ, waren die ersten zwei Jahre die Hölle. Trotz der Unterstützung von Familie, Freunden und Mitschülern sowie Lehrern und Trainern funktionierte es nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mein HbA1c schoss zwischenzeitlich auf 11,4%.

„Goodbye Germany, hello America!“

Dann nahm ich – auf Drängen meiner Eltern – Kontakt zu Ulrike Thurm auf. Sie ist selbst seit über 30 Jahren Typ-1-Diabetikerin und begeisterte Sportlerin. Vom Fußballspielen über Radfahren, Laufen und Wandern bis hin zum Tauchen: Es gibt wohl kaum eine Sportart, die Ulrike nicht bereits ausprobiert hätte. Sie war genau die Inspiration, die ich gebraucht hatte, um dem Diabetes-Monster den Kampf anzusagen. Das war im Sommer 2011. Seitdem geht es mir nicht nur gesundheitlich deutlich besser. Ich habe es auch geschafft, die Kontrolle über meine Krankheit zurückzugewinnen, anstatt mich von ihr kontrollieren zu lassen. Natürlich gibt es Tage, an denen es nicht läuft. Aber die gehören eben einfach dazu. Es kann nicht immer nur nach vorne gehen. Ähnlich ist es beim Fußball.

Nachdem ich mir eingestehen musste, dass mein Talent und meine Einstellung allein nicht ausreichten, um im deutschen Profifußball erfolgreich zu sein, entschied ich mich für einen anderen Weg. Im Juli 2012 hieß es für mich: „Goodbye Germany, hello America!“ Vier Jahre an einer amerikanischen Universität lagen vor mir — die ich im Mai 2016 mit einem Bachelor-Abschluss in Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationswissenschaften erfolgreich abschließen konnte. Dank eines Sport-Stipendiums hatte ich die Möglichkeit, parallel zum Studium für meine Universität Fußball zu spielen, gegen Teams anderer Universitäten anzutreten. Die gesamten vier Jahre spielte ich College-Fußball, die letzten drei davon für die San José State University in Kalifornien.

Graduation Soccer Ball

Mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes kann man (fast) alles erreichen

Ihr seht, im Grunde genommen hat sich durch den Diabetes an meinem Leben und meinen Plänen nicht viel verändert. Okay, statt Kaugummi und Taschentüchern trage ich Cola und Insulin-Pen mit mir herum. Und wenn meine Mitspieler ihre Smartphones rausholen, um in den sozialen Netzwerken auf dem neuesten Stand zu bleiben, messe ich meinen Blutzucker. Aber den Leistungssport habe ich auch nach der Diagnose erfolgreich weiter betrieben. Am Ende hat es für den Profifußball nicht gereicht. Ich war wohl einfach nicht gut genug auf dem Platz. Die Tatsache, dass ich Diabetiker bin, hatte damit überhaupt nichts zu tun. Auch mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes kann man (fast) alles erreichen – Astronaut, Polizist oder Feuerwehrmann werden mal ausgenommen. Oder seht ihr das anders? Erzählt mir eure Geschichten, ich bin gespannt, was ihr zu berichten habt.

Bis bald, euer Felix!

— auch auf thegermandiabetic.com

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