“Wir sitzen gemeinsam in einem Boot”

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“Wir sitzen gemeinsam in einem Boot”

Hinter dem Blog kindermittyp1diabetes.wordpress.com stehen vier Mütter, die jeweils ein Kind mit Typ-1-Diabetes haben. Im Diabetes-Eltern-Journal erzählen sie ihre Geschichte und was es mit dem Blog auf sich hat.

Die Macherinnen von kindermittyp1diabetes.wordpress.com

Silke Regner (Abb. 1), Heike Steck (Abb. 3), Kathy Dalinger (Abb. 4) und Mandy Leinfelder (Abb. 6): Das sind vier Frauen mitten im Leben – im Leben mit dem Diabetes!

Kennengelernt haben sie sich beim Erfahrungsaustausch im Internet, teilweise kannten sie sich auch schon persönlich. Die gleiche Art Humor, die gleichen Ansichten – das waren Dinge, die so gut zusammengepasst haben, dass sie sich entschlossen haben, gemeinsam Aufklärungsarbeit zu leisten.

Das sagen die engaierten Mütter selbst über ihr Projekt:

Durch die Erkrankung sitzen wir gemeinsam in einem Boot, wollen für Aufklärung und gegen Benachteiligung und Ausgrenzung im Umgang mit der Krankheit kämpfen, die Unterschiede zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes verdeutlichen, unsere Erfahrungen anderen Betroffenen weitergeben – eine Hilfestellung für den Alltag bieten. Aus unserem Alltag erzählen wir lustige, traurige, nervende und interessante Dinge, die passieren oder uns beschäftigen.

Gerade am Anfang nach der Diagnose sucht man immer nach Antworten: Wie machen das andere im Schwimmbad, im Urlaub? Was passiert in einer Reha? So eine Informationsseite mit Erfahrungsberichten hat einfach gefehlt. Wir wünschen uns, dass wir mit unserem Blog möglichste viele Menschen erreichen: Erzieher, Lehrer, Vertreter der Vereine, Betroffene, Neumanifestierte oder auch einfach “nur” Interessierte! Es gibt tagtäglich neue Situationen und Ideen, die wir in unseren Blog einfließen lassen. Dadurch ist er so lebendig!

3 Fragen an die Mütter hinter dem Blog
  1. Wie ging es Ihnen nach der Diagnose Ihres Kindes?
  2. Wie geht es Ihnen heute?
  3. Was bedeutet der Blog für Sie?

Silke Regner und Max

Max ist sechs Jahre alt, bei der Diagnose war er drei.

1. Ich war natürlich total geschockt! Ich kannte zu diesem Zeitpunkt nur den “Altersdiabetes”. Immer wieder stellte ich mir die Frage: Warum mein Sohn? Mir fiel es sehr schwer zu akzeptieren. Die Angst, wie alles in Zukunft weitergehen sollte (im Kindergarten, später in der Schule, im alltäglichen Leben) belasteten mich sehr. Die Sorge, das gesamte Diabetesmanagement richtig zu meistern, beherrschte meinen gesamten Alltag! Es drehte sich alles nur noch um den Diabetes!

2. Heute geht es mir besser! Der Austausch mit anderen Betroffenen tut mir sehr gut und hilft mir zu verarbeiten. Ich habe den Diabetes akzeptiert, auch wenn er niemals mein “Freund” wird. An Tagen, an denen mal wieder die Werte Achterbahn fahren, Ketone ins Spiel kommen usw. merke ich trotz allem, dass der Diabetes meine tägliche Stimmung bestimmt: Sind die Werte gut, geht es mir auch gut!

3. Der Blog ist mittlerweile fest in meinen Alltag integriert. Ständig kommen neue Erlebnisse, Erfahrungen und Ideen dazu. Ich freue mich, dass wir innerhalb so kurzer Zeit viele Betroffene erreicht haben. Es macht mir sehr viel Spaß und hilft mir auch weiterhin, mit dem Leben mit Diabetes klarzukommen.


Heike Steck und Phil-Jannik

Phil-Jannik war bei der Diagnose dreieinhalb Jahre alt, heute ist er fünf.

1. Es hat uns getroffen wie ein Faustschlag. Ich habe eigentlich nur geweint, sobald Phil mich nicht gesehen hat. Mein Mann war mir eine große Stütze. Ich wusste überhaupt nicht, was auf uns zukommt und hatte fürchterliche Zukunftsangst. Auch unser großer Sohn Ben (zehn Jahre) hatte mit Ängsten um seinen Bruder zu kämpfen. Die Anfangszeit war emotional gesehen sehr schwer. Ich habe lange keine Nacht durchgeschlafen, auch, wenn Phil stabil war. Die Schlaflosigkeit und die Ängste haben mir einfach den Schlaf geraubt. Der Alltag funktionierte recht schnell – musste er ja!

2. Diabetes wird für mich nie Normalität sein, und anfreunden kann ich mich damit auch nicht. Es gibt Tage, da hasse ich es, wenn mein Kind mit Ketonen und einem hohen Blutzucker aufwacht und nicht in den Kindergarten kann, oder wenn ein Schnupfen seinen Stoffwechsel aus der Bahn wirft. Wir müssen die Krankheit akzeptieren und annehmen, aber mögen müssen wir sie nicht!

Unser Sohn darf von unseren “Befindlichkeiten” nichts spüren. Unsere Aufgabe ist es, Phil zu einem starken und selbstbewussten Kind zu erziehen, der mit seiner Krankheit sicher umgeht und alles machen kann, wenn er ein paar Regeln beachtet. Diabetes soll für ihn nie ein Hinderungsgrund sein, seine Ziele zu erreichen.

3. Für mich bedeutet der Blog sehr viel. Wir haben ihn zusammen aufgebaut, unser aller Herz steckt darin. Er ist ein Teil von mir geworden, und er hilft mir selbst auch, die Erkrankung zu verarbeiten und mich weiter damit auseinanderzusetzen. Während des Schreibens gibt es immer wieder Situationen, die mich weinen lassen, aber es hilft. Wenn einer unserer Leser Hilfe, Tipps und Anregungen findet, dann ist das für mich eine riesige Freude.


Mandy Leinfelder und Timo

Der heute sechsjährige Timo bekam im Alter von drei Jahren die Diagnose.

1. Zuerst war da ein riesiger Schock; mit Diabetes Typ 1 konnte ich nichts anfangen. “Altersdiabetes” kannte ich von der Oma. Als dann das Wort Insulinpumpe fiel, hab ich gefragt, ob man die implantieren muss. Meinem Mann ging es ähnlich. Wir haben ein paar Tage gebraucht, um uns zu sammeln. Es setzte dann aber schnell der Drang ein, so viel wie möglich zu erfahren.

2. Mittlerweile ist das alles selbstverständlich für uns. Timo kommt sehr gut zurecht. Er misst seinen Blutzucker, schätzt gut den Wert selbst ein und bedient die Insulinpumpe selbstständig. Essen schätzen und berechnen übernehmen wir Eltern. Seine Lieblingsspeisen zwischendurch weiß er schon selbst zu handhaben. Und langsam bemerkt er auch seine Unterzuckerungen.

3. Das ist mein Hobby!


Kathy Dalinger und Leonie

Leonie ist heute sieben Jahre alt, bei der Diagnose war sie fünf.

1. Wie es wohl allen Eltern in dieser Situation ergeht: Erst wird man von der Diagnose überrollt. Man fragt sich: Wie? Mein Kind hat Diabetes? Das bekommt man doch nur, wenn man übergewichtig ist, zu viel Süßes isst und sich nicht bewegt usw. Und was ist überhaupt Diabetes Typ 1? Sehr viele Informationen prasseln auf einen ein. Man denkt, das schaffe ich nie. Wie soll unser Leben wieder normal, spontan und unbeschwert werden?

2. Heute kommen wir meist sehr gut damit zurecht. Sicher, es gibt immer mal wieder die ein oder andere Situation oder negative Erfahrung, die man erlebt. Aber wir haben nach und nach ein Stückchen Normalität zurückerobert. Wir wissen jetzt, worauf wir im Umgang mit der Erkrankung achten müssen. Ich bin sehr froh, dass wir ein sehr gutes soziales Umfeld haben, das uns und unserer Tochter geholfen hat, so schnell und so gut mit dem Diabetes zurechtzukommen.

3. Der Blog bedeutet für mich nicht nur, anderen Eltern und Betroffenen zu zeigen, wie wir mit dem Diabetes unseren Alltag meistern. Er ist für mich auch eine Art “Verarbeitung” der Krankheit. Durch das Schreiben erfährt man sehr viel über sich und die Erkrankung des Kindes. Es hilft einem, besser mit allem zurechtzukommen. Und vielleicht bedeutet es auch ein Stückweit, der Krankheit einen “Sinn” zu geben.


von Redaktion Diabetes-Eltern-Journal
Diabetes-Journal, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-online.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (3) Seite 20-22

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