Wirte – werdet Frisöre!

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Wirte – werdet Frisöre!

Das Echt essen-Spezial im März: Den Lockdown abgeschüttelt haben die Frisöre mit einem klugen Konzept. Mit meiner Initiative „Saubere Restaurants braucht das Land“ könnte das auch für die Gastronomie funktionieren.

„Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“, stand in den 1968er-Jahren an Berlins Hausmauern. Der Sponti-Spruch gilt immer noch – gerade auch für die gebeutelte Gastronomie, für die es immer noch keine wirkliche Öffnungsperspektive gibt. Was es gibt, sind endlose und berechtigte Klagen einzelner Gastronomen über die extremen Konsequenzen wie massive Verschuldung bis hin zu Existenzbedrohung. Aber alle klagen einzeln – und das zeigt seit Monaten nur die eine, nämlich keine Wirkung: „Gehört, gelocht, abgelegt“.

Klüger haben das die Frisöre gemacht, die sich mit einem durchdachten Konzept gegen das Berufsverbot gewehrt haben und seit dem 1. März wieder frisieren dürfen. Wesentlich zu diesem Erfolg hat eine PR-Kampagne beigetragen, die von Hasso Mansfeld entwickelt wurde – über die der Kommunikationsexperte im Interview mit Volker Thoms, dem Chefredakteur vom Magazin „pressesprecher“, am 4. März 2021 berichtete.

Kernpunkte der Strategie waren gerichtliche Klagen von 17 Friseuren in 16 Bundesländern, sodass von vorneherein eine bundesweite Aufmerksamkeit entstand. Geschickt wurde damit argumentiert, dass es offensichtlich einen großen Schwarzmarkt gibt, was mit Fotos top-frisierter Fußballstars leicht zu dokumentieren war. Daraus wurde abgeleitet, dass es dann besser wäre, die Haare „offiziell“ zu schneiden, was eine eventuelle Kontaktverfolgung erleichtern würde. Außerdem würden so dem Staat nicht weiter Steuern entgehen.

Allmählich entstand so ein medialer Aufmerksamkeitssog, der mit 400 Clippings von Berichten in regionalen Tageszeitungen (darunter viele Seite 3-Geschichten) und Fernsehbeiträgen eindrucksvoll dokumentiert worden ist. Bezahlt wurde die Kampagne einschließlich der Prozesskosten von einem großen Importeur für Friseurbedarf, dem die Umsätze weggebrochen waren. Es lohnt sich für Gastronomen nachzulesen, wie Hasso Mansfeld seine raffinierte Kampagne entwickelt hat.

Was lernt die Gastronomie von dieser Kampagne? Auf jeden Fall, dass gemeinsam gehandelt werden muss, sonst reagiert die Politik nicht. Wichtig ist auch ein drängendes Problem, das gelöst werden muss. Bei den Frisören war es die offensichtliche Schwarzarbeit. Das Problem existiert in der geschlossenen Gastronomie nicht. Dafür müssen die Gastronomen mit dramatischen Verlagerungen des Umsatzes leben, da viele Menschen bei Firmen wie „Lieferando“ bestellen und möglicherweise langfristig dabei bleiben.

Übernehmen können die Gastronomen für die eigene Kampagne ein Argument der Frisöre: Im Gasthaus ist eine effektive Verfolgung von Kontakten möglich, etwa über QR-Codes. Denn offensichtlich ist es ja so, dass die meisten Ansteckungen im privaten Bereich erfolgen – und da passiert sicher sehr viel beim gemeinsamen Kochen und Essen. Ergänzt um das zweite Argument, im Gasthaus lässt es sich genau so hygienisch wie zu Hause speisen, entwickle ich das zentrale Motto für eine solche Kampagne:

SAUBERE RESTAURANTS BRAUCHT DAS LAND!

Zentrale Botschaft muss also sein: Leute geht ins Gasthaus, da könnt ihr eben so sicher wie zu Hause essen, vor allem in Gesellschaft, wenn dann vielleicht noch im Restaurant vor dem Besuch getestet wird. Natürlich gilt das nicht für jedes Restaurant, sondern erst einmal für die, welche besondere Vorkehrungen getroffen haben – und das sind sehr viele. So habe ich mir vielfach zeigen lassen, welche Anstrengungen einzelne Wirte unternommen haben, um ihre Betriebe auf ein hohes hygienisches Level zu hieven – und dafür oft mehr als fünfstellige Beträge investiert haben. Ein zentraler Punkt ist dabei die Umwälzung und die Reinigung der Luft – und hier kommt eine in Deutschland seit bald 100 Jahren bewährte Technologie ins Spiel: UV-Licht.

Der Technologiekonzern Heraeus ist einer der weltweit führenden Hersteller solcher Speziallampen. Wie gut das funktioniert, erläuterte am 3. März in der FAZ Martin Ackermann, Geschäftsführer von Heraeus Noblelight. So haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Bauphysik herausgefunden, dass „Luftreiniger mit UV-C-Lampen in der Lage sind, Coronaviren in einem Raum fast vollständig zu inaktivieren, weshalb sie sehr gut zur Reduzierung eines Infektionsrisikos geeignet sind“.

Für eine mögliche Gastro-Kampagne wäre mit der in Deutschland und nicht in China produzierenden Firma Heraeus schon ein möglicher Protagonist gefunden, der ein bundesweites Interesse an der Verbreitung seiner Geräte in der Gastronomie hat und als möglicher Finanzier in Frage käme. Nun braucht es noch die wissenschaftliche Absicherung – und da denke ich an den Bonner Virologen Hendrik Streeck, der schon seit Monaten fordert, dass Restaurants mit einem durchdachten Hygienekonzept öffnen dürfen, was er am 4. März 2021 bei „Maybritt Illner“ wiederholt hat.

Hendrik Streeck schätze ich besonders, weil er bei seinen virologischen Empfehlungen immer auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen im Blick hat, was mit Fortdauer der Lockdowns immer dringlicher wird. Mit Streeck und Heraeus müssten Standards definiert werden, die ein hygienisch einwandfreies Restaurant erfüllen muss, etwa eine lückenlose digitale Kontaktverfolgung, sodass sich niemand mehr als „Micky Mouse“ eintragen kann. Spannend wäre ein Kriterienkatalog für eine hygienisch einwandfreie Gastronomie, wofür es möglicherweise sogar ein Zertifikat geben könnte, was ähnlich wie die Auszeichnungen durch die Restaurantführer am Eingang prangen könnte.

Sicher würde ein Sponsor wie Heraeus Wert legen auf die Luftreinigung via UV-Licht, wofür aber auch einiges spricht: Denn im Gegensatz zu Filtern, die immer wieder gereinigt werden müssen, was sehr schnell die Anschaffung übersteigende Kosten verursachen kann, arbeiten solche Lampen durchschnittlich 14000! Stunden praktisch wartungsfrei.

In einem dritten Schritt müssen nun Gastronomen gefunden werden, die als Zugpferde für die Kampagne dienen. Da wären natürlich TV-bekannte Wirte wie Tim Mälzer und Alfons Schuhbeck zu nennen, aber auch renommierte Sterneköche wie etwa Andreas Krolik, dessen Frankfurter „Lafleur“ mit seinen breit gestellten Tischen mustergültig zeigt, wie sich elegant höchste hygienische Standards und höchster Genuss miteinander verbinden lassen. Auch gehören Restaurants dazu, die vorbildlich Produkte aus der Umgebung verarbeiten – und so zur regionalen Wertschöpfung beitragen, wie etwa das Kölner „maiBeck”.

Auf jeden Fall wäre es wünschenswert, dass ähnlich wie bei den Frisören aus jedem Bundesland mindestens ein Vertreter dabei ist, um eine nationale Kampagne auf die Beine zu stellen. Das ließe sich dann mit Betriebsbesichtigungen kombinieren, wo örtliche Gastronomen der Presse zeigen, wie sicher das Essen im Gasthaus ist. Ob eine solche ebenfalls mit gerichtlichen Klagen kombiniert werden sollte, müsste geklärt werden – in jedem Fall sorgt das für mediales Aufsehen, und auf das achten die letztlich entscheidenden Politiker ja bekanntermaßen ganz besonders.

Was ist mit der DEHOGA, dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband? Nun, dieser zentrale Branchenverband glänzt zwar seit Monaten mit Hiobsbotschaften, wie schlecht die Lage ist – und wie viel schlechter sie noch werden wird. Das ist sicher richtig, nur es bringt nicht weiter. Die Initiative will bewusst weg von dem Opferduktus, will weg davon, dass die Gastronomen um „Hilfen“ betteln müssen, die dann doch nicht wirklich vernünftig fließen – und letztendlich Entschädigungszahlungen heißen müssten.

SAUBERE RESTAURANTS BRAUCHT DAS LAND will raus aus der Mitleidsecke, will positiv zeigen, wie sinnvoll und sicher es ist, draußen zu essen. Dass dabei langfristig statt immer neuen, immer unbezahlbareren Entschädigungszahlungen an die Gastronomie endlich wieder ordentliche Steuereinnahmen treten, dürfte für die Politiker vielleicht auch wieder einmal ein Argument werden – außer sie glauben heimlich daran, dass sich Schulden langfristig bestens weginflationieren lassen.

Aber wir wollen positiv bleiben – und ich fasse die wesentlichen Vorteile der Initiative noch einmal zusammen: Das Essen im Restaurant ist bei entsprechenden Vorkehrungen mindestens so sicher wie zu Hause. Es gibt einen lückenlosen Nachweis, wer wann wo gegessen hat – eine Funktion, die allerdings nicht für die Ewigkeit gelten darf. Und: Geöffnete Gasthäuser bringen Steuergeld und kosten keines.

Sie glauben nicht, dass so etwas geht? Ich schon, weil ich es vor über 20 Jahren schon einmal bewiesen habe. Damals habe ich für den privaten TV-Vermarkter MGM MediaGruppe München (ProSieben) die Initiative „Mutige Unternehmer braucht das Land“ entwickelt, um die Akzeptanz von Fernsehwerbung zu steigern. Die Kampagne war ein großer Erfolg – und wir waren mehrere Male damit im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Roman Herzog, immer noch nachzulesen in einem Bericht der WELT.



ECHT ESSEN
heißt der Blog, in dem ich seit zehn Jahren jeden Monat mindestens ein Gasthaus vorstelle. Wichtiges Auswahlkriterium: Herkunft der Produkte.


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Internet: www.lauber-methode.de

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