Wissenslücken und Vorurteile bei Ärzten

2 Minuten

© MarsBars - iStockphoto
Wissenslücken und Vorurteile bei Ärzten

Wissenschaftler der Universität Leipzig haben in einer Studie herausgefunden, dass viele Behandler Wissenslücken und Vorurteile bezüglich der Adipositas-Chirurgie haben.

Je mehr niedergelassene Hausärzte und Internisten über die Adipositas-Chirurgie wissen, umso eher überweisen sie schwer übergewichtige Patienten an entsprechende Kliniken. Derzeit tun dies nur 17,8 Prozent von 201 Ärzten, die im Rahmen einer bundesweiten Studie des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) AdipositasErkrankungen der Universitätsmedizin Leipzig befragt wurden. Die Ergebnisse erschienen kürzlich im Fachmagazin “Obesity Surgery”.

Nur knapp 18 Prozent überweisen ihre Patienten zum Chirurgen

Ein Drittel der Befragten findet es “zu einfach”, wenn adipöse Menschen mit Hilfe der Adipositas-Chirurgie abnehmen. 58 Prozent sind der Meinung, dass fehlende Willensstärke das Übergewicht verursacht. Obwohl 56 Prozent glauben, dass eine Operation eine nützliche Methode zur Gewichtsreduktion ist, empfehlen sie 48 Prozent nur manchmal, 34 Prozent kaum bis gar nicht, und nur knapp 18 Prozent überweisen ihre Patienten zum Chirurgen.

Letztere verfügten über das größte Wissen zur Adipositas-Chirurgie. Je stärker Ärzte glauben, dass Adipositas eine selbstverschuldete Erkrankung ist, umso weniger empfehlen sie Adipositas-Operationen oder stellen entsprechende Überweisungen aus.

Behandlungsleitlinien für krankhaftes Übergewicht geben klare Empfehlungen

Dieses von persönlichen Kenntnissen und Haltungen abhängige ärztliche Verhalten entspricht nicht den Behandlungsleitlinien für krankhaftes Übergewicht. Gemäß dieser Leitlinien kommt eine Adipositas-Operation für Patienten in Frage, die einen Body-Mass-Index (BMI) von 40 oder mehr haben, und die in Abnehm-Programmen nicht ausreichend Gewicht abbauen konnten. Sofern bei adipösen Patienten bereits Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen, kann ein Eingriff auch bereits ab einem BMI von 35 erwogen werden.

Bei Adipositas- oder bariatrischen Operationen werden der Magen und die verdauungsaktive Darmpassage verkleinert. Sie bedeuten für die Betroffenen eine umfassende Vorbereitung und Nachsorge sowie eine lebenslange Umstellung der Ernährung. Bisher entscheiden die Krankenkassen in jedem Einzelfall, ob die Kosten für den Eingriff übernommen werden.

In die IFB Adipositasambulanz am Universitätsklinikum Leipzig kommen viele Patienten, die über viele Jahre Diäten versucht und diverse Therapien durchlaufen haben, ohne langfristig erfolgreich zu sein. Für sie ist ein Adipositas-Eingriff oftmals die letzte Chance, das Übergewicht sowie die Adipositas-assoziierten Erkrankungen zu lindern.

Mit Wissen die ablehnende und stigmatisierende Haltung abbauen

Obwohl die bariatrische Chirurgie derzeit die erfolgreichste Therapie bei ausgeprägter Adipositas ist, werden in Deutschland vergleichsweise wenige Operationen durchgeführt. Während es in Schweden 2013 bei einer Bevölkerung von rund 9,6 Millionen 7.473 bariatrische Operationen gab, waren es in Österreich bei 8,47 Millionen Einwohnern 2.354 Eingriffe und in Deutschland bei 80,6 Millionen Menschen nur 7.126 solcher Operationen.

Die Psychologin Franziska Jung leitete die Studie und betont, dass “Ärzte in Deutschland mehr Wissen zu den vielfältigen Ursachen der Adipositas und zu den Therapien benötigen. Nur so kann die vorherrschende ablehnende und stigmatisierende Haltung abgebaut werden.”

In Kooperation mit dem Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health der Universität Leipzig führten die Wissenschaftler um Dr. Claudia Luck-Sikorski Studien zur stigmatisierenden Haltung der Bevölkerung und von Klinikpersonal gegenüber Menschen mit Adipositas durch. “Ernüchternd ist, dass auch in medizinischen Berufsgruppen Patienten mit Adipositas stigmatisiert werden. Die jüngste Studie mit niedergelassenen Ärzten zeigt nun erstmals, wie stark dies die medizinische Versorgung beeinträchtigt”, unterstreicht Luck-Sikorski.

Kostenlose Leitfaden-Broschüre für niedergelassene Ärzte

Für einen besseren Umgang mit adipösen Patienten und eine adäquatere Beurteilung ihres Behandlungsbedarfs entwickelten die Wissenschaftlerin und ihr Team den Leitfaden “5A Adipositas-Management” für niedergelassene Ärzte. Die Broschüre steht im Internet unter www.ifb-adipositas.de als Download zur Verfügung.


Quelle: Pressemitteilung der Universität leipzig

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert