Reform der Klinikversorgung: Haben Kinder und Ältere mit Diabetes das Nachsehen?

3 Minuten

Reform der Krankenhausversorgung – Haben Kinder und Ältere mit Diabetes das Nachsehen?
onephoto – stock.adobe.com
Reform der Klinikversorgung: Haben Kinder und Ältere mit Diabetes das Nachsehen?

Qualität vor Wirtschaftlichkeit: Die Deutsche Diabetes Gesellschaft begrüßt die Vorschläge zur Reform der Krankenhausversorgung, die der bisherigen Kommerzialisierung in der Medizin einen Riegel vorschieben will. Allerdings müsse die Versorgung besonders vulnerabler Gruppen wie Kinder und multimorbider, älterer Patienten besser berücksichtigt werden.

Jeder fünfte Patient im Krankenhaus hat Diabetes. Die Stoffwechselkrankheit ist eine der häufigsten Diagnosen bei stationär behandelten Patienten und muss professionell behandelt werden. Das geht laut Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG) nur, wenn sich das auch auf allen drei Versorgungsstufen widerspiegelt, die das Reformpapier des Bundesgesundheitsministers und der Regierungskommission jetzt vorsieht: Krankenhäuser der Grund- bzw. Basisversorgung, der Regel- und Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorger wie Universitätskliniken. „Alle Krankenhäuser in Deutschland müssen eine versorgungsstufenadaptierte qualifizierte Diabetesexpertise vorhalten“, fordert Professor Dr. Andreas Fritsche, Vizepräsident der DDG.

Im Rahmen eines parlamentarischen Abends mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik führte der Experte die Vorschläge weiter aus. In Kliniken der Basisversorgung sollte mindestens ein stationär beschäftigter oder ein kooperierender niedergelassener Diabetologe verfügbar sein. In der Regelversorgung muss die Klinik mit einem angestellten Diabetologen in Führungsverantwortung sowie entsprechendem Diabetesfachpersonal ausgestattet sein. Und in der Maximalversorgung sind eigenständige diabetologische Fachabteilungen rund um die Uhr vorzuhalten.

Zuckerzange – der Diabetes-Politik-Podcast“
Über die Diabetes-Versorgung und wie sie verbessert werden kann, haben wir mit verschiedenen Gesundheitspolitikern der aktuellen Regierung und der Opposition gesprochen.
➤ zur Podcast-Reihe

„Einrichtungen mit diabetologischen Strukturen sollten finanzielle Zuschläge, Einrichtungen ohne diese Strukturen finanzielle Abschläge erhalten“, fordert Prof. Fritsche. Allerdings müssen für die Umsetzung dieses Vorhabens auch personelle Kapazitäten aufgebaut werden. Das werde jedoch schwierig, weil nach den bisherigen Plänen kein zusätzliches Geld ins System fließen wird. Außerdem fehlt gerade in der Diabetologie der Nachwuchs. „Wir befürchten, dass mit den bisherigen Vorschlägen die stationäre Diabetologie weiterhin ausblutet und damit die ohnehin bedrohte Versorgung der vielen Menschen mit Diabetes prekär wird“, warnt Fritsche.

Junge und ältere Patienten mit Diabetes benötigen besondere Versorgung

Als Leidtragende sieht die DDG insbesondere vulnerable Gruppen. Nämlich Kinder und Jugendliche mit Diabetes sowie ältere Patienten, die häufig an mehreren chronischen Krankheiten leiden. „Diese beiden Patientengruppen benötigen im Krankenhaus eine besondere medizinische Versorgung, die auch genug Raum für das Gespräch lässt – mit den Patienten, aber auch mit den Angehörigen“, betont Professor Dr. Monika Kellerer, Past-Präsidentin der DDG. Die Sprechende Medizin werde jedoch auch in dem jetzigen Reform-Vorhaben weder erwähnt noch gestärkt. „Wir müssen aufpassen, dass nicht wieder neue finanzielle Anreize entstehen, die zum wiederholten Male nicht das Patientenwohl in den Mittelpunkt rücken“, so Prof. Kellerer.

Ein weiteres Anliegen der Reform ist es, die Sektorengrenzen zwischen ambulant und stationär zu überwinden. „Ein Vorhaben, das wir schon lange fordern und grundsätzlich begrüßen“, betont die Past-Präsidentin. Doch schon heute findet ein Großteil der diabetologischen Versorgung im ambulanten Sektor statt. Wenn nach dem Reformvorhaben künftig noch mehr Patienten in der hausärztlichen bzw. fachärztlich-ambulanten Versorgung betreut werden sollen, würde das den bereits heute spürbaren Fachkräfte-Mangel verschärfen. Denn während die Zahl der Menschen mit Diabetes kontinuierlich steigt, sinkt die Zahl der Diabetologen. Die Expertin warnt: „Der ambulante Sektor wird den großen Versorgungsbedarf nicht auffangen können – noch dazu, wenn aus den Kliniken noch mehr Fälle dort zu behandeln sind. Die Versorgung in der Diabetologie kann nur sichergestellt werden, wenn die stationäre Diabetologie gestärkt wird.“

Reform der Krankenhausversorgung – dringend notwendig, aber noch viel zu tun

Eine Reformierung der Krankenhausversorgung ist laut DDG dringend notwendig. Es müsse jedoch noch viel Detailarbeit umgesetzt werden. Die Vorhaben des Reformpapiers können daher nur erfolgreich sein, wenn systematisch in Strukturen und Personal, vor allem in eine breite Präsenz der Diabetologie in den Kliniken investiert wird. „Wir wollen seitens der Diabetologie die Konvergenzphase nutzen, um unsere Empfehlungen einzubringen, so dass die Reform wirklich zu einer Revolution im Sinne der Patient:innen wird – und zwar aller“, so Prof. Kellerer.

Qualität vor Wirtschaftlichkeit! DDG-Vorschläge zur Reform des Systems der Diagnosebezogene Fallgruppen (DRG-System)

▶ Alle Krankenhäuser in Deutschland brauchen eine versorgungs­stufen­adaptierte qualifizierte Diabetes-Expertise!

Versorgungsqualität muss sich lohnen! Krankenhäuser mit Diabetes­behandlungs­strukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten. Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge.

Vulnerable Gruppen schützen! Kinder oder multimorbide ältere Patienten mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Betreuung. Das muss im DRG-System kostendeckend abgebildet sein.

Pflegeuntergrenzen auf den Prüfstand! Die Leistungen von Diabetesberatern und Diabetesassistenten müssen bei der Berechnung der Pflegeuntergrenzen in die Kalkulation mit einfließen.



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

Ähnliche Beiträge

Weltdiabetestag und „Meilensteine der modernen Diabetologie“: großes Diabetes-Event im November

Am 10. November 2024 finden die beiden vormals separaten Veranstaltungen „Meilensteine der modernen Diabetologie“ und die Patientenveranstaltung zum Weltdiabetestag in einem großen gemeinsamen Event für Menschen mit Diabetes statt.

2 Minuten

22. Düsseldorfer Diabetes-Tag: vielfältiges Programm für Menschen mit Diabetes und Interessierte

Der 22. Düsseldorfer Diabetes-Tag am 31. August 2024 bietet bei freiem Eintritt ein umfangreiches Programm mit Vorträgen, einer Industrieausstellung und Mitmach-Aktionen für Betroffene, Angehörige und Interessierte.

2 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert