Kontaktallergien und Hautreaktionen: Sind die Acrylate im Kleber schuld?

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Kontaktallergien und Hautreaktionen: Sind die Acrylate im Kleber schuld?

Triggerwarnung: Wunden

Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland das Messsystem FreeStyle Libre zur kontinuierlichen Glukosemessung nutzen, gibt es nicht. Der Hersteller Abbott hält sich bedeckt, aber Dr. Jens Kröger schätzt, dass es etwa 50.000 sein müssten. Für ihn ist es deshalb nicht weiter verwunderlich, dass mit der Verbreitung des FreeStyle Libre auch die Zahl der Fälle von Hautirritationen zunimmt: Schließlich bleiben die Sensoren mit 14 Tagen Liegedauer deutlich länger auf der Haut als die Pflaster beispielsweise von Pumpenkathetern. Für mich ein sehr interessantes Thema, denn schließlich bin ich in einem früheren Beitrag schon einmal der Frage nachgegangen, ob möglicherweise der Hersteller für diese Hautreaktionen haftbar gemacht werden kann.

Beschwerden beginnen oft erst nach einigen Monaten

„Je länger die Liegezeit, desto höher ist das Risiko für Hautreaktionen“, erklärte Kröger beim T1Day  in Berlin. Er bombadierte die Zuhörer dann mit Fachbegriffen wie Irritationsdermatitis, Erysipel sowie Hyper- und Hypopigmentierungen und Urtikaria. Gemeint sind Hautrötungen, Entzündungen, Quaddeln und Farbveränderungen der Haut. Häufig treten die Beschwerden erst nach etlichen Monaten auf, nachdem der Patient bereits etliche Sensoren getragen hat. Eine solche Sensibilisierung lässt sich nicht wieder rückgängig machen, darüber hinaus kommt es in der Folge gelegentlich auch zu Kreuzallergien. „Dann bereitet auf einmal auch der Pflasterkleber des Pumpenkatheters Probleme, der nur zwei bis drei Tage liegt und zuvor problemlos vertragen wurde“, berichtete Dr. Kröger. Wer die Diskussionen in den einschlägigen Facebook-Gruppen verfolgt, kann das bestätigen: Dort berichten viele Anwender, dass die Probleme erst ab Sensor Nummer 8 oder 10 begannen.

Acrylate wurden 2012 als „Kontaktallergen des Jahres“ ausgezeichnet

Als mögliche Verursacher der Hautreaktionen nannte Kröger das Kunststoffgehäuse des Sensors, die Sensornadel bzw. den Sensorfaden und die Zwischenklebeschicht. Hauptverdächtige sind aber die in den Klebstoffen enthaltenen Acrylate. „Sie bergen ein hohes Potenzial für Nebenwirkungen. Man kennt Acrylharze aus Nagelstudios. Für Mitarbeiterinnen von Nagelstudios ist eine Allergie auf Acrylate längst als Berufskrankheit anerkannt.“ Die amerikanische Gesellschaft für Kontaktallergien hat Acrylaten 2012 daher den unrühmlichen Titel „Kontaktallergen des Jahres“ verliehen.

Zusammensetzung der Pflasterklebstoffe ist bei jedem Hersteller anders

Obwohl all dies lange bekannt ist, werden Acrylharze gern für Pflaster verwendet. Die zentralen Argumente lauten: Sie kleben außergewöhnlich gut und sind zudem kostengünstig verfügbar. Alle in der Diabetesindustrie verwendeten Pflasterklebstoffe bestehen aus Acrylatpolymeren. „Das Problem ist, dass die Zusammensetzung der Klebstoffe bei jedem Pflasterhersteller anders ist und von den Herstellern auch nicht herausgegeben wird“, kritisierte Dr. Kröger. Daher könne man auch nicht mit einem Standard-Epikutantest beim Hautarzt feststellen, ob man auf einen bestimmten Klebstoff allergisch reagiert oder nicht. Eine zuverlässige Allergiediagnostik sei nur möglich, wenn beim Pricktest eine Probe des tatsächlich konkret eingesetzten Klebstoffs als Einzelsubstanz verwendet wird – doch die lässt sich beim Hersteller nicht ohne Weiteres beschaffen.

Heidi-Methode, Rocktape, Hydrotape, Blasenpflaster – was hilft?

Betroffene, die trotz der massiven Hautreaktionen nicht auf die neuen Möglichkeiten der kontinuierlichen Glukosemessung durch FGM- oder CGM-Systeme verzichten möchten, sind daher längst selbst aktiv geworden. Sie tauschen sich in besagten Facebook-Gruppen intensiv darüber aus, wie man den direkten Kontakt des Klebers mit der Haut durch eine effektive Barriere verhindern kann. Sascha Stiefeling hat auf seinem Blog Sugartweaks einmal ganz heldenhaft sämtliche kursierenden Methoden ausprobiert und bewertet – darunter die vielgepriesene „Heidi-Methode“, Rocktape und Hydrotape, Blasenpflaster, die „Handschuh-Methode“ und seine selbst entwickelte „Beyonce-Methode“.

Nicht nur bei Facebook diskutieren, sondern den Hersteller informieren!

Der Diabetologe Dr. Kröger schien vertraut mit Saschas Ausführungen zu sein: „Da kursieren die abenteuerlichsten Empfehlungen! Da wird einem als Arzt angst und bange!“ Doch auch er rät Betroffenen, mechanische Barrieren zwischen Haut und Sensor zu platzieren. Dies könnten Hautschutzprodukte wie Cavillon, Schutzpflaster wie Tegaderm, Silikonpflaster oder Blasenpflaster sein. Auch Schutzplatten, wie sie Stomaträger verwenden (Stomahesive) eigneten sich unter Umständen. Eine wichtige Bitte hatte Dr. Kröger zum Schluss an alle betroffenen Typ-1-Diabetiker im Publikum: „Das Entscheidende ist, dass Sie als Anwender diese Probleme nicht nur bei Facebook diskutieren, sondern den Hersteller darüber informieren und auf Herausgabe der exakten Zusammensetzung des Pflasterklebers drängen. Sonst bleibt es dabei, dass die Hersteller immer weiter nur die Rate der Hautreaktionen in den Zulassungsstudien zitieren, obwohl es mittlerweile viel mehr Fälle mit Hautirritationen gibt.“

Die FGM-Sticker gibt es u.a. hier.

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  • tako111 postete ein Update vor 3 Tagen, 8 Stunden

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 4 Tagen, 16 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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