100 Jahre Insulin: ein Grund zu feiern

3 Minuten

Community-Beitrag
100 Jahre Insulin: ein Grund zu feiern

Ich sitze im Zug nach Berlin, zum ersten Mal seit Corona-Beginn. Welch ein Geschenk! Auch der Grund für diese Reise ist ein Grund zu feiern: Am 27.07.1921, also vor 100 Jahren, wurde zum ersten Mal Insulin isoliert. Seit fast 100 Jahren steht es Menschen nun als Medikament zur Verfügung.

Quelle: Mirjam Eiswirth

Einmal mehr geht mir durch den Kopf: Noch vor 100 Jahren wäre ich schon seit 25 Jahren tot. Diabetes war bis zur Entdeckung und Entwicklung von Insulin als Medikament ein Todesurteil. Dass das seit einem Jahrhundert nicht mehr so ist, haben wir in Berlin (übrigens parallel zum Christoper Street Day) gefeiert. Eingeladen hat diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, und zwar zur ersten hybriden Veranstaltung seit Beginn der Pandemie. Vormittags Festreden mit Publikum sowohl live vor Ort als auch draußen vor den Bildschirmen, nachmittags dann spannende Vorträge über die Entwicklungen in der Diabetes-Therapie seit 1920 und ein Ausblick, was sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten möglicherweise tun wird.

Mit Diabetes leben statt an Diabetes sterben

Heute ist es auf jeden Fall möglich, mit Diabetes zu leben, statt an Diabetes sterben zu müssen. Eindrucksvoll erzählt Dr. Viktor Jörgens einige Geschichten der ersten jungen Patient:innen aus den frühen 1920er Jahren, denen Insulin das Leben gerettet hat. Bis dahin bestand die „Therapie“ in einer drastischen Hungerkur, ab und an erleichtert durch ein Gläschen Hochprozentiges (auch für die Kinder), um das Leiden erträglicher zu machen. Ob man an den Folgen der Unterernährung oder an einer Ketoazidose starb, war nur eine Frage der Zeit.

Quelle: Mirjam Eiswirth

Insulin alleine reicht nicht, und…

Ich bin unglaublich dankbar, dass das heute nicht mehr so ist und dass in Deutschland die Menschen, die auf Insulin angewiesen sind, das lebenswichtige Medikament in der Apotheke bekommen, und dass wir darüber hinaus im Vergleich zu anderen Ländern eine gute Versorgung in der Sensor- und Insulinpumpentechnologie haben. Dass Insulin und Technologie alleine nicht genug sind, unterstreichen in ihren Festreden sowohl Prof. Dr. Andreas Neu, seit kurzem Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft, und Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben (2008). Es braucht einerseits eine sehr gute ganzheitliche Betreuung, die die Menschen mit Diabetes und ihr Umfeld gerade nach der Diagnose auffängt und schult, ihre eigenen Ärzt:innen zu werden, und andererseits ist auch bei der Therapie noch Luft nach oben.

…Insulin ist ein Teufelszeug

Denn Insulin ist ein Teufelszeug – klar macht bei jedem Medikament die Dosis das Gift, doch für uns Diabetiker:innen kann etwas zu viel oder zu wenig Insulin dramatische Folgen haben, die beide Redner illustrieren: Im schlimmsten Fall kann Insulinmangel in einer Ketoazidose und damit schnell im Krankenhaus enden. In alltäglicheren Situationen, die viel zermürbender sind, kann zu viel oder zu wenig Insulin bedeuten, einen wichtigen Wettkampf abbrechen zu müssen, im entscheidenden Moment im Fußballspiel nicht den Elfmeter schießen zu können, weil der Zucker gerade zu tief ist, oder mit dem Essen warten zu müssen, während alle anderen schon zuschlagen.

Quelle: Mirjam Eiswirth

Heute kann ich mit (manchmal trotz) Diabetes alles machen

Auch ich kenne solche Momente aus meinem Alltag (okay, Gewichthebe-Wettkämpfe gehören nicht dazu, schon gar nicht auf olympischem Niveau). Dann könnte ich meinen Körper und dieses Teufelszeug Insulin verfluchen, das mein Leben so kompliziert macht. Aber gerade dann tut die Erinnerung gut: Wir haben Insulin. Wir können heute mit Diabetes leben, statt daran sterben zu müssen. Wir haben Zugang zu ziemlich toller Technologie. Und im Großen und Ganzen kann ich mit (manchmal vielleicht auch trotz) Typ-1-Diabetes alles machen. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

Viele Infos und spannende Geschichten

Die Website 100-jahre-insulin.de zeigt Videos der einzelnen Vorträge, viele Infos zur Entwicklung der Diabetestherapie in den letzten 100 Jahren und vor allem auch eine beeindruckende Sammlung von Texten von Menschen, die mit Typ-1-Diabetes leben. Für mich klingt da ganz klar hervor: Auch wenn Diabetes anstrengend ist und viel Zeit, Kraft und Nerven kostet, so geht es doch immer weiter. Auch und gerade dank des Insulins, neuer Technologien, viel gegenseitiger Unterstützung in der Selbsthilfe und durch tolle Typ-Fler und Diabetes-Teams vor Ort. In diesem Sinne: auf die nächsten 100 Jahre mit Insulin und spannenden neuen Entwicklungen in der Diabetestherapie!


Mehr zur Geschichte des Insulins und der Behandlung von Diabetes findet ihr hier von Antje: Streifzug durch die Geschichte der Diabetestherapie

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast – Höhen & Tiefen: Was die Diagnose Doppel-Diabetes bedeutet – im Gespräch mit Katharina und Daniel

In dieser Folge unseres Podcast-Community-Formats „Höhen & Tiefen“ sprechen wir über das Thema Doppel-Diabetes – einer Kombination aus Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Unsere Gäste, Katharina und Daniel, teilen ihre persönlichen Geschichten über ihre Erfahrungen mit dieser Diagnose und wie sie sich auf ihr Diabetes-Management auswirkt.
Diabetes-Anker-Podcast – Höhen & Tiefen: Was die Diagnose Doppel-Diabetes bedeutet – im Gespräch mit Katharina und Daniel | Foto: privat/MedTriX

2 Minuten

Neue Staffel der Video-Reihe „Diabetes-Docs erklären Technik“ gestartet

Ab welchen Blutzuckerwerten liegt eigentlich ein Diabetes mellitus vor und wie wird die Diagnose gestellt? Welche Zielbereiche sollten Menschen mit Typ-2-Diabetes anstreben? Welche Messtechniken stehen zur Verfügung und wie funktionieren sie? Dies erklärt Dr. Oliver Schubert-Olesen, Diabetologe aus Hamburg, zusammen mit seinem Patienten Thorsten von Elling.

2 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • loredana postete ein Update vor 1 Tag, 17 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 2 Tagen, 14 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

  • Hallo, ich bin Stefanie, die Diagnose Typ 1, habe ich vor drei Monaten bekommen.
    Ich merke wie es mir aktuell mit der Diagnose eher schlechter, als besser geht und meine Depression wieder da ist und ich auch eine neue Therapie starten werde. Ich habe aber das Gefühl, dass mich niemand Freundeskreis verstehen kann, weil niemand weiß, wie sehr diese Diagnose das Leben durcheinander bringt und ich auf so vieles aufpassen muss. Vor zwei Wochen hatte ich meine Schulung, tatsächlich fällt mir der Umgang mit dem Diabetes eher sogar schwerer. Eine Leichtigkeit (ist auch zu viel verlangt) ist nicht eingetreten. Sicherheit nur etwas.
    Es gibt bei mir leider keine Selbsthilfegruppen vor Ort, darum habe ich mich nun entschieden, den Diabetes Anker beizutreten und hoffe auf Verständnis von “Gleichgesinnten”
    Viele Grüße

    • Hallo Stefanie, schön ,dass du da bist. Wir treffen uns zum virtuellen Austausch nächste Woche Donnerstag. Vielleicht hast du ja Zeit und kannst dich einwählen 🙂 Ich freue mich, wenn wir uns dort sehen. Liebe Grüße Lena

      Virtuelles Diabetes-Anker Community-MeetUp im Dezember

    • Hallo Stefanie! Ich weiß noch wie es nach meiner Diagnose war – es dauert bis da von Leichtigkeit die Rede sein kann. Und das Umfeld tut sich oft sehr schwer das alles zu verstehen. Es wird besser aber es braucht Zeit. Alles Gute

    • @lena-schmidt: Hallo Lena, ich habe angemeldet und steht auch fest im Kalender.

    • @moira: Danke dir, ja es ist nicht ganz leicht damit klarzukommen und du hast recht, das Umfeld stellt mir Unmengen an Fragen, aber die kann ich aktuell selbst nicht beantworten, weil ich selbst genügend habe und andere Prios. Am schlimmsten empfinde ich die gutgemeinten “Ratschläge”.

Verbände