Diabetes und Erwartungen – sich nicht verbiegen lassen

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Diabetes und Erwartungen – sich nicht verbiegen lassen

Diagnose mitten im Leben

Sommer 2000, mir ging es schon seit Wochen nicht gut. Es war dann reiner Zufall, dass die Diabeteserkrankung vor einem Routineeingriff im Krankenhaus festgestellt wurde. Dann ging alles schnell, ich wurde mit der Diagnose Diabetes auf die Innere-Abteilung verlegt. Künftig würde ich mit Typ-1-Diabetes leben müssen – eine Erkrankung, die nicht heilbar ist.

Wie würde es weitergehen? Wie würde ich klarkommen? Mir kam es vor, als bewegte ich mich auf einen dunklen Tunnel zu, ohne zu wissen, was mich auf der anderen Seite erwartet.

Quelle: Susanne Thiemann

Gibt es Licht am Ende des Tunnels?

Das Krankenhaus, in dem ich zum Zeitpunkt meiner Diagnose stationär behandelt wurde, war nicht auf die Behandlung von Diabetes spezialisiert. Spätestens als die Ernährungsberaterin zu mir ins Zimmer kam, um einen Monolog über Diät und Spätfolgen einer falschen Ernährung zu halten, kamen wir Zweifel, ob so meine Zukunft aussehen würde. Mein Plan stand fest: Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus würde ich nach kompetenter Hilfe und Behandlung suchen.

Die passende Unterstützung bekam ich schließlich in der Ambulanz der Uni-Klinik. Sowohl, was die Schulung auf eine intensivierte Insulintherapie betraf, als auch Stärkung meines Selbstbewusstseins. Ich wurde dort mit den Worten verabschiedet: „Wenn Sie es richtig anstellen, werden Sie in ein paar Jahren mehr über Ihre Diabeteserkrankung wissen als manche Ärzte!“ Zum ersten Mal fühlte ich mich nicht mehr dem Diabetes „ausgeliefert“. Diesen Satz habe ich verinnerlicht, die Worte haben mir immer wieder meine eigenen Chancen vor Augen geführt. Außerdem haben sie mich sensibel dafür gemacht, nicht unreflektiert den Erwartungen anderer zu entsprechen.

Ich sah – im übertragenen Sinn – nicht nur das Licht am Ende des Tunnels, ich konnte die Enge meines Gedankentunnels verlassen.

Leidest Du noch oder lebst Du schon?

Ich kann mich noch an meine Gedanken zum Zeitpunkt der Diagnose erinnern. Meine Frage drehte sich nicht um „warum ich?“, sondern „warum jetzt?“. Schließlich war ich 38 Jahre alt und Typ-1-Diabetes – das war für mich eine Erkrankung, die im Kindes- oder Jugendlichenalter begann. Später sollte ich erfahren, dass es gar nicht mal so selten ist, im späteren Lebensalter einen Diabetes Typ 1 zu bekommen.

Habe ich damals gelitten und mir selbst leidgetan? Das kann ich ganz klar mit Nein beantworten! Es war halt nicht zu ändern und je früher ich mich mit der neuen Situation arrangieren würde, umso besser wäre es für mich – davon war ich damals ganz fest überzeugt!

Blutzuckermessen und Insulinspritzen, das hatte ich gut in meinen Tagesablauf integriert. Aber Blutzuckertagebuch führen, das hat einfach nur genervt – das kam mir immer so vor, als wenn ich „das Defizit meines Körpers“ dokumentiere. Außerdem standen sie dann da, die hohen und die tiefen Werte – verbunden mit der Frage, was jetzt schon wieder nicht rund gelaufen war. Der Diabetes sollte sich gefälligst mir unterordnen und nicht umgekehrt. Ich wollte nie eine „Leidtragende“ meiner Stoffwechselerkrankung sein. Daraus hat sich bei mir eine Grundhaltung entwickelt – ich bin niemandes „Leidgenossin“.

Quelle: Susanne Thiemann

Ist der (Lebens-)Weg mit Diabetes einfach?

Diabetes ist nicht großartig! Diabetes ist eine Erfahrung, auf die man gerne verzichten kann. Die Diagnose Diabetes zu erhalten, ist für Betroffene, aber auch für Angehörige und Freunde ein lebensveränderndes Ereignis.

Abhängig vom Lebensalter und den persönlichen Verhältnissen bei der Diagnose liegt natürlich eine entsprechend unterschiedliche Grundsituation vor.

Da ist der Alltag, der sich verändert, da sind die Erwartungen, die man an sich selbst hat bzw. die andere an einen stellen.

Ich habe meine Diabetesdiagnose erst als erwachsene Frau erhalten. Mit Ende 30 stand ich mitten im Leben, mit all den Lebenserfahrungen, die ich bis dahin schon gemacht hatte. Nachdem der „Diagnose-Schock“ überstanden war und ich die positiven Erfahrungen zuerst in der Uni-Klinik und später bei meiner Diabetologin gemacht habe, war meine Grundhaltung klar. Die Erwartungen anderer Personen würde ich nicht als Maßstab nehmen. Beim Diabetesmanagement würde ich mir Rat und Unterstützung bei meinem Diabetes-Team suchen, die Optionen abwägen und dann eine Entscheidung treffen. Ansonsten würde ich mir nicht reinquatschen lassen. Auf keinen Fall wollte ich mich in irgendeiner Form rechtfertigen – soweit die Theorie.

Anspruch und Wirklichkeit

Mein Anspruch bestand fortan darin, meine Grundhaltung zum Leben mit Diabetes auch konsequent zu leben. Aber genau hier prallen mein eigener Anspruch und die Wirklichkeit mitunter aufeinander. Mir passiert es immer noch, dass ich mich z.B. bei einem negativen Kommentar von neuen Ärzten für meinen HbA1c-Wert rechtfertige. Im Nachhinein ärgere ich mich immer sehr, dass ich dort nicht klare Kante gezeigt habe. Vor allem, weil das im Gegensatz zu meinem Diabetologen und meinem Hausarzt Ärzte sind, die mich gar nicht kennen und ungefragt nicht nur ihren Kommentar abgeben, sondern sich auch herausnehmen, über mich und mein Diabetesmanagement zu urteilen.

Zum Glück bekomme ich das nach so einem Vorfall sehr schnell sortiert und fühle mich nicht unfähig oder unmotiviert. Aber es ärgert mich schon, dass ich immer wieder in so eine Situation hineintappe.

Gut gelingt mir, mich vom Wetteifern um den besten HbA1c-Wert fernzuhalten. Von den Erwartungen und Maßstäben anderer Menschen mit Diabetes lasse ich mich nicht anstecken. Da ist mein Blick, dass Erwartungen und Ansprüche sehr verschieden und immer individuell sind. Es gibt nicht die Messlatte, die auf mein Leben mit Diabetes angelegt werden kann. Ich muss nicht den Erwartungen anderer entsprechen und ich lasse mir nichts aufzwingen.

Mein zurückhaltendes und minimalistisches Verhältnis zum Führen eines Blutzuckertagebuches war bei meinem Diabetesteam hinreichend bekannt.

Sobald ich merkte, dass etwas nicht gut lief, habe ich einige Tage ausführlich mitgeschrieben und natürlich auch Basalrate und Faktoren überprüft. Ohne Erwartungsdruck an ein schön geschriebenes, perfektes Blutzuckertagebuch fiel es mir leicht, gewissenhaft etwas für meinen Therapieerfolg zu tun. Mittlerweile bin ich in der komfortablen Situation, mein Diabetesmanagement elektronisch zu erfassen. Das nimmt mir nicht nur die lästige Dokumentation ab, sondern erleichtert mir auch die Auswertung mit eventueller Therapieanpassung.

Mein Leben ist besser als erwartet

Beim Austausch in der Diabetes-Community kann ich über meine Gedanken, Erlebnisse und Erwartungen sprechen. Das hilft mir, mich wieder zu erden und das Glas wieder halb voll statt halb leer zu sehen. Dafür bin ich dankbar! Ohne Diabetes hätte ich viele wundervolle Menschen in meinem Leben gar nicht kennengelernt. Mein Leben mit Diabetes ist besser, als ich das vor mehr als 2 Jahrzehnten erwartet hätte.


Mehr von Susanne könnt ihr hier erfahren.

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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