Digitalisierung und Diabetes-Technologie: die neuesten Trends vom Diabetes Kongress 2023

Digitalisierung und Diabetes-Technologie – die neuesten Trends vom Diabetes Kongress 2023
Digitalisierung und Diabetes-Technologie – die neuesten Trends vom Diabetes Kongress 2023
Foto: DDG/Dirk Michael Deckbar

Wir waren auf dem Diabetes Kongress, der letzte Woche in Berlin stattgefunden hat, um für Euch über die aktuellsten Neuheiten und Entwicklungen in der Diabetologie zu berichten. Ein vielbesprochenes Thema war die Diabetes-Technologie, die im Verbund mit der voranschreitenden Digitalisierung für Menschen mit Diabetes mittlerweile einen großen Stellenwert eingenommen und viele Vorteile gebracht hat.

Auf dem von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) ausgerichteten „Diabetes Kongress“ vom 17. bis 20. Mai in Berlin kamen auch dieses Jahr wieder Tausende Teilnehmende aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammen, um sich über die neuesten Entwicklungen, Forschungsergebnisse und Behandlungskonzepte rund um das Thema Diabetes auszutauschen. Viele weitere haben sich zudem online dazugeschaltet, da einige der Vorträge und Symposien auch live übertragen wurden.

Die Tagung richtet sich vornehmlich an Personen, die Menschen mit Diabetes behandeln und versorgen oder zum Diabetes forschen, aber auch Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden, Selbsthilfegruppen, aus der Industrie und den Medien waren vor Ort – so auch das Diabetes-Anker-Team, um für Euch zu berichten.

Fortschritte bei der Digitalisierung und der Diabetes-Technologie, durchwachsene Ergebnisse bei der klassischen Blutzuckermessung

Bei der Weiterentwicklung von Diabetes-Technologie und digitalen Hilfsmitteln gab es gerade in den letzten Jahren große Sprünge nach vorne. Technische Hilfsmittel zur Glukosemessung, zur Insulin-Injektion und dem dazugehörigen Datenmanagement sind insbesondere für Menschen, die ihren Diabetes mit Insulin behandeln, heutzutage nicht mehr wegzudenken. Aber auch bei Apps für die Unterstützung des Diabetesmanagements und bei Blutzuckermessgeräten für Menschen ohne Insulintherapie gibt es Fortschritte. Denn all das bietet den Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, den Diabetes individueller zu behandeln und somit nicht nur für optimalere Therapie-Ergebnisse, sondern auch für eine bessere Lebensqualität zu sorgen.

Dr. Sandra Schlüter, Diabetologin und Expertin für Diabetes-Technologie, bei der Pressekonferenz zur Tagung.

„Bei der klassischen Blutzuckerbestimmung mit Geräten zur Selbstmessung ist die Qualität der verfügbaren Produkte noch immer gemischt“, erklärte Dr. Sandra Schlüter, niedergelassene Diabetologin aus Northeim und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes und Technologie“ (AGDT) der DDG, auf der Pressekonferenz im Rahmen des Diabetes Kongresses. „Während es sehr genaue Messsysteme gibt, erfüllen einige auf dem Markt befindliche nicht die Anforderungen.“ In einer Studie wiesen drei von sieben Blutzuckermesssystemen, deren Teststreifen von gesetzlichen Krankenkassen zur Verschreibung empfohlen werden, nicht die erforderliche Präzision auf. „Für Furore sorgen immer wieder Innovationen zur nicht-invasiven (wörtlich „nicht-eindringend“, also eine Messung ohne Blut; Anm. d. Red.) Glukosemessung, die sich zum Beispiel spektroskopische Techniken mittels Infrarotlicht zur Glukosebestimmung zunutze machen“, ergänzte Schlüter. Allerdings seien diese derzeit in der Regel für einen Einsatz im Diabetesalltag noch nicht geeignet, so die Expertin für Diabetes-Technologie.

Digitalisierung und Technologie auf dem Diabetes Kongress: Entwicklungen bei CGM-Systemen und smarten Insulinpens

Positiver mutet für sie der Fortschritt bei der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) an. Die Entwicklungen der CGM-Systeme gehen hin zu einer höheren Genauigkeit und Zuverlässigkeit, längerer Tragedauer und weniger Kalibrationen. Die Möglichkeit, die erhobenen CGM-Daten zu übertragen, bietet den Anwenderinnen und Anwendern zudem den Vorteil, sich aus der Ferne und kontaktlos von ihrem behandelnden Diabetesteam beraten zu lassen. „Diese Form der Telemedizin wurde vermehrt während der Corona-Pandemie genutzt, wird aber sicherlich auch zukünftig eine Rolle in der Praxis und Klinik spielen“, ist Dr. Schlüter überzeugt. 

Weitere Themenschwerpunkte auf dem Diabetes Kongress
Auch zur Blutzuckerkontrolle und Gewichtssenkung, die im Verbund einen Typ-2-Diabetes sogar längerfristig zum Stillstand bringen können, gab es Neuigkeiten auf dem diesjährigen Diabetes Kongress. Hier gibt es neue Daten zu den Effekten einer Lebensstilanpassung und neuartige Medikamente zur Unterstützung. Einen ausführlichen Bericht dazu findest Du hier.

Die meisten insulinbehandelten Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes benutzen zur Verabreichung des Hormons einen Insulinpen und auch hier gibt es große technische Fortschritte. Die Diabetologin erklärt: „Die Entwicklung hin zu ‚smarten‘ Pens, beispielsweise mit Speicher-, Erinnerungs- oder Datenübertragungsfunktion ist in vollem Gange.“ Smarte Pens können die Injektionsdaten an Apps übermitteln, welche wiederum Glukosemessdaten mit den Insulindaten abgleichen, in einem Bolusrechner nutzbar machen und möglicherweise in naher Zukunft darauf abgestimmt Therapieempfehlungen geben können.

Innovative Diabetes-Technologien: Barrieren aus dem Weg räumen – und ohne Schulung ist alles nichts

Ähnlich dynamisch ist die Entwicklung bei der automatisierten Insulindosierung (AID), die aus einem CGM-System, einer Insulinpumpe und einem Algorithmus zur Steuerung besteht. „Bei AID-fähigen Insulinpumpen mit kompatiblen CGM-Systemen kommt es derzeit noch zu Problemen bei der Kostenübernahme durch die Krankenkassen“, kritisierte Dr. Schlüter. „Wenn eine AID-fähige Insulinpumpe keine Kostenzusage für das dazugehörige CGM-System erhält, kann die Algorithmussteuerung nicht genutzt werden.“ Solche Barrieren gelte es schnellstmöglich aus dem Weg zu räumen, ebenso andere regulatorische Vorgaben, die einen konstruktiven Austausch zwischen Anwendenden, Praxen, Kliniken und Krankenkassen verhindern. Dies betreffe auch die Kommunikationsfähigkeit der angebotenen Technologien untereinander – hier fordern Expertinnen und Experten wie Dr. Schlüter Interoperabilität, offene Schnittstellen sowie Plattformen zur Zusammenarbeit.

Doch innovative Technologie für sich alleinstehend löst nicht alles. Für die korrekte Anwendung von Diabetestechnologien und den daraus gewonnen Daten seien intensive Schulungen und Beratungen unumgänglich. „Technik ist nicht unfehlbar und kann ausfallen oder fehlerbehaftet sein“, betonte Dr. Schlüter. „Für insulinbehandelte Menschen mit Diabetes ist es wichtig, sie zu verstehen, richtig einzusetzen, die korrekten Rückschlüsse für therapeutische Konsequenzen zu ziehen und im Notfall auch ohne sie ihre Selbsttherapie durchführen zu können.“ Auch für die Diabetesbehandlungsteams ändern sich die Anforderungen. „Das Fachpersonal benötigt regelmäßig unabhängige Fortbildungsmöglichkeiten und Angebote für eine strukturierte Weiterbildung“, forderte die Diabetologin abschließend.



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

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