Entstehung von Übergewicht: Rezeptor identifiziert, der das Essverhalten reguliert

Deutsche Forschende identifizieren Rezeptor, der das Essverhalten reguliert
Deutsche Forschende identifizieren Rezeptor, der das Essverhalten reguliert
Foto: T. L. Furrer – stock.adobe.com

Die stetig steigende Anzahl von Menschen mit Übergewicht oder Adipositas (schweres Übergewicht) stellt weltweit ein bedeutendes medizinisches Problem dar. Neben den sich verändernden Lebensgewohnheiten spielen auch genetische Faktoren eine entscheidende Rolle für das Essverhalten und somit bei der Entstehung von Übergewicht. Nun wurde mit einem Rezeptor ein neuer Regulator für die Steuerung der Nahrungsaufnahme identifiziert.

In einer neuen Studie, veröffentlicht im renommierten Fachmagazin „Signal Transduction and Targeted Therapy“, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Leipzig und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf einen neuen Regulator für das Essverhalten identifiziert. „Unsere Arbeit zeigt, dass noch nicht alle Komponenten, die die Nahrungsaufnahme regulieren, bekannt sind. Dabei können auch Rezeptoren eine Rolle spielen, an die bisher noch niemand gedacht hat“, sagt Dr. Doreen Thor. Sie ist leitende Autorin der Studie und Wissenschaftlerin an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

Nachweis im Tiermodell: Rezeptor Latrophilin-1 steuert das Essverhalten – fehlt er, kommt es zu Übergewicht

Der neu identifizierte Rezeptor Latrophilin-1, bisher bekannt für seine Funktionen im Gehirn wie die Ausbildung von Synapsen, wurde nun auch mit der Steuerung der Nahrungsaufnahme in Verbindung gebracht. Dieser Rezeptor, ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor, besitzt seinen Namen aufgrund seiner Bindungsfähigkeit zum Nervengift Latrotoxin, das von der Spinnenart Mediterrane Schwarze Witwe produziert wird.

Links: Mikroskopie eines Hypothalamus-Hirnschnitts. Zu sehen ist der dritte Ventrikel (schwarz). Die roten Punkte zeigen den Rezeptor und die Zellkerne sind blau eingefärbt. Rechts: Dr. Doreen Thor.
Links: Mikroskopie eines Hypothalamus-Hirnschnitts. Zu sehen ist der dritte Ventrikel (schwarz). Die roten Punkte zeigen den Rezeptor und die Zellkerne sind blau eingefärbt. Rechts: Dr. Doreen Thor. Fotos: Albert Ricken, Isabell Kaczmarek – Universität Leipzig

Die Forschungsteams konnten zeigen, dass der Rezeptor Latrophilin-1 sowohl in den Hirnregionen, die das Essverhalten steuern, als auch im Fettgewebe vorhanden ist. Mäuse, denen dieser Rezeptor fehlt, zeigten in der Studie eine erhöhte Nahrungsaufnahme und eine verringerte körperliche Aktivität. Obwohl die Jungtiere zunächst Normalgewicht aufwiesen, entwickelten sie im Laufe weiterer vier Monate ein signifikantes Übergewicht, begleitet von bekannten Folgeerkrankungen der Adipositas wie Fettleber und Diabetes mellitus.

Rezeptor-Variante

Zusätzlich identifizierten die Forschenden eine Rezeptor-Variante von Latrophilin-1 in den Sequenzierdaten einer Adipositas-Kohorte aus Leipzig. Diese Variante trat bei einer Patientin mit Übergewicht auf und zeigte in Zellkulturtests eine eingeschränkte Funktionalität. Dies legt nahe, dass der Rezeptor nicht nur im Tiermodell, sondern auch beim Menschen für die Entwicklung von Adipositas relevant sein könnte.

Mehr zum Thema
➤ Welt-Adipositas-Tag: Stigmatisierung beenden und Menschen mit Adipositas besser versorgen

„Mit den Ergebnissen haben wir einen neuen Ansatz, um die Regulation der Nahrungsaufnahme und die Entwicklung von Adipositas besser zu verstehen“, sagt Prof. Dr. Simone Prömel, weitere Korrespondenzautorin der Publikation. Zukünftige Studien sollen klären, ob der Rezeptor als potenzieller pharmakologischer Ansatzpunkt dienen kann, um die Nahrungsaufnahme bei Übergewicht zu regulieren.



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien der Universität Leipzig

Beitrag teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 1 = 5

Aktuelle Beiträge aus den Rubriken

AID-Systeme für Kleinkinder mit Diabetes: Wann hat das Warten ein Ende?

AID-Systeme für Kleinkinder mit Diabetes: Wann hat das Warten ein Ende?

AID-Systeme, also technologische Hilfsmittel, die Insulin teilweise automatisiert verabreichen, sind ein Game-Changer in der Diabetes-Therapie. Für Kleinkinder mit Diabetes steht diese Technologie jedoch nur eingeschränkt zur Verfügung. Denn bislang sind für diese Altersgruppe nur wenige Systeme zugelassen oder praktikabel. Dabei ist gerade für diese Patientengruppe ein

Weiterlesen »
Hin und zurück – bis ans Ende der Dia-Welt – Glukosemessung – hier wird für Kontrolle gezahlt – AdobeStock_Artbesou

#52: Glukosemessung – hier wird für Kontrolle gezahlt

Glukosesensoren, auch CGM-Systeme genannt, können bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes – auch ohne Insulintherapie – den Verlauf positiv beeinflussen, da sie den Gewebezucker 24/7 messen und somit detaillierte Einblicke in den Tageszyklus geben. Das hat zum Vorteil, dass man ein rundum Monitoring hat und rechtzeitig eingreifen

Weiterlesen »
Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen
Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

⚓️ Jetzt AnkerLetter abonnieren 💌

Mit dem regelmäßigen gratis Newsletter gelangen die wichtigsten aktuellen Informationen für Menschen mit Typ-2-Diabetes automatisch in deinen Posteingang. Trage jetzt deine E-Mail-Adresse ein und verpasse keine wichtigen Nachrichten mehr. (Die Abmeldung ist jederzeit möglich über einen Link im Newsletter.)