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Das Zahnfleisch geht zurück, die bakterielle Entzündung greift den Kieferknochen an, die Zähne werden locker und fallen aus: Parodontitis, eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparats, ist bei Erwachsenen die häufigste Ursache für Zahnausfall. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes tritt sie sogar zwei- bis dreimal häufiger auf. Das neue Projekt „DigIn2Perio“ will diesen Teufelskreis durchbrechen.
Parodontitis (umgangssprachlich auch Parodontose genannt) und ein erhöhter Blutzuckerspiegel bei Diabetes gehen oft ein bedrohliches Wechselspiel ein. Dem will das Projekt „Digital Integrierte Versorgung von Diabetes mellitus Typ-2 und Parodontitis“ kurz „DigIn2Perio“ auf den Zahn fühlen. Unter der Leitung von Prof. Stefan Listl vom Universitätsklinikum Heidelberg setzen die Projektbeteiligten auf digitale Vernetzung haus- und zahnärztlicher Versorgung. Verbessert werden soll vor allem die Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit in der Regelversorgung der gesetzlichen Kassen. Das Projekt wird für vier Jahre mit rund 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) gefördert.
Aktuelle Studien zeigen: Patient*innen mit Typ-2-Diabetes erkranken zwei- bis dreimal häufiger an Parodontitis als die Allgemeinbevölkerung. Die gefährliche Entzündung des Zahnhalteapparats bleibt dennoch häufig unentdeckt. Besonders fatal ist, dass etwa ein dauerhafte erhöhter Blutzuckerspiegel nicht nur das Parodontitis-Risiko steigert, sondern gleichzeitig auch ein schnelleres Fortschreiten einer Parodontitis fördert – und umgekehrt. Durch die anhaltenden Entzündungen bei Parodontitis werden Botenstoffe in den Körper freigesetzt, die sich negativ auf den Blutzuckerspiegel auswirken. Dies steigert wiederum das Risiko für diabetische Komplikationen. Obwohl diese Wechselwirkungen längst bekannt sind, laufen Erkennung und Behandlung von Diabetes und Parodontitis in Deutschland meist getrennt voneinander ab.
Das Projekt DigIn2Perio stößt nun in diese Versorgungslücke hinein – mit einer neuen Versorgungsform an der Schnittstelle zwischen Human- und Zahnmedizin. In einem digital unterstützten Screening prüfen derzeit Hausärztinnen und Hausärzte, ob bei Menschen mit Typ-2-Diabetes der Verdacht auf Parodontitis besteht, während Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihre Parodontitis-Patientinnen und Patienten auf ein erhöhtes Diabetes-Risiko testen. Wird ein solcher Fall erkannt, folgt ein beratendes Arztgespräch und es wird per Überweisung eine Parodontitis- bzw. Diabetes-Versorgung veranlasst. Das Ergebnis des Screenings wird zum vereinfachten Datenaustausch in der elektronischen Patientenakte vermerkt.
Ob sich dieses Vorgehen zur systematischen Früherkennung eignet und inwieweit sich die Erkrankungslast bei Typ-2-Diabetes bzw. Parodontitis bessert, untersuchen die Projektbeteiligten in zwei parallelen Studien im Hausarzt- und Zahnarztsetting, in die rund 400 Praxen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingebunden sind. „Bei erhöhtem Risiko können eine elektronische Überweisung zur Mitbehandlung an die jeweilige Fachrichtung veranlasst sowie relevante Daten zu Behandlung und Therapie weitergeleitet werden“, erklärt Prof. Stefan Listl. „Für Patientinnen und Patienten kann dadurch eine zeitnahe Behandlung der jeweiligen Begleiterkrankung eingeleitet werden“.
Im Rahmen der „Heidelberger Studie“ wird geprüft, ob sich die neue Versorgungsform zur systematischen Früherkennung beider Erkrankungen eignet und inwieweit sie sich von der derzeitigen Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen unterscheidet. Dabei werden Faktoren wie Krankheitslast, Lebensqualität, Inanspruchnahme und die zahn- und hausärztliche Vergütung beurteilt. „Im Erfolgsfall könnte die digital integrierte Versorgung von Diabetes mellitus Typ-2 und Parodontitis in die Regelversorgung überführt werden“, ergänzt der Projektleiter. „Dadurch würde sie zu einer medizinischen Versorgung, die allen gesetzlich Versicherten zusteht.“
Konsortialpartner des Projekts „DigIn2Perio“ sind das aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, das Universitätsklinikum Bonn und das Universitätsklinikum Düsseldorf sowie die Techniker Krankenkasse. Als Kooperationspartner für digitale Anwendungen ist die Phellow Seven GmbH am Projekt beteiligt.
von Angela Monecke
mit Materialien des Universitätsklinkums Heidelberg und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)
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