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Ich wuchs auf einem umgebauten Bauernhof auf, mit einem großen Garten und unglaublich vielen Tieren. Meine Eltern waren sorgengeplagte „Workaholics“, was mich sozial ziemlich früh isolierte und einsam machte. Vom Typ her extrovertiert, wuchs ich nach innen gekehrt auf. Die Natur und stundenlange Dialoge, die ich mit allen Tieren um mich herum zu führen glaubte, waren mein Anker und sind mein Fundament.
Es dauerte nicht lange – ich glaube, ich war noch nicht einmal fünf –, da glaubte ich fest daran, mit meinen Tieren richtig „sprechen“ zu können und sie zu verstehen. Ich begrüßte sie mit gesenktem Blick, meine Nase stieß an ihre – ob Hund, Katze, Schweinchen, Meerschweinchen, Hase, Pferd, Kuh oder Esel.
Bei Hühnern, Gänsen, Truthähnen und dem Pfau war ich natürlich distanzierter. Ja, ich wusste mein „Territorium“ wertzuschätzen, ich vertraute meinen Instinkten, wann ich einem Tier näherkommen durfte und wann nicht. Ich sah es fast immer, wenn Tiere nervös oder sauer wurden, und ich weiß sie bis heute zu beruhigen.
Meine Eltern waren keine Bauern. Aus diesem Grund schlachteten wir auch nicht. Im Gegenteil: Wir hatten den Platz und weil ich mich gut und gewissenhaft um alles kümmerte, durfte ich von klein auf überall Tiere retten und mitnehmen, denen es nicht gut ging oder deren Ende bevorstand. Darunter war zum Beispiel einmal ein Esel, der einfach auf einem Müllberg abgestellt worden war. Ich weigerte mich, diesen Esel zurückzulassen, und setzte mich demonstrativ neben ihn auf den Müllberg. Mein Vater, dessen Nerven schon am Ende mit mir waren, ließ mich dort kurzzeitig sitzen und fuhr weg, um schließlich mit einem Anhänger zurückzukommen. Der Esel starrte mich lange an, als wir da alleine auf dem Müllberg verweilten – bis er sich schließlich neben mich legte. Sein Name wurde Pedro. Er erfüllte alle Sturheits-Kriterien, aber er liebte und beschützte mich seit diesem Tag, davon bin ich überzeugt. Einmal wurde ich von einem Hahn angegriffen, weil ich den Küken zu nah kam. Der Esel trat den Hahn so gewaltig weg, als dieser zuhacken wollte, dass dieser seinem Tritt erlag.
Heute mit knapp 40 Jahren bin ich mir sicher, dass es die Verbindung zu den Tieren war, die mich innerlich über zwei Jahrzehnte zusammengehalten hatte. Es war tröstend, sie um mich zu wissen. Es gab Tage, da spielten sie mit mir, an anderen ärgerten sie mich, doch sehr oft schenkten sie mir einfach Sicherheit, Vertrauen und Zuversicht.
Nur 1,5 Jahre, nachdem ich mein Elternhaus verlassen hatte und keinen Katalysator in Natur und Tier mehr hatte, erkrankte ich an Typ-1-Diabetes. War das Zufall?
Als ich von meiner Pilotenausbildung zurück nach Hause kam, wurde ich stürmisch von meinen Tieren begrüßt. Meine Katzen legten sich allesamt tröstend auf meinen Bauch – genauso wie an Tagen meiner Menstruation, wenn es mich vor Schmerzen zerriss. Ich war frisch erkrankt, hatte alle Perspektiven in meinem Leben verloren und konnte (und wollte) meine „Hypo“-Symptome noch nicht so gut einschätzen. Einmal „haute“ eine meiner Katzen ständig mit dem Pfötchen auf meine Nase. Sie hörte nicht auf, obwohl ich schlafen wollte. Es stellte sich heraus, dass sie mich auf eine „Hypo“ von 36 mg/dl (2,0 mmol/l) aufmerksam gemacht hatte. War das wieder Zufall?
Beweisen lässt sich all das (noch) nicht. Doch alle, die Diabetes haben, wissen, dass die Einstellung dieser Krankheit auch sehr stark von unserer mentalen Verfassung mitbestimmt wird. Tiere wirken, meiner Meinung nach, genau darauf ein.
Gehen wir davon aus, dass Tiere und Tierliebhaber einen unsichtbar nahen Zugang zueinander haben – eine Art „Interface“ (Schnittstelle). So kann ich mir vorstellen, dass Tiere über ihren Instinkt spüren können, wie es uns geht und ob irgendeine Abweichung zum „Normalzustand“ vorhanden ist.
Ungeschulte Tiere können uns bereits als liebevoller „Ausgleich“ helfen, wieder Kraft zu schöpfen und emotional wieder ins Lot zu kommen. Doch ausgebildete Tiere wie zum Beispiel die Diabetes-Hunde sind dadurch nicht nur wärmespendende Wegbegleiter, sondern sicherlich auch treue und engagierte Lebensretter.
Leider lebe ich heute in der Großstadt. Meine Vergangenheit verbietet mir innerlich, Tiere in einer Wohnung zu halten, denn ich möchte sie weitestgehend „freilebend“ wissen. Wären die Möglichkeiten gegeben, würde ich mich zutiefst freuen, einen Diabetes-Freund-Hund zu haben. Wie in jeder Beziehung, denke ich, müsste man einander erst einmal kennenlernen. Doch dann würde ich dem Hund vertrauen und wahrscheinlich wäre alleine basierend auf diesem instinktiven Vertrauen mein Sicherheitsgefühl so hoch, dass mein Blutzucker ausgeglichener und ruhiger wäre. Ist das nicht eine schöne Vorstellung?
Hier findet ihr die tierischen Helfer der #wirsindviele-Community!
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