50 Jahre Diabetes – was einem so alles wieder einfällt…

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50 Jahre Diabetes – was einem so alles wieder einfällt…

Heute, am 4. Februar, ist mein Diaversary – 50 Jahre Diabetes: Das ist eine ganz schön lange Zeit! Eigentlich plätschern die Diabetesjahre eher so dahin – aber wenn ich mir meine 5 Jahrzehnte mit dem Typ-1-Diabetes so durch den Kopf gehen lasse, fallen mir vor allem aus den ersten 20 Jahren ein paar Dinge ein, die die Entwicklung in der Diabetestherapie ein bisschen widerspiegeln – und manchmal den Diabetes für mich zu etwas sehr Positivem haben werden lassen. Natürlich sind es nur meine eigenen Erfahrungen, aber möglicherweise führt es auch bei dem einen oder der anderen zu Erinnerungen.

50 Jahre Typ-1-Diabetes
Quelle: Katrin Kraatz

So ein vernünftiges Kind…

Zum Beispiel erinnere ich mich an eine Episode aus meiner frühen Kindheit. Es war beim Kinderturnen, ich muss so im frühen Grundschulalter gewesen sein. Nach einer Turnstunde im Advent brachte unsere Trainerin jedem von uns einen von diesen Riesen-Schokoladenlebkuchen mit. Alle stürzten sich darauf – die sind ja auch total lecker, wie ich heute beurteilen kann. Damals aber galt für mich ein strenger Diätplan und absolutes Zuckerverbot, wie eben die Diabetestherapie war. Also verzichtete ich auf den schönen Lebkuchen und sagte meiner Trainerin, dass ich als Diabetikerin keinen essen dürfe. Das hatte vielleicht Auswirkungen… Sie selbst und inzwischen anwesende Eltern, die das mitbekommen hatten, lobten mich in höchsten Tönen, dass ich so vernünftig sei. Ich war unendlich stolz!

Enttäuscht vor halbleeren Tellern

Aber der Diätplan, der natürlich auch an strenge Zeiten gebunden war, brachte auch manche Enttäuschung. Während eines Wanderurlaubs waren wir zur Mittagessenszeit nicht in der Nähe eines Restaurants. Wir hatten Notrationen dabei, die mein Bruder, der auch Typ-1-Diabetes hat, und ich dann verspeisten – wir wollten und sollten ja nicht unterzuckern. Später im Restaurant saßen wir beide dann vor kohlenhydratfreien Gerichten, während der Rest der Familie richtig genießen konnte. Wir waren so enttäuscht…

Rechenkünstler

War ich zu einem Geburtstag bei einer Freundin eingeladen, brachte ich immer meinen eigenen Kuchen mit Fruchtzucker mit – was es zum Abendessen gab, konnte ich essen wie die anderen. Ich war bereits in der weiterführenden Schule, also 11 oder 12 Jahre alt, da war mal wieder so ein Geburtstag. Es war herrlich: Die Einladende war die Tochter des großen Kinobetreibers der Stadt und bei ihnen zu Hause gab es ein richtiges kleines Privatkino, in dem wir uns Filme ansahen. Wir fühlten uns vielleicht… Aber dann passierte etwas, was den Nachmittag für mich zusätzlich wertvoll machte: Es gab Abendessen (was, weiß ich leider nicht mehr) und ich begann, auszurechnen, wie viele Broteinheiten darin waren und wie viel ich essen durfte – der strenge Diätplan galt ja immer noch. Die anderen staunten über meine „Rechenkünste“ – eigentlich simpler Dreisatz – und meinten: „Ach, deshalb bist du so gut in Mathe!“

Armes Ohrläppchen!

Wieder ein paar Jahre später: Mein Bruder und ich waren gemeinsam zur „Neueinstellung“ unserer damals noch konventionellen Insulintherapie stationär in der Kinderklinik. Blutzuckermessungen waren schon für uns direkt möglich, nicht nur im Labor. Wir hatten unsere eigenen Stechhilfen mitgebracht, aber die Lanzetten reichten nicht – und in der Klinik hatten sie keine dafür. Was tun? Wir bekamen Einmal-Lanzetten: gepresster Stahl, der einen platten Griff hatte und eine ziemlich breite Spitze. Den Schwung fürs Stechen mussten wir selbst dosieren. Wir dachten, es sei eine gute Idee, wenn wir uns gegenseitig stechen, und zwar nicht in den Finger, sondern ins Ohrläppchen. Ich stach zuerst meinen Bruder – oder besser: Ich bohrte ihm, damit ich das kleine Ohrläppchen nicht verfehlte, langsam die dicke Lanzettenspitze hinein. Ich vermute, dass er mich heute dafür liebend gern noch verhauen würde… Danach stachen wir uns doch besser wieder jeder selbst, in die Fingerbeere.

Aus der Klinik entlassen – und direkt unterzuckert

Diese Klinikepisode brachte noch ein anderes verrücktes, aus heutiger Sicht aber absolut nachvollziehbares Erlebnis. Wir hatten, als wir entlassen wurden, wieder jeder einen Plan mit festgelegten Insulindosen und Kohlenhydratmengen. Bewegung hatten wir so gut wie keine in dieser Zeit. Unsere Eltern holten uns aus der Klinik ab und wir wollten noch gemeinsam einkaufen gehen. Unsere Heimatstadt ist sehr bergig und der Weg zum Einkaufen führte direkt einen solchen Berg hinauf. Wir waren noch nicht einmal oben angekommen, schon waren wir beide komplett unterzuckert. Über den Wert dieser Neueinstellung haben wir uns schon Gedanken gemacht…

Das Treppenhaus hoch und runter

Es dauerte dann auch nicht mehr lange und wir gingen gemeinsam in die Klinik, diesmal zu den Erwachsenen, um auf eine intensivierte Insulintherapie umzusteigen. Es war das Universitätsklinikum der Stadt, also keine spezielle Diabetesklinik – aber es gab dort zu dieser Zeit vier echt gute Diabetologen. Die Umstellung klappte auch richtig gut, wir genossen die neuen Freiheiten. Aber wir kamen uns merkwürdig vor zwischen den vielen wirklich kranken Menschen deutlich höheren Alters. Und Bewegung war auch hier nicht vorgesehen – aber wir sorgten diesmal selbst dafür: Das Treppenhaus, an dem unsere Station lag, kannten wir bald von oben bis unten und zurück auswendig.

Pumpentherapie: Autsch!

Anfang der 1990er begann ich mit der Insulinpumpentherapie. Auch diese Umstellung erfolgte stationär, aber ausgesucht hatte ich mir dafür eine Diabetesklinik. Allerdings war es keine auf die Insulinpumpentherapie spezialisierte Klinik – ich war, neben einem zufällig zeitgleich schon länger eine Insulinpumpe benutzenden jungen Mann, eher ein Exot. Die reguläre Schulung brachte mir daher nicht viel, ich machte vieles allein – als Medizinstudentin klappte das gut. Manch pumpenspezifische Information bekam ich aber von eben diesem anderen Pumpenpatienten. An eine erinnere ich mich dabei besonders: Er betrieb Tanzsport und erzählte mir, dass einmal seine Tanzpartnerin im Katheter hängengeblieben sei und so die Kanüle aus der Haut gerissen war, was er als ziemlich schmerzhaft beschrieb. Das ist so der richtige Einstieg in eine solche Therapie… Zum Glück liegt mir Tanzen nicht so, das Risiko war also gering.

Diabetologie intensiv

Seitdem sind fast weitere 30 Jahre vergangen. Unendlich viel hat sich in dieser Zeit bezüglich der Diabetestherapie getan. Mich hat die Diabetologie in diesen Jahren intensiv begleitet, sie ist mein beruflicher Inhalt. Das hat den großen Vorteil, dass ich immer auf dem Laufenden bin – aber der Diabetes lässt mir so auch nie richtig eine Pause. Aber mir geht es trotz der 50 Jahre Typ-1-Diabetes gut – und ich hoffe, dass das auch die nächsten 50 Jahre so bleibt.


Über die Diabetes-Diagnose und die damit einhergehenden Jubiläen reden Ramona und Katharina auch in der aktuellen Podcast-Episode!

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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