4 Minuten
Im Jahr 1983 starteten die ersten 30 Gesundheitsfachkräfte in Düsseldorf ihre Weiterbildung auf dem Gebiet der Diabetes-Beratung, einem damals völlig neuen Berufsbild. Zehn Jahre später gründeten Diabetesberaterinnen und -berater der ersten Stunde mit dem VDBD ihren eigenen Berufsverband. Zwei der damaligen Pionierinnen erinnern sich an die Anfänge.
Dass eine gute Diabetesversorgung neben gut ausgebildeten und spezialisierten Diabetologinnen und Diabetologen auch intensive Patientenschulung, -beratung und -betreuung braucht, schwante vielen Mitgliedern des Ausschusses „Laienarbeit“ (später: „Schulung und Weiterbildung“) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) bereits in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren. Folglich erarbeiteten sie ein Lehrplan, mit dem Krankenpflegende und Diätassistentinnen und -assistent zu „Diabetesberater/-innen DDG“ weitergebildet werden sollten.
Bettina Brandner und Annegret Lütke Twenhöven gehörten zu den ersten 30 Gesundheitsfachkräften, die vor 40 Jahren am Universitätsklinikum Düsseldorf unter Federführung von Professor Dr. Michael Berger ihre Weiterbildung zur Diabetesberater/-innen DDG absolvierten. Sie sehen sich bis heute als Pionierinnen, die angetreten waren, um die Diabetesversorgung zu verbessern und mehr an den Bedürfnissen der Betroffenen auszurichten.
„Damals bestand die Diabetestherapie vor allem aus Verboten“, erinnert sich Brandner. Menschen mit Diabetes durften z.B. nicht eigenständig ihre Insulindosierung anpassen, „das geschah grundsätzlich stationär“. Blutzuckerteststreifen gab es nur für Privatpatient*innen, gesetzlich Versicherte mussten sich mit Urintests begnügen. „Und das Insulin hat man noch in Glaskolbenspritzen aufgezogen, die man nach Gebrauch ausgekocht hat“, erzählt sie weiter.
Twenhöven ergänzt: „Es war eine Zeit, in der noch darüber diskutiert wurde, ob man Menschen mit Dia-betes überhaupt zumuten kann, fünfmal am Tag den Blutzucker zu messen und alles selbst zu machen.“ Man hatte damals viel über die Betroffenen gesprochen statt mit ihnen, sagt sie. „Das hat sich zum Glück in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt, Menschen mit Diabetes haben mehr Selbstbewusstsein entwickelt“, meint sie. Daran sind auch die Diabetesberater/-innen der ersten Stunde nicht ganz unbeteiligt. „Anfangs hat man uns fertige Schulungsprogramme vorgelegt, die wir umsetzen mussten“, erzählt Twenhöven. Begriffe wie „Empowerment“ und „Selbstmanagement“ tauchten darin noch nicht auf. „Die Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes standen darin nicht unbedingt im Fokus.“
An welchen Stellschrauben im Behandlungsalltag gedreht werden muss, um die Betroffenen im Alltag mit ihrer Erkrankung besser unterstützen zukönnen, hatten die Diabetesberater/-innen aber oftmals besser im Blick als das ärztliche Personal. „Unsere Patienten haben uns schließlich eher mal ihr Herz ausgeschüttet als den Ärzten“, erklärt Brandner.
Mit ihrer eigenen professionellen Sicht der Dinge drangen Diabetesberater/-innen anfangs nur schwer in der Ärzteschaft durch. „Mir wurde mal an den Kopf geworfen, ich sei ja nur ‚paramedizinische Assistentin‘“, berichtet Brandner. Bei Fachkongressen erlebten sie und ihre Kolleginnen und Kollegen, dass die Ärzteschaft sich schlichtweg weigerte, Vorträge von Referentinnen oder Referenten ohne abgeschlossenes Medizinstudium anzuhören. „Beim Diabeteskongress 1984 in München gab es sogar Bestrebungen, unsere Teilnahme gänzlich zu verhindern“, erzählt sie weiter. Nur dem Einsatz von Professor Dr. Hellmut Mehnert, der sich an seiner Klinik in München-Schwabing seit jeher für die Schulung von Menschen mit Diabetes starkgemacht hatte, sei es zu verdanken gewesen, dass man den Diabetesberater/-innen dann doch Einlass gewährt hatte.
Rückblickend betrachtet, hatte der Widerstand, der den nicht-ärztlichen Diabetesprofis vielerorts entgegenschlug, auch etwas Gutes. Denn er spornte die Pionierinnen und Pionieren an, Netzwerke zu bilden, ihr Berufsbild klar zu strukturieren, ihre Ergebnisse zu evaluieren und Bedenkenträger mit Fachwissen zu überzeugen. Oder wie es Twenhöven formuliert: „Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und angepackt. Und wenn man uns vorn rausgeschmissen hat, sind wir hinten einfach wieder reingekommen.“
Bald war den Diabetesberater/-innen der ersten Generation klar, dass sie ihre Positionen nur mit einem eigenen Berufsverband würden vertreten können. Die Gründungsmitglieder des Verband der Diabetesberater/-innen in Deutschland e.V. (VDBD) wählten Twenhöven zu ihrer ersten Vorsitzenden.
Die erinnert sich gern an das Wir-Gefühl in den ersten Jahren der Verbandsarbeit zurück: „Wir haben viel gearbeitet, uns oft gefetzt, aber auch viel gelacht. Mein Wohnzimmer war damals auch VDBD-Geschäftsstelle. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, lagen dort immer meterweise Faxe herum.“ Ihre Kollegin Brandner war als Schatzmeisterin für die Finanzen zuständig. „Es war eine super Zeit“, sagt sie rückblickend, „man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie sehr wir uns reingehängt haben, um als Berufsbild Anerkennung zu finden.“
von Antje Thiel
2 Minuten
2 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen