„Arzneimittelkonto NRW“: ein (Medikamenten-)Überblick, der Leben rettet

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„Arzneimittelkonto NRW“: ein (Medikamenten-)Überblick, der Leben rettet

Tausende Todesopfer jährlich durch falsch eingenommene Arzneimittel, irrsinnig viele Krankenhauseinweisungen durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen oder Wechselwirkungen: Hier setzt das Projekt „Arzneimittelkonto NRW“ an. Ziel ist es, dass jeder, der am Behandlungsprozess beteiligt ist, einen Überblick erhält über die Gesamtmedikation: vor allem der Patient selbst, aber auch Hausarzt und Fachärzte, der Apotheker oder die Pflegeeinrichtung. Zu Wort kommen Teilnehmer des Projekts.

Falsch eingenommene Arzneimittel und -kombinationen fordern in Deutschland jedes Jahr über 25 000 Todesopfer. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die fehlende Kenntnis der Gesamtmedikation eines Patienten. Dazu zählen auch geschätzt 30 Prozent der Krankenhauseinweisungen durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen oder Wechselwirkungen.

Genau hier setzt das „Arzneimittelkonto NRW“ an: Ziel ist es, dass jeder, der am Behandlungsprozess beteiligt ist, einen Überblick über die Gesamtmedikation erhält: vor allem der Patient selbst, aber auch Hausarzt und Fachärzte, der Apotheker oder die Pflegeeinrichtung. Dies ist die Voraussetzung zum Erhöhen der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Professionsübergreifender Lösungsansatz

Das Arzneimittelkonto NRW ist ein vom Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördertes Projekt. Konzeption, Umsetzung und Betrieb verantwortet ein Konsortium mit fünf führenden Akteuren des Gesundheitswesens unter Führung des Unternehmens CompuGroup Medical.

Erstmals können in Deutschland mit dem Projekt Arzneimittelkonto NRW die verschiedenen Systeme der beteiligten Partner miteinander kommunizieren. So ist ein professionsübergreifender Lösungsansatz geschaffen. Der Patient muss dazu sein Einverständnis geben, und die Daten werden nach neuesten Vorgaben geschützt. Der Datenschutz wird also in der heute besten Möglichkeit garantiert. Sektorübergreifend werden aus der Arztpraxis, der Apotheke und aus der Pflege alle Arzneimitteldaten zentral in einem digitalen Konto zusammengeführt. So können Arzt und Apotheker einen übergreifenden Arzneimitteltherapie-Check zur Sicherheit des Patienten jederzeit machen.

Programm prüft jede Veränderung

Ein Checkprogramm prüft auf Wechselwirkungen, Kontraindikationen, Doppelverordnungen sowie auf die „PRISCUS-Liste“ (Liste von Arzneimitteln, die im Alter nicht oder nur begrenzt eingenommen werden sollten): bei jeder neuen ärztlichen Verordnung, jeder neuen Medikamentenabgabe in der Apotheke und bei jedem Medikament, das der Patient selbst über seine Mobile App hinzufügt hat. So können Fehler besser entdeckt und verhindert werden. Alle arbeiten mit und orientieren sich an einem einheitlichen, überprüften Medikamentenplan mit Informationen zu Dosierungen, Einnahmezeitpunkten und Besonderheiten.

Das Projekt ist in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens schon gestartet. Patienten, Pflegeheime, Arztpraxen und Apotheken haben sich abgestimmt, um dieses längst überfällige, innovative Konzept einer besseren Vernetzung zum Vorteil der Patienten praktisch auszuprobieren. Dies ist ein weiterer Baustein, um Erfahrungen zu sammeln für eine funktionierende Umsetzung einer digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen. Die Universität Bielefeld begleitet dieses Projekt und wertet es aus.

Hier nun Stimmen von Teilnehmern des Arzneimittelkontos NRW:

Das sagt …


… die Leiterin des Seniorenheims

Wir warten schon zu lange auf ein vernünftiges System zur Kommunikation mit Arzt und Apotheker. Viel zu viel Arbeitszeit geht verloren, weil wir ständig Anrufe machen müssen, um Fragen zum Medikamentenplan oder zu neuen Verordnungen zu klären.Der eine Arzt weiß nicht, was der andere verordnet hat. Die Apotheke macht die Medikamentenanalyse, das ist toll, aber fragt ständig bei uns nach, um Änderungen zu erfahren. Dass alle gleichzeitig auf einen Plan sehen können und ihn bearbeiten und überprüfen, ist ein Segen. Hoffentlich schließen sich bald viele Ärzte an.

Nihal Kacanlar, Leitung Städt. Seniorenheim Linn, Quartelkämpchen 52, 47809 Krefeld


… der Apotheker

Das Arzneimittelkonto ist eine gute Möglichkeit, alle Beteiligten am Medikationsprozess zeitnah auf denselben Stand zu bringen. Dies geschieht systematisch und automatisiert, also nicht aufwendig in einem eigenen Programm, auf Anfrage oder unstrukturiert. So kann ich als Apotheker direkt ­Unverträglichkeiten, ungewöhnliche Dosierungen oder Doppelverordnungen erkennen und eine Analyse und Bewertung sofort vornehmen und kommunizieren. Skeptisch im Sinne der Umsetzung macht mich nur, dass Voraussetzung ist, dass alle das System in gleicher Weise nutzen, pflegen und so keine Reibungsverluste entstehen. Es ist sicher eine interessante Aufgabe für die Apotheke, verantwortlich in eine digitale Umsetzung zur Sicherheit der Arzneimitteltherapie eingebunden zu sein.

Udo Fabri, Fachapotheker für geriatrische Pharmazie, Burg Apotheke, Hafenstr. 5, 47809 Krefeld, info@die-burgapotheke.de


… die Betroffene

Super, endlich einmal eine sinnvolle App neben dem ganzen Unsinn, den man täglich auf das Smartphone gespült bekommt. So eine Schnittstelle ist unbedingt nötig, Kommunikation der kurzen Wege, keine unnötigen Anrufe oder Besuche in der Praxis oder Apotheke. Wenn ich schnell einen Hustensaft brauche, kann direkt geprüft werden, was der mit meinen Medikamenten und dem Zuckerwert macht. Alle Ärzte und meine Apotheke können den Medikationsplan sehen, und ich muss nicht umständlich erklären, dass ich Typ-1-Diabetikerin mit einer bestimmten Versorgung bin, das erhöht die Sicherheit. Datenschutz muss natürlich gewährleistet sein, aber da mache ich mir keine Sorgen.

Sarah Becker, Typ-1-Diabetikerin, sar.becker@gmx.de


… der Hausarzt

Mich fasziniert die Echtzeitdarstellung bei diesem Konzept eines gemeinsamen Arzneimittelkontos. Verschreibungen verschiedener Ärzte, der Eintrag einer Selbstmedikation oder Änderungen der Dokumentation in einem Seniorenheim sehe ich zeitgleich und kann sie in meine Überlegungen zur Therapie einbeziehen. So werden ärgerliche und unverständliche Kommunikationslücken geschlossen. Jeder hat den Blick auf den vollständigen Medikationsplan. Ich verstehe sehr wohl den Wunsch nach bestmöglichem Datenschutz. Ich habe aber überhaupt kein Verständnis, wenn dies Prozesse und praktische Umsetzungen so langsam und schwerfällig macht, dass auf der Hand liegende Vorteile für den Patienten und seine Sicherheit nicht nutzbar gemacht werden.

Dr. med. Christian Einfalt, Arzt für Allgemeinmedizin, Innere Medizin und Kardiologie, palliative Grundversorgung, Notfallmedizin, Danziger Platz 7, 47809 Krefeld, info@hausarztpraxis-linn.de


Schwerpunkt „Digitale Helfer nutzen und mitgestalten“

von Martina Löher
Projekt-Managerin, Arzneimittelkonto NRW
CompuGroup Medical Managementgesellschaft mbH
Schlaraffiastraße 1, 44867 Bochum

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (10) Seite 26-28

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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