- Behandlung
Die richtige Basalrate finden und überprüfen
5 Minuten

Insulin und Typ-1-Diabetes: Von Mensch zu Mensch ist der Insulinbedarf unterschiedlich. Auch die Lebensumstände wechseln; also ist es ab und an erforderlich, seine Insulintherapie zu überprüfen – hinsichtlich der Dosis und der Verteilung des Mahlzeiten- und des Basalinsulins.
Typ-1-Diabetiker haben einen absoluten bzw. nahezu kompletten Insulinmangel – der bedingt, dass man sofort und lebenslänglich Insulin spritzen muss. Die Kunst der optimalen Insulintherapie besteht hier letztendlich darin, lebenslänglich die tagesrhythmischen Schwankungen des Blutzuckers möglichst gering zu halten – und dabei schwere Unterzuckerungen (Hypoglykämien) oder Entgleisungen nach oben (ketoazidotisches Koma) zu vermeiden.
Und das trotz täglicher Änderungen der Ernährung, der körperlichen Aktivität, Besonderheiten wie Fieber, Trauer oder Entspannung.
Der Insulinbedarf eines Diabetikers ist individuell sehr unterschiedlich, auch die Lebensumstände können stets wechseln; also ist es von Zeit zu Zeit erforderlich, die durchgeführte (meist) intensivierte Insulintherapie (ICT) zu überprüfen – hinsichtlich der Dosis und der Verteilung von Mahlzeiten- und Basalinsulin. Die ICT hat sich bewährt als Standardtherapie der Typ-1-Diabetiker.
ICT: die Grundlagen
Der basale Insulinbedarf ist der Bedarf, der nahrungsunabhängig dafür sorgt, die Blutglukosekonzentration in sehr engen Grenzen zu halten – d. h. dass ein Gleichgewicht zwischen Glukoseverbrauch und der Produktion (Nachlieferung) in der Leber herrscht.
Die basale Insulinabgabe eines gesunden Menschen im nüchternen Zustand beträgt ca. 1 Einheit Insulin pro Stunde. Dadurch wird in der Regel der Grundbedarf des Organismus abgedeckt. Insgesamt werden pro Tag etwa 40 bis 50 Einheiten bei einem erwachsenen Menschen an Insulin produziert, das entspricht etwa 0,6 bis 1 Einheiten Insulin pro kg Körpergewicht.
Schwankungen tagsüber
Der Insulinbedarf beträgt morgens etwa 1,2 bis 1,4 Einheiten Insulin pro Stunde, ist also deutlich höher als mittags – ein Phänomen, das man als Dawn-Phänomen (“Morgenröte-Phänomen”) bezeichnet. Man braucht morgens mehr Insulin, um den Blutzucker im Normbereich zu halten. Nicht ganz so hoch ist der Insulinbedarf gegen Abend (Dusk-Phänomen oder “Abendröte-Phänomen”). Am geringsten ist der Insulinbedarf gegen 12 Uhr und gegen Mitternacht: etwa 0,6 bis 0,8 Einheiten Insulin pro Stunde.
Die Menschen sind also gegen 12 und gegen 24 Uhr besonders insulinempfindlich. Sie brauchen weniger Insulin, sie sind deshalb besonders unterzuckerungsgefährdet. Außerdem wird die basale Insulinversorgung gesenkt bei Sport/Bewegung; umgekehrt heißt das, dass bei Bewegung weniger Insulin benötigt wird, weil die Muskulatur besser Zucker verbrennt.
Insulinbedarf und -wirkung
Die Insulinwirkung eines Betroffenen kann innerhalb weniger Tage um bis zu 25 Prozent schwanken – abhängig vom Insulinpräparat, von der Insulindosis, dem Insulininjektionsort, der Nadellänge und der Art der Injektion sowie der individuellen Resorption (Aufnahme des Insulins aus der Haut). Vor allem der Injektionsort beeinflusst die Insulinaufnahme aus der Haut stark. Verantwortlich dafür sind unterschiedliche Durchblutungsverhältnisse der subkutanen Haut und des unterschiedlichen Resorptions-Charakters des Insulins.
ICT: die Dosisfindung
Die ICT orientiert sich an der Insulinsekretion des Gesunden und trennt mahlzeitenbezogenes (prandiales) Insulin von basalem Insulin, das auch ohne Nahrungsaufnahme zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels notwendig ist. Der Basalinsulinbedarf beträgt etwa 40 bis 50 Prozent des Tagesinsulinbedarfs, in der Regel also etwa 1 Einheit Insulin pro Stunde. Der Rest entfällt auf mahlzeitenbezogenes Insulin, speziell auf das Insulin für die gegessenen Kohlenhydrate.
Die Basalrate finden
Bei der Verwendung des Langzeit-Analoginsulins Insulin glargin (Handelsname: Lantus) ist meist nur eine Einmalgabe täglich erforderlich. Üblicherweise wird es abends zwischen 18 und 22 Uhr unter die Haut (subkutan, kurz: s. c.) in den Oberschenkel oder Bauch injiziert. Die richtige Dosis wird anhand der Blutzuckerwerte vor dem Schlafengehen und am nächsten Morgen nüchtern ermittelt (Basalprofil über Nacht).
Bei der Verwendung von NPH-Insulin (humanes Insulin) mit deutlich kürzerer Wirkdauer im Vergleich zu Lantus wird etwa die Hälfte der Gesamtmenge spätabends vor dem Schlafengehen gespritzt (22 bis 23 Uhr, s. c. in den Oberschenkel), die zweite Hälfte für den Tag wird meist als Einmalgabe morgens verabreicht.
Achtung bei NPH-Insulin!
Dies hat jedoch den Nachteil, dass das Wirkmaximum dieses Insulins gegen Mittag besteht – einer Zeit, in der der tägliche Insulinbedarf beim Menschen eher gering ist. So besteht hier eher die Gefahr einer Unterzuckerung. In Einzelfällen kann es daher sinnvoll sein, kleinere Dosen von NPH-Insulin mehrmals täglich zu spritzen.
Aufgrund des Wirkmaximums des NPH-Insulins nach 4 bis 6 Stunden besteht die Gefahr nächtlicher Unterzuckerungen – besonders dann, wenn das NPH-Insulin bereits vor 22 Uhr gegeben wird (z. B. um 18 Uhr zum Abendessen).
Nächste Seite: Analoginsulin vermindert nächtliche Unterzuckerungen und ein Fastentest kann Aufschluss über unpassende Basalraten geben geben.
Alternative: Analoginsulin
Als Alternative bietet sich hier das Analoginsulin Insulin detemir (Handelsname Levemir) an, das im Vergleich zum NPH–Insulin kein so starkes Wirkmaximum nachts hat und deswegen auch schon gegen 20 bis 21 Uhr injiziert werden kann – ohne eine zusätzliche Gefahr der Hypoglykämie in der Nacht (wichtig für Früh-zu-Bett-Geher!).
Ich rate daher, durch nächtliche Blutzuckermessungen gelegentlich die Abenddosis zu überprüfen, um einen Zuckerabfall gegen 2 bis 3 Uhr rechtzeitig zu erkennen und dann die Dosis zu reduzieren.
Der Blutzuckerwert vor dem Schlafengehen soll durch das Basalinsulin bis zum nächsten Morgen nur gehalten werden – das Basalinsulin dient nicht dazu, erhöhte Blutzuckerwerte vor dem Schlafengehen in der Nacht zu senken. Ansonsten besteht Unterzuckerungsgefahr nachts: vor allem nach Alkoholgenuss, nach spätabendlichem Sport oder anderweitiger Ertüchtigung.
Die ursprünglich häufig empfohlene zweimalige Gabe von Insulin detemir zur Basalratenabdeckung bei Typ-1-Diabetikern ist meist nicht notwendig. Unsere Erfahrung zeigt, dass im Rahmen der Basis-Bolus-Therapie die einmalige Gabe von Insulin detemir meist reicht.
Basalratentest: Mahlzeit auslassen
Gut eingestellte Typ-1-Diabetiker sollten gelegentlich die Basalrate überprüfen. Das ist zum Beispiel nach schweren Infektionen, nach Kortisongabe etc. oft erforderlich. Folgendes Vorgehen wird empfohlen: Zur Überprüfung der Basalinsulinversorgung eignet sich der Basalratentest. Es handelt sich um einen gezielten Mahlzeitenauslassversuch zu unterschiedlichen Tageszeiten.
Die Basalinsulindosis soll ja so bemessen sein, dass im Nüchternzustand ein stabiler Blutzucker gehalten wird; das Basalinsulin hat hauptsächlich die Aufgabe, die Zuckerneubildung und -ausschüttung aus der Leber zu steuern. Die Mahlzeitenauslassversuche, also Fastentests, werden an verschiedenen Tagen durchgeführt. Voraussetzung ist ein Nüchternblutzuckerwert zwischen 80 und 160 mg/dl (4,4 bis 8,9 mmol/l).
Andere Einflussfaktoren auf den Blutzuckerverlauf sollten ebenso ausgeschlossen sein, um einen Fastentest durchführen zu können: vermehrte körperliche Aktivität, Alkohol, Krankheit oder vorausgegangene schwere Unterzuckerungen. Auch sollte die Fastenperiode nicht zu lange sein: in der Regel maximal 4 Stunden, da die Leber sonst Zucker ausschüttet, somit den Blutzuckerverlauf und damit den Test verfälscht. Die verschiedenen Tagesabschnitte werden mit den Buchstaben A, B, C und D gekennzeichnet (s. Abb. 1).
Hinweise auf eine nicht passende Basalrate
Steigt im Rahmen des Fastentests bei einem Auslassen des Frühstücks z. B. der Blutzucker am Vormittag an, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Basalrate am Vormittag zu niedrig gewählt wurde. Fällt er aber ab, so ist die Insulindosis zu hoch – die Insulinmenge muss reduziert werden. Sollte sich beim Fastentest zeigen, dass die Basalratendosis verändert werden muss, wird dies in kleinen Schritten durchgeführt, z. B. in Größenordnungen von minus 10 Prozent der vorherigen Menge.
Hinweise auf eine nicht passende Basalrate sind bereits erhöhte Blutzuckerwerte im Nüchternzustand (morgens), vor den Hauptmahlzeiten bzw. vor dem Schlafengehen – und zwar vor allem dann, wenn die vorausgegangenen postprandialen Werte (1 bis 2 Stunden nach dem Essen) noch im Norm- und Zielbereich lagen.
Auch ein Patient, bei dem häufig Blutzuckerkorrekturen notwendig sind, zeigt damit, dass mit der Basalrate etwas nicht stimmt. Diese sollte immer zuerst überprüft werden – erst dann ist die Überprüfung der Faktoren für die gegessenen Kohlenhydrate, also der Insulinmenge pro BE/KE, vor den Hauptmahlzeiten sinnvoll.
Die Zusammenfassung
Die Überprüfung seiner eigenen Insulintherapie durch geeignete Basalratentests und anschließender erneuter Bestimmung der BE/KE-Faktoren ist von Zeit zu Zeit sinnvoll. Vor allem bei langjährigem Typ-1-Diabetes oder bei Krankheiten mit Fieber und bei Kortisongabe (wie bei Rheuma, Asthma), wenn der Blutzucker entgleist.
Durch die Überprüfung der Basalrate und einer späteren erneuten Berechnung der BE/KE-Faktoren kann eine gleichmäßigere Blutzuckereinstellung erreicht werden mit Optimierung des HbA1c – unter Vermeidung von schweren Unterzuckerungen.

Kontakt:
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 / 8 21-0
sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund), Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 /8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (10) Seite 42-45
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nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 1 Tag, 3 Stunden
Hallo guten Abend ☺️
Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.
Liebe Grüße, schönen Abend
Nina 🙂-
wolfgang65 antwortete vor 12 Stunden, 30 Minuten
Willkommen Nina, …
da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.
LG
Wolfgang
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swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 2 Tagen, 7 Stunden
Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.-
lena-schmidt antwortete vor 1 Tag, 11 Stunden
Hallo Dia-Newbie 🙂 Schön, dass du den Weg zum Diabetes Anker gefunden hast. Ich bin Lena, die Community-Managerin hier und bis sich ein paar Community-Mitglieder bei dir melden, kannst du die Zeit vielleicht mit diesem Artikel überbrücken (https://diabetes-anker.de/behandlung/behandlung-des-diabetes-diese-buecher-und-materialien-helfen-weiter/). Vielleicht findest du noch wichtige Infos für dich, um deinen Alltag zu vereinfachen. 🙂 Ansonsten findest du beim Diabetes-Anker auch fundiertes Wissen zum Thema ICT von Expert:innen aber auch von Menschen mit Diabetes…Viele Grüße Lena
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