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Wer Diabetes hat, weiß, dass Organe wie die Nieren erkranken können – bis zum vollständigen Funktionsverlust. Dann ist als Therapie entweder eine Dialyse möglich – oder eine Transplantation. Wie eine Organtransplantation geregelt ist und wie sie abläuft, erfahren Sie hier. Und warum man sich darüber auch Gedanken machen sollte, wenn die eigenen Organe (noch) gesund sind, wird klar, wenn man erfährt, wie viele Patienten auf ein Organ warten.
Funktioniert bei einem Staubsauger der Filter nicht mehr, tauscht man ihn einfach aus. Funktioniert der Filter eines Menschen nicht mehr, ist das nicht so einfach: Denn die Nieren, die in unserem Körper aus dem Blut alles herausfiltern, was schädlich ist, sodass wir es mit dem Urin ausscheiden können, lassen sich nicht einfach „ausbauen“ und durch neue ersetzen. In einer solchen Situation ist eine künstliche Blutwäsche (Dialyse) nötig – oder die Transplantation einer Niere, die die natürliche Blutwäsche wieder übernehmen kann.
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland nach dem Tod von Spendewilligen 1 524 Nieren gespendet. Gegenüber 2018 war das ein geringer Abfall, im Vergleich zu 2017 aber ein größerer Zuwachs. Demgegenüber erhielten in Deutschland 2 132 Patienten eine neue Niere, weil Organe grenzüberschreitend transplantiert werden können. Die Zuteilung erfolgt über die Stiftung Eurotransplant (siehe Kasten weiter unten). Die transplantierten Nieren stammten aber nicht alle von gestorbenen Spendern, 520 Nieren hatten Lebende gespendet.
Für Diabetiker spielen aber nicht nur die Nieren eine Rolle, auch gespendete Bauchspeicheldrüsen (Pankreata) sind wichtig, denn sie können entweder komplett transplantiert werden oder dienen als Quelle für insulinproduzierende Betazellen. Die Zahl der im Jahr 2019 gespendeten Bauchspeicheldrüsen lag bei 87, was ebenfalls ein leichter Rückgang gegenüber 2018 war, aber auch wieder ein größerer Zuwachs gegenüber 2017.
Transplantiert wurden im Jahr 2019 in Deutschland aber wiederum mehr, als hier gespendet worden waren, nämlich 94. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 932 Menschen, deren Organe nach ihrem Tod gespendet wurden; von ihnen standen 2 995 Organe zur Verfügung. Alle diese Zahlen stammen von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (der Koordinierungsstelle für Organspenden in Deutschland) und von Eurotransplant.
Patienten, die auf ein Organ warten, gibt es deutlich mehr, als Organe zur Verfügung stehen: Ende 2019 standen 7 148 transplantationsfähige Patienten auf der Warteliste für eine Nierentransplantation, 343 Patienten waren im vergangenen Jahr während des Wartens auf eine neue Niere gestorben. Bei den Bauchspeicheldrüsen war die Zahl der Wartenden deutlich geringer, Hauptindikation war hier der Typ-1-Diabetes. Die Transplantation der Bauchspeicheldrüse erfolgt oft gemeinsam mit einer Niere.
Ende 2019 standen für ein Pankreas 257 transplantationsfähige Patienten auf der Warteliste, 20 der wartenden Patienten starben in dieser Zeit.
Eine Organspende – von der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls als medizinische Voraussetzung für eine Organspende bis zur Transplantation – folgt einem immer gleichen Ablauf (siehe folgende Abbildung). Geregelt ist das alles im „Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben“, zu finden im Internet unter www.gesetze-im-internet.de.
Es beginnt damit, dass zwei Ärzte unabhängig voneinander nach strikt vorgegebenen Regeln den durchgehend intensivmedizinisch versorgten Patienten untersuchen, um festzustellen, ob die Gehirnfunktion vollständig erloschen und nicht wiederherstellbar ist. Anhand verschiedener Merkmale, z. B. fehlender Reflexe, lässt sich das bestimmen. Da einzelne dieser Merkmale auch z. B. durch Vergiftungen, bestimmte Medikamente oder Unterkühlung ausgelöst werden können, werden solche Ursachen ausdrücklich im ersten Schritt der Untersuchung mit abgefragt.
Ergänzend können, wenn erforderlich, technische Untersuchungen wie ein Elektroenzephalogramm (EEG; Erfassen der Hirnströme – die im Fall des Hirntods einer geraden Linie entsprechen) oder eine Gefäßdarstellung zum Beweis des nicht mehr vorhandenen Blutflusses im Gehirn durchgeführt werden. Erst wenn alle erforderlichen Untersuchungen eindeutig belegen, dass der Patient kein funktionierendes Gehirn mehr hat, also hirntot ist, könnte er als Organspender zur Verfügung stehen.
Wichtig ist dann, dass der Verstorbene zu Lebzeiten erklärt hat, dass er bereit ist, im Fall seines Todes seine Organe anderen Menschen zur Verfügung zu stellen, sie also zu spenden. Liegt eine solche Erklärung, z. B. in Form eines Organspenderausweises mit einem Kreuz bei „Ja“, nicht vor, werden die Angehörigen gefragt, ob aus ihrer Sicht der Verstorbene bereit gewesen wäre für eine Organspende und ob sie dem ebenfalls zustimmen.
Gibt es grünes Licht für die Organspende, sorgen die Ärzte weiter dafür, dass statt des Gehirns des Patienten, das nicht mehr arbeitet, Maschinen dafür sorgen, dass die Organe funktionieren – nur so können sie transplantiert werden. Jetzt wird die europäische Vermittlungsstelle für Organtransplantationen – Eurotransplant – informiert. Diese Institution koordiniert die Verteilung der zur Verfügung stehenden Organe nach den Richtlinien der Bundesärztekammer.
Wenn klar ist, dass ein Mensch als Organspender in Frage kommt, werden alle Organe untersucht, bei denen einer Entnahme zugestimmt wurde. Die zu transplantierenden Organe müssen spezielle Anforderungen erfüllen.
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation ist verantwortlich für die Koordinierung der postmortalen Organspende (Spende nach Eintreten des Hirntods) in Deutschland. Das Infotelefon Organspende beantwortet Fragen zur Organspende. Bei über 10 Prozent der Anfragen geht es darum, ob bestimmte Vorerkrankungen eine Organspende möglicherweise ausschließen. Die Krankheiten, die dabei am häufigsten genannt werden, sind Krebsleiden und Diabetes.
Bei Fragen und für die Bestellung von Organspendeausweisen oder Informationsmaterialien ist das Info-Telefon unter 08 00/9 04 04 00 oder per E-Mail unter infotelefon@organspende.de
erreichbar.
Mehr Informationen: www.dso.de
Stiftung Eurotransplant
Die Stiftung Eurotransplant ist verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in 8 Ländern in Europa nach medizinischen und ethischen Gesichtspunkten. Sie arbeitet eng mit den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen.
Mehr Informationen: www.eurotransplant.org/patients/deutschland
Um größte Sicherheit und Qualität in allen Phasen des Organspendeprozesses bis zur Transplantation zu gewährleisten, hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) auf Basis einer EU-Richtlinie Verfahrensanweisungen für die einzelnen zentralen Schritte der Organspende erstellt. Diese sollen unter anderem die gesundheitlichen Risiken durch das Beschreiben und Einhalten notwendiger Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Empfänger so gering wie möglich halten.
Die DSO veranlasst unter anderem spezielle Untersuchungen zum Beurteilen und Überprüfen der Organfunktion und zum Verhindern gesundheitlicher Risiken für die Organempfänger. Außerdem werden die Organe genau angesehen. Die Nieren z. B. werden u. a. danach beurteilt, ob Ablagerungen darin sind, Zysten oder ein Tumor. Bei der Bauchspeicheldrüse geht es bei dieser Untersuchung um Verkalkungen und auch um Zysten und einen Tumor.
Wenn ein Organ zur Transplantation geeignet ist, wird es operativ dem hirntoten Spender entnommen. Anschließend wird es in speziellen Behältern zu der Klinik gebracht, in der der Organempfänger das Organ operativ eingesetzt bekommen soll.
Nicht nur für die Spender, sondern auch für die Empfänger eines Organs ist alles genau geregelt. In den „Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung zur Nierentransplantation“ und den „Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung zur Pankreastransplantation“ der Bundesärztekammer wird genau festgelegt, welche Patienten auf die Warteliste für ein Organ gesetzt werden dürfen. Hierin werden Indikationen und Kontraindikationen beschrieben – denn nicht jedem, der ein neues Organ benötigt, nützt es auch.
Sehr wichtig dabei ist die Mitarbeit des jeweils Betroffenen, auch nach der Transplantation. So heißt es in den Richtlinien in Bezug auf die Vorbereitung eines Organempfängers: „Hierzu gehört auch die Aufklärung über die notwendige Immunsuppression mit den potentiellen Nebenwirkungen und Risiken sowie die Notwendigkeit von regelmäßigen Kontrolluntersuchungen.“ Denn ein transplantiertes Organ ist, auch wenn es von einem Menschen kommt, etwas Fremdes im neuen Körper. Dieses stellt für den Körper normalerweise eine Gefahr dar und er versucht, den Fremdkörper mit seinem Immunsystem zu vernichten.
Genau das soll aber mit einem transplantierten Organ nicht geschehen. Deshalb wird mit unterschiedlichen Medikamenten, die man Immunsuppressiva nennt, das Immunsystem gebremst bzw. unterdrückt. Das wiederum erhöht das Risiko, sich mit Krankheitserregern wie Viren, Bakterien und Pilzen anzustecken – was für die Patienten bedeutet, sich entsprechend vorsichtig verhalten zu müssen. Die Medikamente müssen Patienten mit einem transplantierten Organ lebenslang einnehmen.
Geregelt ist auch, wie der Zeitpunkt des Organempfangs festzulegen ist. Die Warteliste folgt nicht dem Eingangsdatum der Meldungen, sondern, so heißt es in den genannten Richtlinien: „Der Grad der Dringlichkeit richtet sich nach dem gesundheitlichen Schaden, der durch die Transplantation verhindert werden soll. Patienten, die ohne Transplantation unmittelbar vom Tod bedroht sind, werden bei der Organvermittlung vorrangig berücksichtigt.“
Eine Organspende folgt genauen Regeln, an die sich alle Beteiligten halten müssen. Um aber genügend Organe für die Patienten auf den Wartelisten zur Verfügung zu haben, werden mehr Organspender benötigt. Hier kann jeder aktiv werden – Organspendeausweise bekommt man zum Beispiel bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation!
von Dr. med. Katrin Kraatz |
Redaktion Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 14, 55130 Mainz Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90 E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de |
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (9) Seite 20-24
5 Minuten
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