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Das Herz ist ein großer Hohlmuskel, der seinen eigenen Rhythmus erzeugt. Dass dabei auch einmal etwas schiefgehen kann, ist klar. Was dabei passiert, wie man diese Störung behandelt und wie man vorbeugen kann, ist hier zu erfahren.
Unser Körper besteht aus mehr als 600 Muskeln, großen und kleinen. Der Herzmuskel ist aber der einzige Hohlmuskel und der einzige Muskel, der die elektrischen Impulse, die seine Muskelfasern reagieren lassen, selbst erzeugt. Er ist also unabhängig von Reizen aus dem Gehirn – das Herz bewegt sich selbst!
Die mehrere Millionen Herzmuskelzellen produzieren also ihren Strom selbst und leiten ihn an die anderen Zellen weiter, damit sich alle synchron zusammenziehen und wieder erschlaffen. Das Zusammenziehen nennt man Systole, das Erschlaffen Diastole. Beides betrifft den linken und rechten Vorhof des Herzens und die linke und rechte Kammer des Herzens. Das Zusammenziehen kann man als Herzschlag fühlen, als Pulsschlag. Das Herz schlägt etwa 60- bis 90-mal pro Minute, das sind etwa 100 000 Schläge am Tag und etwa 3 Milliarden Schläge in einem 80-jährigen Leben.
Die Beweise, dass das Herz aus eigener Kraft und eigenem Antrieb schlägt, sind schon sehr alt. Erbracht haben sie die Wissenschaftler Johann Purkinje (1787 bis 1869), Wilhelm His (1863 bis 1934) und Sunao Tawara (1873 bis 1952). Nach ihnen sind auch wichtige Teile des Systems der Strom-Erzeugung und des Strom-Leitungssystems im Herzen benannt.
Früh erkannte man auch schon, dass der dominierende rhythmische Impuls der Herzbewegung vom Sinusknoten im rechten Vorhof des Herzens ausgeht. Dieser Knoten bewirkt normalerweise einen regelmäßigen Herzrhythmus in Ruhe von etwa 60 Schlägen pro Minute, unter Belastung aber auch 100 und mehr Schlägen pro Minute. Beeinflussen – nicht steuern – lässt sich das Herz nur vom vegetativen Nervensystem, dass nicht unserem Willen unterliegt, mit dem Sympathikus und dem Parasympathikus:
Auf diesem Einfluss durch das autonome System beruht auch die Möglichkeit, den Sinusknoten durch Bewegung, autogenes Training, Aufregung, Stress, Trauer usw. zu beeinflussen.
Das Herz ist jedoch trotz dieses ausgeklügelten Systems von Reizbildung und Reizleitung sehr anfällig für Störungen. Ist die Durchblutung der Herzkranzgefäße gestört, kann ein Sauerstoff-Mangel entstehen, wodurch Gewebe im Herzmuskel absterben kann. Diese Erkrankung ist bekannt als koronare Herzkrankheit (KHK). Herzklappen können dadurch unter Umständen nicht mehr richtig ihrer Aufgabe nachkommen, weil Verengungen (Stenosen) der Klappen entstehen oder die Klappen nicht mehr richtig schließen (Klappen-Insuffizienz). Weitere zahlreiche Einflüsse von außen können die Funktion des Herzens beeinträchtigen. Dazu gehören insbesondere Übergewicht, Störungen des Fettstoffwechsels, Rauchen, hoher Alkohol- und Rauschmittel-Konsum, wenig Bewegung und Atem-Aussetzer im Schlaf (Schlaf-Apnoe-Syndrom).
Störungen des Herzrhythmus findet man nicht nur bei Herzkranken, sondern auch bei organisch Gesunden – selbst bei gesunden Sporttreibenden. Sie können auch durch eine unabhängig vom Herzen bedingte andere organische Erkrankung und auch durch psychische Störungen ausgelöst werden.
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste klinisch relevante Herzrhythmus-Störung insbesondere bei Menschen im höheren Alter: In der Altersgruppe der über 70-Jährigen ist jeder Zehnte davon betroffen. Laut Angaben des Kompetenznetzes Vorhofflimmern, das sich auf Daten von Krankenkassen beruft, leben in Deutschland etwa 2 Millionen Menschen mit Vorhofflimmern. Dabei ist in den letzten Jahren nach Angaben der Deutschen Herzstiftung eine deutliche Zunahme zu beobachten.
In den Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie empfehlen die Autoren ein gelegentliches EKG-Screening auf Vorhofflimmern bei Menschen im Alter über 65 Jahren. Dies gilt besonders für Menschen, die bereits einen Schlaganfall oder eine vorübergehende Durchblutungs-Störung des Gehirns hatten. Hier sollte das EKG ergänzt werden durch ein 24-Stunden- bzw. 3-Tage-EKG.
Vorhofflimmern betrifft zwar primär den Herzrhythmus, ist aber letztlich eine komplexe Erkrankung mit einem deutlich erhöhten Risiko, vorzeitig zu sterben, insbesondere durch Schlaganfälle. Vorhofflimmern führt zu häufigen Einweisungen ins Krankenhaus, vermindert die Lebensqualität und beeinträchtigt insbesondere auf längere Sicht auch die geistigen Fähigkeiten der Betroffenen.
Beim Vorhofflimmern ziehen sich die Vorhöfe des Herzens arrhythmisch zusammen, weil in den Vorhöfen unregelmäßige elektrische Erregungswellen kreisen. Diese führen dazu, dass sich die Vorhöfe etwa 120- bis 160-mal in der Minute zusammenziehen. Das wiederum führt zu einer Art “Schaukeln” der Vorhöfe. Zu spüren sein kann das durch unspezifische Beschwerden wie Atemnot, Schlafstörungen, Müdigkeit, unruhiges Gefühl, Herzrasen, oft auch nur Unwohlsein. In vielen Fällen bleibt es jedoch unerkannt, weil die Betroffenen nichts bemerken. Das Vorhofflimmern muss nicht chronisch bestehen, es kann auch anfallsartig auftreten – und es kann spontan wieder aufhören.
Im Unterschied zum lebensgefährlichen Kammerflimmern, bei dem die Herzkammern schnell und unregelmäßig schlagen und so das Blut nicht mehr adäquat in die Lunge und in den Blutkreislauf pumpen können, ist Vorhofflimmern nicht unmittelbar lebensbedrohlich. Es begünstigt jedoch das Auftreten von Blutgerinnseln (Thromben) im Gehirn, im Darm und in den Arterien der Beine. Außerdem kann langfristig eine Herzschwäche entstehen – wie umgekehrt eine Herzschwäche zu Vorhofflimmern führen kann.
Man unterscheidet Vorhofflimmern, das durch eine Schädigung der Herzklappen ausgelöst wird (valvuläres Vorhofflimmern), und Vorhofflimmern, das nicht durch eine Schädigung der Herzklappen bedingt ist (nicht valvuläres Vorhofflimmern).
Neben der Unterscheidung, ob die Herzklappen beteiligt sind, unterscheidet man drei Formen von Vorhofflimmern, die unterschiedlich beeinflussbar sind:
Dass sich Vorhofflimmern mit zunehmender Dauer oft nicht mehr beeinflussen lässt, liegt nach aktueller Forschung an einem zunehmenden Umbau der Wände des Muskels der Vorhöfe, das man als atriales Remodeling bezeichnet. Besonders tritt es im Bereich der Einmündung der Lungenvenen in den linken Vorhof auf – wo man es z. B. durch Veröden (Ablation) unterbinden kann. Dies bedeutet im Umkehrschluss: So früh wie möglich behandeln!
Screening-Untersuchungen mit EKG und Langzeit-EKG sollten, wie erwähnt, vor allem bei Menschen über 65 Jahren mit zusätzlichen Risikofaktoren durchgeführt werden. Möglichkeiten, die jede und jeder selbst nutzen kann, sind z. B. Blutdruck-Messgeräte, von denen viele auch den Puls anzeigen, Smartwatches, die eine kontinuierliche, regelmäßige Kontrolle über einen längeren Zeitraum ermöglichen, und “Rhythmus-Pflaster”, die zwei Wochen lang durch ein eingebautes EKG den Herzschlag aufzeichnen.
Bei anhaltenden Formen des Vorhofflimmerns versucht man, zunächst mit Medikamenten oder einem Elektroschock (Kardioversion) einen normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) wieder herbeizuführen. Ist das Vorhofflimmern dadurch nicht zu beheben und besteht es schon Jahre, besteht meist nur noch eine geringe Aussicht auf das Wiederherstellen eines regelmäßigen Sinusrhythmus. Bei etwa 8 Prozent aller Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern kommt es innerhalb eines Jahres zu einem permanenten Vorhofflimmern.
Bei der Therapie steht die Kontrolle der Herzfrequenz, die oft sehr hoch ist, im Vordergrund. Ziel ist eine Frequenz in Ruhe unter 110 Schlägen pro Minute. Hier kommen folgende Medikamenten-Gruppen (Auswahl) zum Einsatz:
Verschiebungen der Blutsalze spielen bei Herzrhythmus-Störungen eine wichtige Rolle. Elektrolyt-Lösungen mit Kalium und/oder Magnesium können als Versuch eingesetzt werden, um Rhythmus-Störungen positiv zu beeinflussen. Dies ist auch mit der Ernährung möglich. Ist die Nierenfunktion nicht eingeschränkt, kann die Zufuhr dieser beiden Blutsalze eine sinnvolle Maßnahme darstellen. Sie sollte aber immer mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten abgesprochen werden!
Eines der Hauptrisiken des Vorhofflimmerns ist der Schlaganfall. In Deutschland ereignet sich im Schnitt alle zehn Minuten ein Schlaganfall, der durch Vorhofflimmern verursacht wird. Von den Betroffenen bemerken es viele nicht einmal.
Das Risiko für einen Schlaganfall ist im Vergleich zu einem Menschen mit einem gleichmäßigen Rhythmus des Herzens (Sinusrhythmus) auf das 5-Fache erhöht – und die Sterblichkeit durch einen von Vorhofflimmern ausgelösten Schlaganfall ist besonders hoch. Nach einem Jahr lebt nur noch jeder Zweite.
Um die Blutgerinnung zu hemmen und so Schlaganfällen vorzubeugen, stehen heute an erster Stelle die nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK). Wirkstoffe sind z. B. Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban (siehe Tabelle oben). Grundsätzlich können Menschen mit Vorhofflimmern aber auch weiterhin mit Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar behandelt werden. Vitamin K spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung.
Zum Abschätzen des individuellen Schlaganfall-Risikos bei Vorhofflimmern benutzen Ärztinnen und Ärzte den CHA2DS2-VASc-Score, aus dem das Risiko durch verschiedene Faktoren abschätzbar ist (siehe oben). Bei Menschen mit Diabetes liegt in etwa 34 Prozent ein Vorhofflimmern vor, dieses Risiko ist 2- bis 4-mal so hoch wie bei Menschen ohne Diabetes. Liegen Diabetes und Vorhofflimmern gleichzeitig vor, ist die Langzeit-Prognose schlecht: Es treten mehr nicht tödliche und tödliche Herzerkrankungen auf.
Da etwa 80 Prozent aller Menschen mit Diabetes in Deutschland an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben, benötigen insbesondere diese eine intensive Kontrolle des Risikos und das rechtzeitige Entdecken des Vorhofflimmerns. Dies ist umso wichtiger, als heute zahlreiche Möglichkeiten existieren, Vorhofflimmern zu beheben oder, falls dies nicht möglich ist, das Risiko für einen Schlaganfall durch neue Medikamente zu reduzieren.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (10) Seite 32-37
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