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Oft tritt ein Typ-2-Diabetes in Kombination mit Übergewicht auf. Basis der Gewicht reduzieren, Medikamente: Moderne Therapie des Typ-2-Diabetes ist deshalb die Reduktion des erhöhten Gewichts – durch Bewegung und Umstellen der Ernährung. Reichen diese Maßnahmen nicht, sind Medikamente sinnvoll und erforderlich. Es gibt verschiedene Wirkstoff-Gruppen mit unterschiedlichen Effekten und Nebenwirkungen.
Die Häufigkeit des Typ-2-Diabetes steigt mit zunehmendem Körpergewicht an. Trotzdem entwickelt ein Großteil der Übergewichtigen keinen Diabetes. Gründe dafür sind, dass sie unter anderem weniger Fett in der Leber, eine normale Funktion des Fettgewebes und eine gute körperliche Leistungsfähigkeit aufweisen.
Verschiedene Maßnahmen zur Gewichtsreduktion wie bestimmte Medikamente und Operationen können das Risiko für einen Typ-2-Diabetes reduzieren. Die Gewichtsreduktion ist die wichtigste Maßnahme, um eine Remission eines Typ-2-Diabetes zu erreichen, also eine langfristige Normalisierung der Blutzuckerwerte.
Johanna M., 52 Jahre alt, Krankenschwester, hat seit sechs Jahren Typ-2-Diabetes. Wie sie weiß, ist ihr Übergewicht eine der Ursachen, aber auch ihre Oma hatte „Alterszucker“.
Johanna M. hat von Kolleginnen von der „neuen Abnehmspritze“ gehört, die bei Übergewichtigen mit Diabetes gegeben werden darf – und ihren Diabetologen darauf angesprochen. Das Weglassen von Süßigkeiten kombiniert mit gelegentlichen Spaziergängen hatte keinen wesentlichen Erfolg gebracht.
Nach sechs Monaten mit dem neuen Medikament hat sie tatsächlich schon 10 kg abgenommen. Als toll empfindet sie auch, dass sie keinen Heißhunger mehr auf Süßes hat und sich sowohl körperlich als auch psychisch deutlich besser fühlt. So hat sie sogar wieder Spaß an Bewegung wie Radfahren und Schwimmen.
Im Folgenden sollen die medikamentösen Möglichkeiten besprochen werden. Die neuen Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes berücksichtigen sowohl persönliche Einschränkungen von Fähigkeiten als auch die noch vorhandenen Möglichkeiten und Wünsche der Betroffenen. Behandlungsziele sollen gemeinsam zwischen Behandelnden und Betroffenen vereinbart werden. Diese sollen realistisch, erreichbar und messbar sein.
Dabei sollen besonders auch das Gewicht, das Risiko für Unterzuckerungen (Hypoglykämien), andere Nebenwirkungen und auch die Kosten berücksichtigt werden. Der aktuelle körperliche und psychische Zustand des jeweiligen Patienten und das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen im Vordergrund der Therapie-Entscheidungen.
Eine medikamentöse Stufen-Therapie bedeutet:
Metformin gehört zur Wirkstoffgruppe der Biguanide. Es ist vor allem wirksam bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und Übergewicht. Nebenwirkungen können Magen-Darm-Probleme wie Blähungen und Durchfall sein.
Metformin sollte bzw. darf nicht eingesetzt werden bei Zuständen mit ausgeprägtem Sauerstoffmangel (z. B. akute und chronische Herzinsuffizienz), schweren Leber-Erkrankungen, Situationen mit einer möglichen Übersäuerung des Körpers (z. B. Fasten, Operationen (Ausnahme: Notfall-Operation), Behandlung auf der Intensivstation, Schock) und Untersuchung mit Kontrastmittel. Bei Letzterem wird ein Unterbrechen der Therapie ab dem Untersuchungstag als ausreichend angesehen.
Der Einsatz von Metformin ist auch möglich bei einer mäßig eingeschränkten Nierenfunktion. Eine Reduktion der Dosis ist aber erforderlich.
Ein Abfall des Vitamin-B12-Spiegels im Blut bei langfristiger Einnahme von Metformin ist möglich. Bei Anzeichen eines Nervenschadens (Polyneuropathie) sollte deshalb Metformin als Ursache in Betracht gezogen werden.
Sulfonylharnstoffe werden seit Jahrzehnten in der Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes eingesetzt. Insbesondere wegen möglicher Nebenwirkungen am Herz-Kreislauf-System sind sie in den letzten Jahren in Kritik geraten.
In neueren Studien fanden sich im Vergleich zu anderen Blutzucker-senkenden Medikamenten (Antidiabetika) signifikant häufiger Unterzuckerungen und Herz-Kreislauf-Ereignisse. Auch die Sterblichkeit war höher. Eine große schottische Studie zeigte aktuell: Wenn der Sulfonylharnstoff als zweites Antidiabetikum nach Metformin eingesetzt wurde, bestand im Vergleich zu DPP-4-Hemmern und Pioglitazon (siehe unten) kein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse.
Aufgrund des erhöhten Risikos für Unterzuckerungen und der damit oft verbundenen erhöhten Nahrungsaufnahme sind und waren Sulfonylharnstoffe für Menschen mit Übergewicht nicht sinnvoll. Eine weitere Gewichtszunahme ist oft die Folge.
Pioglitazon ist gegenwärtig das einzige in Deutschland zugelassene Glitazon. Ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche und eventuell Blasenkrebs sowie Herzinfarkte hatten dazu geführt, dass bereits im Jahr 2010 Glitazone in Deutschland von der Verordnungsfähigkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen wurden, in den USA nicht. Da die Glitazone die Insulin-Empfindlichkeit im Körper verbessern, sind sie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und Übergewicht durchaus sinnvoll.
DPP-4-Hemmer verhindern den schnellen Abbau des Darmhormons (Inkretins) GLP-1 im Darm, das normalerweise vom Körper bereits nach ein bis zwei Minuten abgebaut wird. Durch das Hemmen bewirken DPP-4-Hemmer, dass GLP-1 länger seine positiven Wirkungen (siehe unten) entfalten kann. Sie sind besonders geeignet, wenn Metformin allein nicht mehr ausreicht oder es nicht mehr genommen werden kann oder darf.
Die Einnahme erfolgt unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Es gibt kaum Nebenwirkungen wie Schnupfen und Magen-Darm-Beschwerden. Gliptine erhöhen bei alleiniger Gabe nicht das Risiko für Unterzuckerungen.
SGLT-2-Hemmer senken sehr effektiv sowohl als Einzelsubstanz als auch in der Kombination mit anderen Antidiabetika einschließlich Insulin den Blutzucker. Sie wirken, indem sie dafür sorgen, dass bis zu 70 Gramm Glukose (Zucker) am Tag mit dem Urin ausgeschieden werden. SGLT-2-Hemmer senken also unabhängig von Insulin den Blutzucker.
Eine Gewichtsreduktion neben der Blutzuckersenkung ist die Folge. Unter anderem durch Verlust an Flüssigkeit und Blutsalzen sinkt auch der Blutdruck leicht und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Als Nebenwirkung kann es leicht vermehrt zu Scheiden-Infektionen durch Pilze bei Frauen und Penis-Entzündungen bei Männern kommen. Eine Übersäuerung des Körpers (Ketoazidose) unter SGLT-2-Hemmern ist grundsätzlich möglich, kommt aber sehr selten vor. Die Blutzuckerwerte sind in diesem Fall, anders als bei der Ketoazidose durch Mangel an Insulin, meist normal.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten ahmen die Wirkung des Darmhormons GLP-1 nach und bewirken unter anderem eine bei erhöhtem Blutzucker vermehrte Insulin-Produktion, ein reduziertes Ausschütten des Hormons Glukagon (Gegenspieler des Insulins), ein Verlangsamen der Verdauung und ein Senken des Appetits. Da die GLP-1-Rezeptor-Agonisten nur bei erhöhtem Blutzucker wirken, erhöhen sie das Risiko für Hypoglykämien nicht. Sie können mit Blutzucker-senkenden Tabletten und Insulin kombiniert werden.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten senken zum Teil sehr stark das Gewicht und sind hinsichtlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen positiv einzustufen. In der mit bis zu acht Jahren Beobachtung bisher längsten Studie zu GLP-1-Rezeptor-Agonisten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnte für den Wirkstoff Dulaglutid eine deutliche Reduktion von Herz-Kreislauf-Ereignissen erreicht werden – egal, ob entsprechende Vorerkrankungen bekannt waren oder nicht. Mögliche weitere Nebenwirkungen wie Erkrankungen des Augenhintergrunds (Retinopathie) werden aktuell kontrovers diskutiert, weitere Studien dazu sind erforderlich.
Der Wirkstoff Tirzepatid ist ein dualer Agonist von zwei Darmhormon-Rezeptoren, d. h. er bindet wie die Hormone GIP und GLP-1 an deren Rezeptoren im Darm und kann sie so aktivieren. Dadurch kommt es zu einer noch deutlicheren Senkung des Gewichts und des HbA1c als bei Verwendung des GLP-1-Rezeptor-Agonisten allein. Weitere Rezeptor-Agonisten, auch mit Bindung an drei Hormon-Rezeptoren (Dreifach-Agonisten, zusätzlich Glukagon-Rezeptoren), sind in Entwicklung.
Die neueren Darmhormon-Rezeptor-Agonisten stellen eine Bereicherung der Therapie des Typ-2-Diabetes dar. Regelmäßige Bewegung und ein grundlegendes Umstellen der Ernährung ist jedoch die Voraussetzung für einen anhaltenden Erfolg. Entscheidend bei der Auswahl der Therapie sind die individuellen Vorlieben bzw. Möglichkeiten der Menschen mit Diabetes. Eine individuelle Anpassung ist Leitlinien-gerecht und vor allem erfolgreich, wenn die Betroffenen von vornherein bei der Therapieplanung einbezogen werden.
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 72 (12) Seite 36-38
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