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Wer eine schlechte Blutzuckereinstellung hat, dem drohen Komplikationen. Im urologischen Bereich können dies Blasenentzündungen sein oder Harnblasenentleerungsstörungen sowie Sexualstörungen bei Mann und Frau.
Diabetes-Folgeerkrankungen im urologischen Bereich können akut als Blasenentzündung auftreten – oder bei langer Diabetesdauer und schlechten Blutzuckerwerten im Rahmen der autonomen Neuropathie; hier sind im Urogenitaltrakt zu nennen die Harnblasenentleerungsstörungen sowie Sexualstörungen bei Mann und Frau.
Im Alter kommt es aber auch so gehäuft zu Problemen im Urogenitaltrakt, bei Männern z. B. durch Erkrankungen der Prostata. Beschwerden des unteren Harntraktes werden auch als lower urinary tract symptoms bezeichnet (LUTS). Diese können eingeteilt werden in:
Irritative Miktionsbeschwerden: Das sind Beschwerden in Form einer Blasenüberaktivität; hierzu gehören das häufige Wasserlassen, Harndrang, vermehrtes nächtliches Wasserlassen und Schmerzen beim Wasserlassen.
Obstruktive Miktionsbeschwerden: Diese Beschwerden werden durch eine Harnabflussstörung hervorgerufen; hier kommt es zu einem abgeschwächten Harnstrahl (der manchmal abbricht), verzögertem Einsetzen des Wasserlassens, Nachträufeln, Pressen beim Wasserlassen, Restharngefühl und im Extremfall zum Harnverhalt.
Diese Beschwerden führen die Patienten am häufigsten zum Urologen. Es stellt sich dann immer die Frage: Hat diese der Diabetes ausgelöst? In der Wittener Diabeteserhebung wurden 4 071 Patienten mit Typ-2-Diabetes von Urologen und Hausärzten befragt. Die Patienten waren im Schnitt 67,4 Jahre alt und wogen im Mittel 82,2 kg.
LUTS stiegen an mit dem Alter, der Diabetesdauer und bestehenden weiteren Diabetes-Folgen – hier war bei den Männern die erektile Dysfunktion (ED, Impotenz) führend (61 Prozent der Befragten); weitere Komplikationen waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen (38 Prozent), die Polyneuropathie (29 Prozent) sowie Augen- und Nierenerkrankungen (25 bzw. 19 Prozent der Patienten).
Wie war der Zusammenhang zwischen LUTS und Diabetes? Hier hatten 66 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen entsprechende Beschwerden angegeben. Ohne Diabetes-Folgen gaben 32 Prozent LUTS an, mit mindestens einer Komplikation waren es 68 Prozent. Bei Männern waren die Beschwerden der überaktiven Blase führend: Sie führt zu häufigem Wasserlassen, im Schnitt 9-mal am Tag und 3-mal in der Nacht.
Bei Frauen war die Mischinkontinenz mit 45 Prozent das häufigste Ereignis (Männer: 15 Prozent): Bei der Mischinkontinenz haben Patienten eine Belastungs- oder Stressinkontinenz mit unwillkürlichem Urinabgang beim Husten, Niesen, Pressen und schweren Heben – und auch eine Dranginkontinenz; hier kommt es zu einem nicht unterdrückbaren Harndrang mit Urinabgang.
Bei Männern steht die ED im Vordergrund; sie nimmt mit dem Alter und der Diabetesdauer zu und kommt, verglichen mit Menschen ohne Diabetes, mehr als doppelt so oft vor. Vorzeitiger Samenerguss kann mit einer ED vergesellschaftet sein, ebenso eine retrograde Ejakulation: Hier gelangt der Samenerguss nicht in die Harnröhre und nach außen, sondern in die Harnblase.
Frauen klagen vor allem über Libidoverlust und Erregungsunfähigkeit; ein Drittel der Diabetikerinnen mit sexuellen Funktionsstörungen haben eine autonome diabetische Neuropathie.
All diesen Problemen ist gemeinsam: Es bestehen Auswirkungen auf das Arbeitsleben, Freizeitaktivitäten, natürlich auf das Sexualleben und allgemein auf die Lebensfreude. Patienten leugnen die Probleme häufig; man setzt sich nicht auseinander damit, die Beschwerden werden erklärt durch das Älterwerden. Die Suche nach professioneller Unterstützung unterbleibt.
Häufig entwickelt sich eine Depression. Auch fragen viele Ärzte nicht aktiv nach den Beschwerden und viele Patienten bekommen bei Nachfrage nicht die erforderliche Unterstützung.
Die ED kann neben der autonomen Neuropathie als Ursache auch das erste Zeichen einer Gefäßschädigung sein – also sollte man auch ein Ruhe- sowie ein Belastungs-EKG schreiben lassen. Weisen Sie Ihren Arzt darauf hin! Bei weiteren Risikofaktoren sollte eventuell auch eine Ultraschalluntersuchung des Herzens unter Belastung durchgeführt werden.
Nächste Seite: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Sexualstörungen und für wen ist welche Therapie geeignet?
Ergeben die Untersuchungen keinen Anhalt auf Herzprobleme, und liegen keine Gründe vor, die gegen die Einnahme von Medikamenten zur Behandlung der ED sprechen, können diese gut eingesetzt werden. Bisher sind drei Medikamente zur Behandlung der ED zugelassen und verfügbar, weitere befinden sich in der Zulassung.
Zur Wirkweise: Bei einer sexuellen Stimulierung wird über Nervenimpulse vom Gehirn und Rückenmark ein chemischer Botenstoff im Schwellkörper ausgeschüttet, der die Erektion erzeugt und aufrechterhält.
Bei Einnahme eines der ED-Medikamente wird dann der Abbau dieses freigesetzten Botenstoffes blockiert, so dass sich dieser im Schwellkörper anhäuft und damit die Erektion entstehen und aufrechterhalten werden kann. Dieser Wirkmechanismus erklärt auch, warum nicht alle Männer von der Einnahme dieser Medikamente profitieren:
Liegt als Ursache der ED eine schwere Neuropathie vor, bleibt der Nervenimpuls aus – es wird kein Botenstoff freigesetzt; und von etwas, was nicht vorhanden ist, können die ED-Medikamente den Abbau auch nicht verzögern: Sie wirken nicht. Dies ist bei etwa einem Drittel der Männer mit Diabetes der Fall.
Im klinischen Alltag werden jene Männer, die berichten, dass sie bei sexueller Stimulation keine Vergrößerung ihres Penis haben, eher schlecht auf diese Medikamente ansprechen; wer jedoch noch eine Resterektion hat oder ein vorzeitiges plötzliches Abbrechen der Erektion beklagt, wird eher von der Einnahme profitieren.
Es sollten mindestens 4 bis 6 Einnahmeversuche mit der höchsten Dosis stattgefunden haben, um sagen zu können, dass die Medikamente nicht wirken. Manche Männer profitieren auch von einem Wechsel des Medikamentes.
Das erste zugelassene Medikament war 1998 Viagra, 2003 folgten Cialis und Levitra. Alle drei gelten als gut erprobt und sicher. Die drei Medikamente sind in verschiedenen Dosierungen erhältlich. Viagra-Tabletten gibt es mit 25, 50 und 100 mg, Cialis und Levitra in 5-, 10- und 20-mg-Tabletten.
Aus den Zulassungsuntersuchungen weiß man, dass Männer mit Diabetes eher die hohen Dosen benötigen. Die Wirkung der Medikamente setzt nach ca. 30 Minuten ein und ist auf die sexuelle Stimulation angewiesen.
Die Wirkdauer liegt bei Viagra und Levitra bei ca. 6 Stunden, die von Cialis bei 24 bis 36 Stunden. Bei Viagra und Levitra werden die Aufnahme und damit auch die Wirkung eventuell durch die Mahlzeiten beeinflusst, insbesondere wenn diese sehr fettreich sind – Cialis wird weitgehend unbeeinflusst resorbiert.
Weiter kann bei sehr häufiger Einnahme von Cialis (ab 2-mal pro Woche) überlegt werden, ob man das Medikament nicht dauerhaft in der Dosis von 5 mg, bei guter Wirkung auch mit 2,5 mg täglich einnimmt. Hierdurch werden die sexuelle Aktivität und die erforderliche Medikamenteneinnahme wieder getrennt.
Die Erweiterung der Hirnhautgefäße als Nebeneffekt kann zu Kopfschmerzen führen (bei ca. 14 Prozent), die Erweiterung von anderen Körpergefäßen zu einer Blutdruckerniedrigung. Bei 4 bis 11 Prozent treten Gesichtsrötungen auf. Die Erschlaffung des Mageneinganges führt zu Sodbrennen, manchmal zu etwas Übelkeit (3 bis 10 Prozent). Bei Viagra werden Farbsehstörungen berichtet (5 Prozent), bei Cialis Rückenschmerzen (6 Prozent).
Kontraindiziert sind die Medikamente bei Patienten, die im letzten viertel bis halben Jahr einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben. Werden schon andere gefäßerweiternde Medikamente eingenommen wie Nitrate oder bestimmte Blutdrucksenker (Alpha-Blocker, z. B. Doxazosin), kann der Blutdruck zu stark abfallen.
Patienten mit schwerer Leber- und Nierenfunktionsstörung sollen die Medikamente ebenfalls nicht einnehmen. Schwer herzkranke Patienten, die schlecht belastbar sind, sollten ebenfalls von einer Einnahme absehen. Umgekehrt spricht bei Patienten, die eine Bypass-Operation oder Stent-Implantation am Herzen hatten, nichts gegen diese Medikamente, wenn die körperliche Belastbarkeit ausreichend für den Geschlechtsverkehr ist.
Die genannten Medikamente sind rezeptpflichtig und nicht erstattungsfähig, so dass sie meist auf einem grünen Rezept verordnet werden. Die kleinste Packung mit 4 Tabletten kostet zwischen 59,82 € (Viagra 100 mg) und 65,95 € (Cialis 20 mg). Die Medikamente sollten nur in der Apotheke gekauft werden.
Beim Kauf übers Internet droht Betrug mit wirkungslosen Medikamenten-Imitaten, im schlimmsten Fall bekommt man auch Tabletten mit giftigen Inhaltsstoffen.
Sollten die Medikamente bei Ihnen nicht wirken oder wegen Nebenwirkungen oder Kontraindikationen nicht eingenommen werden können, bleiben nur mechanische Hilfsmittel wie die Vakuumpumpentherapie, die SKAT-Therapie oder der Einbau einer hydraulischen Penisprothese.
Kontakt:
Diabetes Klinik Bad Mergentheim, E-Mail: Zink@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (3) Seite 22-25
5 Minuten
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