Hohes Cholesterin und seine Folgen

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Hohes Cholesterin und seine Folgen

Cholesterin ist keine per se schlechte, sondern eine lebenswichtige, fettähnliche Substanz. Das meiste Cholesterin, das wir benötigen, stellt unser Körper selbst her, der Rest wird über die Nahrung aufgenommen. Warum aber gilt Cholesterin vielen als gefährlich? Und wie können zu hohe Werte gesenkt werden?

Der Fall
Johannes K., 46 Jahre alt und Typ-2-Diabetiker, wurde mit starken Bauchschmerzen in die Klinik eingeliefert. Die Schmerzen kamen am Abend „aus heiterem Himmel“ nach einem üppigen, fettreichen Essen mit zusätzlich zwei Gläsern Wein und hielten über Stunden an. Johannes K. vermutete eine Art Gallenkolik.

In der Klinik verlegte man ihn nach der Anfangsuntersuchung und nach Vorliegen der Laborbefunde auf die internistische Intensivstation. Diagnose: frischer Herzinfarkt! Die Blutuntersuchungen bestätigten eine massive Erhöhung der Neutralfette (Triglyzeride), aber auch des LDL-Cholesterins. In der Koronarangiographie (Herzkatheter-Untersuchung) fand man sowohl einen Gefäßverschluss als auch viele Verkalkungen (Plaques).

Johannes K. ging es glücklicherweise nach einer Woche wieder gut. Eine strenge medikamentöse Einstellung insbesondere auch der Blutfette wurde für die Reha/AHB vorgesehen!

Die Auswertung eines großen amerikanischen Registers hat gezeigt: Nur bei etwa 30 Prozent aller Patienten mit einem Risiko für ernste Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die ein fettsenkendes Medikament (Statin, CSE-Hemmer) einnahmen, lagen die Cholesterinwerte im Zielbereich (nach den Leitlinien der Fachgesellschaften) – jeder fünfte Risikopatient erhielt keinen Fettsenker.

In vielen neueren Studien hat sich gezeigt, dass selbst nach einem Schlaganfall oder einer vorübergehenden Durchblutungsstörung des Gehirns (TIA) durch ein weiteres Senken der schon niedrigen Blutfettwerte auf einen LDL-Cholesterin-Wert unter 70 mg/dl selbst bei bisher schon guter Einstellung (LDL-Cholesterin 90 – 110 mg/dl) eine weitere Risiko-Reduktion um etwa 22 Prozent möglich ist! Motto: „Je niedriger, desto besser!“

Schnell erklärt
  • HDL: High Density Lipoprotein >> hohe Dichte der Fettpartikel
  • LDL: Low Density Lipoprotein >> geringe Dichte der Fettpartikel
  • VLDL: Very Low Densitiy Lipoprotein >> sehr geringe Dichte der Fettpartikel
  • CSE-Hemmer: Cholesterinsynthese-Hemmer (Statine)
  • PCSK9-Hemmer: „Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin 9“-Hemmer

Fettstoffwechselstörungen, insbesondere zu viel LDL-Cholesterin, sind einer der wesentlichen Risikofaktoren für Gefäßverkalkungen und damit für Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch für Durchblutungsstörungen der Beine und anderer Gefäße. Fettstoffwechselstörungen sind nach wie vor eine der Hauptursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für mehr als 360 000 Todesfälle in Deutschland verantwortlich.

Cholesterin-Normalwerte

Der Cholesterinspiegel eines Menschen liegt normalerweise unter 200 mg/dl (5,2 mmol/l). Das HDL-Cholesterin sollte über 40 mg/dl (1,0 mmol/l) liegen. Das LDL-Cholesterin sollte bei Menschen mit Typ-1-Diabetes unter 100 mg/dl (2,6 mmol/l), bei Typ-2-Diabetikern nach heutigen Erkenntnissen idealerweise sogar unter 70 mg/dl (1,8 mmol/l), die Triglyzeride unter 150 mg/dl (1,7 mmol/l).

Da Fette nicht wasserlöslich sind, muss auch Cholesterin, damit es im Blut transportiert werden kann, an wasserlösliche Eiweiße (Proteine) gekoppelt werden. Diese Lipoproteine werden dann im Labor entsprechend ihrer unterschiedlichen Dichte in VLDL-, LDL- und HDL-Lipoproteine unterteilt. Die VLDL-Partikel sind eine Vorstufe des LDL; das LDL-Cholesterin wird aufgrund seines großen Fettgehaltes auch als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet, das HDL-Cholesterin dagegen wegen seines geringeren Anteils an Fett als „gutes“ Cholesterin.

Erhöhte Cholesterinwerte findet man besonders bei:
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • auch bei Typ-1-Diabetes (bei dauerhaft zu hohen Glukosewerten/entgleistem Diabetes)
  • starkem Übergewicht (krankhaftes Übergewicht, Adipositas)
  • einer Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose)
  • bestimmten Lebererkrankungen
  • vererbten Fettstoffwechselstörungen (familiäre Hypercholesterinämie)

Sehr niedrige Cholesterinwerte findet man dagegen bei:

  • einer Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose)
  • einer Mangelernährung
  • schweren Leberschäden

Die für das Entstehen der Arteriosklerose so entscheidenden Fette sind hauptsächlich LDL-Cholesterine, die in den Gefäßwänden quasi abgelagert werden. Über Jahre werden diese Ablagerungen immer größer und bilden schließlich die arteriosklerotischen Plaques, oft Ausgangspunkt eines Herzinfarkts, Schlaganfalls oder von Durchblutungsstörungen der Beine.

Um das Risiko für eine schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankung zu ermitteln, werden verschiedene SCOREs (Systematic Coronary Risk Estimation) verwendet. Danach richtet sich auch, wie intensiv die Blutfette gesenkt werden sollten. Zusätzlich verwendet man heute auch moderne bildgebende Verfahren wie das Coronar-CT (Computertomogramm der Herzkranzarterien) und die Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Halsschlagadern und der Becken-Bein-Gefäße, durch die Verkalkungen der Gefäße (als Vorläufer von Stenosen) und Engstellen mit der Gefahr eines Verschlusses oder einer Embolie rechtzeitig festgestellt werden können.

Merke:
Wer früh (z. B. an Herzinfarkt oder Schlaganfall) verstorbene Angehörige hatte und extrem hohe LDL-Cholesterin-Werte hat, die trotz gesunder Ernährung und Bewegung nicht sinken, sollte an „familiäre Hypercholesterinämie“ denken und rechtzeitig handeln!

Darüber hinaus sollten Ärzte auch an die vererbte familiäre Hypercholesterinämie denken, die bei Männern vor dem 55. Lebensjahr die häufigste Ursache für einen Herzinfarkt bzw. plötzlichen Herztod ist. Menschen, die diese Erkrankung von beiden Eltern geerbt haben, entwickeln schon in der Kindheit eine Erkrankung der Herzkranzarterien und können daran versterben!

Ist die Anlage nur von einem Elternteil weitergegeben, steigt im Laufe des Lebens das LDL-Cholesterin langsam immer weiter an! Dies sollte rechtzeitig entdeckt und behandelt werden – deshalb ist auch die Krankengeschichte wichtig (z. B. ein früher Infarkt/Schlaganfall des Vaters/Großvaters oder der Mutter/Großmutter).

Lipoprotein (a)

Das Lipoprotein (a), ein LDL-Lipoprotein, ist ein Marker für ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (normaler Wert: unter 25 mg/dl). Die Höhe des Blutspiegels ist vererbt und lässt sich in der Regel durch Ernährung und Bewegung kaum beeinflussen. Nur mit den neueren PCSK9-Hemmern ist eine Reduktion der Konzentration des Lipoprotein (a) möglich. Wegen der Vererbung ist ein Beachten der Krankengeschichte (Anamnese) der Familie besonders wichtig!

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sind die Spiegel des Lipoprotein (a) nicht per se erhöht, man findet aber häufig bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und einer diabetischen Nephropathie erhöhte Blutspiegel des Lipoprotein (a), die möglicherweise für sie ein höheres Risiko darstellen. Durch Tabletten kann das Lipoprotein (a) kaum beeinflusst werden. Neue, demnächst verfügbare Medikamente (Antisense-Oligonukleotide) können das Risiko wohl um bis zu 90 Prozent senken.

Nichtmedikamentöse Basistherapie

Bei Diabetes ist besonders wichtig:

  • Optimieren der Blutzuckerwerte,
  • regelmäßige körperliche Aktivität,
  • Gewichtsreduktion bei gleichzeitiger Änderung der Ernährung (mehr Ballaststoffe, weniger Kalorien),
  • Rauch-Stopp,
  • keine größeren Mengen Alkohol.

Außerdem gilt: Eine Gewichtsreduktion von etwa 10 Prozent kann zu einer massiven Verbesserung der Fettstoffwechselstörung führen.

Ernährungsempfehlungen
  • hoher Anteil einfach ungesättigter Fettsäuren
  • niedriger Anteil von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin
  • Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl eher günstig
  • Alkoholkonsum minimieren, max. 1 – 2 Gläser Bier oder Wein pro Tag
  • dazu: regelmäßige Bewegung

Medikamentöse Therapie

Durch CSE-Hemmer (meist Statine, insbesondere bei schon vorhandenen Gefäßschäden) lässt sich das Risiko für eine koronare Herzkrankheit um etwa ein Drittel senken. Nach den aktuellen Empfehlungen sollte bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die als Hochrisikopatienten gelten, das LDL-Cholesterin auf unter 70 mg/dl, bei Typ-1-Diabetikern auf unter 100 mg/dl gesenkt werden.

Mit der Hemmung der Bildung von Fett in der Leber wird jedoch häufig gleichzeitig die Aufnahme von Fett aus dem Darm gesteigert und umgekehrt. Deshalb werden heutzutage in der Regel zwei Medikamente, nämlich ein Fettsenker (z. B. Atorvastatin, Simvastatin, Rosuvastatin) und ein Hemmer für die Resorption aus dem Darm (z. B. Ezetimib) eingesetzt. Fibrate sind bei einer isolierten Erhöhung der Neutralfette manchmal sinnvoll, aber die Kombination mit CSE-Hemmern kann problematisch werden.

Im Februar 2020 wurden neue Medikamente zum Senken des LDL-Cholesterins in Deutschland zugelassen: die Präparate Nilemdo (Bempedoinsäure) und Nustendi (Kombination von Bempedoinsäure mit Ezetimib). Die Bempedoinsäure hemmt ein Enzym in der Leber und senkt so die Cholesterin-Bildung. Dadurch können vor allem die manchmal auftretenden und sehr unangenehmen „Muskelschmerzen“ unter Statinen weitgehend verhindert werden. Es kann zusätzlich oder an deren Stelle gegeben werden.

Ein weiteres Medikament, das wohl bald zur Verfügung stehen wird, greift am Enzym PCSK9 in der Leber an (Inclisiran) und senkt die Blutfette wohl dauerhaft um bis zu 50 Prozent; es muss zweimal im Jahr gespritzt werden.

Wichtig zu wissen

Gerade Menschen mit Diabetes sind von schwerwiegenden Komplikationen am Herz-Kreislauf-System überdurchschnittlich betroffen. Wenn Fettstoffwechselstörungen zusätzlich entdeckt werden, sollten diese rasch und konsequent behandelt werden; neuere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen stehen dafür zur Verfügung. Nutzen Sie sie!


Autor:

Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologe, Diabetologe und Sozialmediziner
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik
Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (11) Seite 38-40

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