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Am 14. November wird jährlich der Weltdiabetestag begangen. Ein Tag, der zur Aufklärung beitragen und das Bewusstsein für die vielen verschiedenen Formen des Diabetes und die Menschen mit dieser Stoffwechselstörung schaffen soll. Der 14. November ist der Tag, an dem 1891 der Kanadier Frederick Banting geboren wurde. Er sollte schon im Alter von 32 Jahren den Nobelpreis für Medizin (1923) erhalten.
Der junge Arzt schaffte es in seinen Experimenten erstmals, Insulin zu isolieren. Er extrahierte dafür die Flüssigkeit aus tierischen Bauchspeicheldrüsen. Dies war die Grundlage, um das Hormon besser verstehen und es schließlich als Medikament denjenigen verabreichen zu können, denen dieser lebenswichtige Stoff fehlt. Dass ich diese Zeilen nach 22 Jahren Diabetes schreiben kann, ist nur durch seine Forschungsergebnisse möglich.
Banting ist jedoch nicht der einzige, dem wir Typ-1-Diabetiker unser Leben und mittlerweile auch eine hohe Lebensqualität verdanken. Zum Weltdiabetestag 2018 möchte ich ein Dankeschön an weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulieren, die leider eher in Vergessenheit geraten sind, aber ebenso Meilensteine der Diabetes-Forschung erarbeitet haben.
In der Forschung arbeitet selten jemand alleine. Hinter bahnbrechenden Erkentnissen stehen meist viele Frauen und Männer, die eine lange Strecke zurücklegen mussten. Wissenschaft und Fortschritt sind sehr mühselige und langwierige Prozesse, die einem selten Ruhm einbringen.
Banting erhielt den Nobelpreis beispielsweise zusammen mit John James Rickard Macleod (1876-1935). Er war der Leiter der Medizinischen Fakultät und gar nicht so sehr an den Experimenten beteiligt. Dieser Name wird ab und zu noch im Zusammenhang mit der Ehrung genannt. Er brachte als Physiologe das biochemische Know-How in das Team.
Zwei Wissenschaftler, die ebenfalls an der Isolierung des Insulins beteiligt waren, gingen jedoch leer aus. Das wurde zur damaligen Zeit auch kritisch diskutiert. Charles Best (1899-1978) war noch Student und stieß als Assistent zum Team. Bis heute sind die studentischen Hilfskräfte und Nachwuchswissenschaftler jedoch diejenigen, die die meiste – und oft auch anstrengendste – Arbeit leisten.
Studenten und Doktoranden führen meist die langwierigen Experimente durch und machen oft die „Drecksarbeit“. Aufgrund der Hierarchien werden sie aber dann oft bei den Veröffentlichungen vergessen. Auch Charles Best ereilte dieses Schicksal.
James Collip (1892-1965) gehörte ebenfalls zu der Forschergruppe, die erstmals das Insulin isolierte. Ohne ihn wäre es jedoch nicht so schnell zu einer Variante des Extrakts gekommen, das als Medikament geeignet gewesen wäre.
Banting und Best schafften es nicht, eine ausreichend reine Form der Flüssigkeit herzustellen, in der das Insulin enthalten ist. Etwa einen Monat nachdem Collip Teil des Teams geworden war, schaffte er schon den Durchbruch. Sein reinerer Extrakt hatte nicht mehr so viele Nebenwirkungen wie der von Banting. So kam man den entscheidenden Schritt näher an die praktische Anwendung.
Nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verhalfen uns zum Fortschritt. Gerade in der Medizin ist man auf mutige Menschen angewiesen, die an den wissenschaftlichen Fortschritt glauben und Risiken eingehen. Sie stellen sich für Studien und Experimente zur Verfügung.
Heute gibt es strenge Auflagen und die Risiken sind minimiert. Vor 100 Jahren sah dies noch anders aus. Banting und sein Team hatten zu dem Zeitpunkt das Insulin-Extrakt nur an Hunden getestet, denen sie die Bauchspeicheldrüse entfernt hatten. Der erste Patient, der die lebensrettende Flüssigkeit bekam, war Lennard Thompson. Diabetes war zu dem Zeitpunkt ein Todesurteil. Innerhalb von 6 bis 12 Monaten verstarben die Patientinnen und Patienten. Thompson hatte also nichts zu verlieren.
Aber die kanadischen Wissenschaftler waren gar nicht die ersten, die Insulin isoliert haben. Der rumänische Physiologe Nicolae Paulescu (1869-1931) stellte bereit 1916 – also 5 Jahre vor Banting und seinem Team – den Extrakt aus der Bauchspeicheldrüse her, der das Insulin enthielt. Auch er machte erste Versuche an Hunden mit Diabetes und erzielte Erfolge.
Er musste seine Forschung jedoch durch den 1. Weltkrieg unterbrechen und die Kanadier holten in der Zeit auf. Dennoch publizierte er seine Ergebnisse bereits 1921 und somit vor Banting. 1922 ließ er sein Verfahren zur Insulingewinnung auch patentieren. Paulescu ging jedoch nie den entscheidenden Schritt und startete nie Versuche am Menschen.
Bis zur Isolierung des Insulins war es jedoch ein langer Weg. Schon in der Antike wurde die Krankheit mit dem süßen Urin beschrieben und behandelt. Typ 2 sogar mit einigem Erfolg, da ab dem Frühmittelalter Diäten, Kräuter und viel trinken sowie leichte Betätigung eine gängige Behandlung waren. Man erklärte die Krankheit damit, dass die Körpersäfte durcheinandergeraten waren.
Erst im 19. Jahrhundert gab es die technischen Möglichkeiten und das Wissen, Diabetes genauer zu untersuchen. Paul Langerhans (1847-1888) war ein deutscher Pathologe, der in seiner Doktorarbeit bestimmte Zellen in der Bauchspeicheldrüse untersuchte.
Durch ein bestimmtes Verfahren konnte er Zellansammlungen ausmachen, die wie Inseln aussahen. Er dachte jedoch, dass diese Zellen eine andere Funktion hätten. Erst später kam heraus, dass er dort bereits die insulinproduzierenden Zellen beschrieben hatte. Bis heute heißen sie auch Langerhans-Inseln.
Die Diabetesforschung ist im Fluss und viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten intensiv an den Rätseln, die noch offen sind. Bis heute weiß man immer noch nicht, wie genau Typ-1-Diabetes entsteht. Mittlerweile weiß man zumindest, dass es verschiedene Varianten des Typ 1 gibt und dass mindestens 60 Gene etwas damit zu tun haben könnten. Das wirft aber erst einmal mehr Fragen auf als beantwortet werden.
Eine entscheidende Forschungsarbeit ist die von Annette-Gabriele Ziegler. Sie ist Direktorin des Helmholtz Diabetes Centers in München. In mehreren Groß- und Langzeitstudien hat sie Familien mit Kindern beobachtet, in denen Typ-1-Diabetes vorkommt. Hier ist besonders die Fr1da-Studie wichtig. Dabei handelt es sich um Untersuchungen zur Früherkennung des Typ-1-Diabetes bei Kleinkindern. Die gesammelten Daten helfen, besser zu verstehen, wie der Entstehungsprozess von Diabetes ist.
Meist erfahren die Patienten es ja erst, wenn sie mit einem enorm hohen Wert ins Krankenhaus kommen und die Diagnose erhalten. Ziegler arbeitet daran, diese Prozesse nicht nur zu verstehen, sondern auch zu verzögern. Die Hoffnung ist natürlich, dass es dann irgendwann verhindert werden kann. Diese Forschung hat bereits einen langen Weg hinter sich und auch noch einen langen Weg vor sich.
Die hier genannten Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin stehen stellvertretend für Tausende Menschen, die hart daran arbeiten, Diabetes besser zu verstehen und unser Leben so normal wie möglich zu machen. Nach 150 Jahren Forschung sind sie schon sehr weit gekommen. Mir ist zum Beispiel heute morgen aufgefallen, dass ich seit drei Tagen keinen Blutzucker mehr gemessen habe, weil der aktuelle Dexcom G6-Sensor so genau läuft. Meine Pumpe versorgt mich indessen mit der Basalrate.
Es ist unser Blue November mit dem Weltdiabetestag, und es ist an der Zeit, diesen Menschen einfach Danke zu sagen!
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