Die meisten wissen es: An einem Schlaganfall sterben in Deutschland sehr viele Menschen, und mit dem Alter steigt die Häufigkeit dieser Todesursache an. Aber warum kommt es zu einem Schlaganfall? Was hat der Diabetes damit zu tun? Und wie können Sie selbst vorbeugen?
Als Martin wieder Sehprobleme hat, misst seine Frau klugerweise sofort den Blutdruck und den Blutzucker: Der Blutdruck liegt bei 200/100 mmHg rechts, der Blutzucker bei 218 mg/dl (12,1 mmol/l)! Nachdem der Hausarzt am Telefon von Martins Frau von den Schwierigkeiten beim Sehen und dem hohen Blutdruck gehört hat, lässt er ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Die Computertomographie (CT) zeigt eine kleine Hirnblutung – sofort wird die Behandlung eingeleitet.
Martin hat Glück: Nach 10 Tagen wird er ohne Beschwerden, mit gut eingestelltem Blutdruck und weitgehend normalen Blutzuckerwerten entlassen.
Jedes Jahr erleiden in Deutschland etwa 250 000 Menschen einen Schlaganfall. Der Schlaganfall ist neben dem Herzinfarkt und der Herzschwäche (Herzinsuffizienz) die gefürchtetste Komplikation des Herz-Kreislauf-Systems – statistisch gesehen liegt er an zweiter Stelle der Todesursachen (an erster Stelle: Herzinfarkt und koronare Herzkrankheit). Der Grund dafür ist insbesondere, dass die Menschen immer älter werden.
Die meisten Schlaganfälle – 80 Prozent – werden durch Durchblutungsstörungen verursacht (ischämische Schlaganfälle), nur 20 Prozent durch Blutungen. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Ursachen kann und muss heute möglichst rasch festgestellt werden, damit die richtige Therapie eingeleitet werden kann. Bildgebende Verfahren wie CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) ermöglichen diese Diagnose. Weitere Fortschritte gibt es in der akuten Behandlung und auch in der Vorbeugung nach einem durchgemachten Schlaganfall.
Durchblutungsstörung führt zu ischämischem Schlaganfall
Vier große Hauptschlagadern (Hirnarterien) versorgen das Gehirn mit Sauerstoff, Glukose und anderen Nährstoffen. In den Hirnarterien können sich Verkalkungen bilden und an diesen Verkalkungen können Blutgerinnsel entstehen. Werden die hirnversorgenden Arterien akut durch ein Blutgerinnsel verschlossen (Embolie), kann es zu einem ischämischen Schlaganfall kommen – was bedeutet, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend versorgt wird. Die Gerinnsel kommen vor allem aus dem Herzen.
Einer der wichtigsten Risikofaktoren für einen Schlaganfall ist der Bluthochdruck, insbesondere ein hoher systolischer Blutdruck (der obere Wert beim Blutdruckmessen). In Studien wurde gezeigt, dass ein systolischer Blutdruckanstieg um 10 mmHg das Schlaganfallrisiko um 30 Prozent erhöht. Zudem haben Menschen mit Bluthochdruck ein etwa vierfach erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall im Vergleich zu Menschen mit normalen Blutdruckwerten. Drei Viertel aller Schlaganfallpatienten haben einen Bluthochdruck!
Weitere Risikofaktoren sind:
- hohes Alter,
- koronare Herzkrankheit (KHK),
- Typ-2-Diabetes,
- Rauchen,
- starker Alkoholkonsum,
- Hormone (z. B. Einnahme von Östrogenen),
- starke Migräne und entsprechende Aura.
Schlaganfall durch eine Blutung
Etwa 15 Prozent aller Hirnblutungen treten spontan auf, wobei einer der wichtigsten Risikofaktoren der Bluthochdruck ist – dabei kommt es zum Einreißen der Gefäße. Zudem können Blutungen auch z. B. unter der Therapie mit Gerinnungshemmern (Antikoagulantien) entstehen, aber auch bei Gerinnungsstörungen und bestimmten Gefäßerkrankungen im Gehirn.
- optimale Blutzuckereinstellung
- gute Blutdruckeinstellung
- Rauchen einstellen
- Normalisierung des Fettstoffwechsels durch Ernährung und/oder Medikamente (Fettsenker)
- regelmäßige Bewegung und Entspannung (z. B. autogenes Training, Qigong, Joggen, Walken etc.)
- evtl. Blutplättchenhemmer (Thrombozytenaggregationshemmer), z. B. Acetylsalicylsäure (ASS) oder Clopidogrel
Welche Beschwerden können auftreten?
Anhand der Symptomatik der Beschwerden lässt sich herausfinden, an welcher Stelle bzw. an welchen Stellen ein Blutgefäß verschlossen ist. Leitsymptome eines Schlaganfalls sind, wenn die Halsschlagader betroffen ist: vorübergehende Erblindung, Lähmungen und Gefühlsstörungen, Sprachstörungen, Bewusstseinsstörungen. Ist dagegen die „Wirbelarterie“ betroffen (sie läuft in den Querfortsätzen der Halswirbelsäule ins Gehirn), kommt es häufiger zu Drehschwindel, Sturzattacken (Drop attacks, Fallneigung zu einer Seite), Augenmuskelbewegungen, Erbrechen, Sehstörungen und Lähmungen.
Bei einem Schlaganfall auftretende Komplikationen können jedoch auch sein: Schluckstörungen mit der Gefahr eines Einatmens von Nahrungsbestandteilen und der Folge einer Lungenentzündung (Aspirations-Pneumonie), Harnwegsinfektionen (z. B. durch Blasenverweilkatheter), Urin- oder Stuhlinkontinenz, epileptiforme Anfälle, Atemregulationsstörungen. Ist die Durchblutung in den Hirnarterien höhergradig eingeschränkt (über 70 Prozent) oder ausgelöst durch ein Gerinnsel, kann es zu einer vorübergehenden Durchblutungsstörung (Dauer unter 24 Stunden), bezeichnet als TIA (transitorische ischämische Attacke) kommen. Dieser „kleine“ Schlaganfall ist nicht selten Vorbote eines „großen“ Schlaganfalls.
Besonderheiten bei Diabetes
In einer großen Studie, an der in den USA ca. 120 000 Krankenschwestern teilgenommen haben, zeigte sich, dass das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt bereits deutlich erhöht war, wenn Teilnehmerinnen ein Vorstadium des Diabetes hatten. Und etwa 12 Prozent aller Diabetiker leiden an Durchblutungsstörungen der Hirnarterien, die die häufigste Ursache von Schlaganfällen sind. Leichte Durchblutungsstörungen können so bereits früh zu Störungen im Gehirn führen, so dass z. B. das logische Denken nachlässt, ebenso die Aufmerksamkeit und die Organisationsfähigkeit.
Wie entscheidend eine ausreichende Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Glukose über das Blut ist, um den Stoffwechsel aufrechtzuerhalten, zeigen diese Beispiele:
- Das Gehirn benötigt für seinen Stoffwechsel fast ausschließlich Zucker (Glukose) als Energielieferanten, täglich etwa 115 Gramm.
- 15 Prozent des Blutvolumens, das das Herz pro Minute pumpt, werden dazu unter Ruhebedingungen benötigt, obwohl das Gehirn selbst nur etwa 2 Prozent des Gesamtkörpergewichts ausmacht! Symptome treten auf, wenn die Gehirndurchblutung von normalerweise etwa 58 Milliliter Blut pro 100 Gramm Gehirn auf unter 22 Milliliter absinkt.
- Zur Erinnerung: Die Leber liefert tagsüber pro Stunde etwa 10 Gramm Glukose (in der Nacht etwas weniger) – davon sind schon mindestens 6 Gramm allein für das Gehirn bestimmt (Zuckerneubildung und Mobilisation).
Wie wird ein Schlaganfall diagnostiziert?
Die Doppler-, Duplex- und Farbduplex-Sonographie spielen bei der Diagnose von Verkalkungen oder Engstellen der Halsschlagader bzw. der Wirbelarterie die wichtigste Rolle, da sie schnell einsetzbar und beliebig wiederholbar sind, ohne die Patienten schädlichen Strahlen auszusetzen oder sie durch Kontrastmittel zu belasten. Das ist wichtig für Menschen mit Diabetes und/oder einer geschädigten Niere.
Mit diesen Untersuchungsmethoden kann man auch schon Jahre vorher krankhafte Wandverdickungen erkennen und die weitere Entwicklung abschätzen. Spezielle Untersuchungstechniken (z. B. Magnetresonanz- bzw. Computertomographie) erlauben die Darstellung des gesamten Gehirns mit seiner Durchblutung. Hiermit lässt sich auch am besten die Unterscheidung treffen, ob der Schlaganfall ausgelöst wurde durch eine Blutung im Gehirn (z. B. nach einer Blutdruckkrise) oder durch die Verstopfung einer Arterie (Ischämie) durch ein Gerinnsel (z. B. bei Vorhofflimmern).
Zusammenfassung
Ein Schlaganfall ist für viele Menschen ein einschneidendes Erlebnis – und manchmal sogar tödlich. Vorboten sollten insbesondere auch Menschen mit Diabetes kennen, da sie häufig weitere Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen haben und damit ihr Risiko steigt. Gehen Sie bei Beschwerden rechtzeitig zum Arzt – jede akute Durchblutungsstörung des Gehirns ist ein Notfall!
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (11) Seite 30-33