- Behandlung
SGLT-2-Hemmer: Neue, effektive Medikamente?
4 Minuten
Zucker über den Urin ausscheiden und so den Blutzucker senken und auch Gewicht verlieren – genau das bewirken SGLT-2-Hemmer. Hört sich gut an. Aber wie genau funktioniert das? Und gibt es auch Nebenwirkungen, die bei der Einnahme der Tabletten auftreten können?
Ein zunehmendes Kribbeln in den Füßen hat die Entscheidung zugunsten der Reha beschleunigt. Etwas Angst hatte Peter H. davor schon: Er fürchtete, bald Insulin spritzen zu müssen. Aber: Anstatt Insulin bekam er eine „neue Tablette“, mit der er Zucker über die Nieren verlieren und evtl. auch etwas abnehmen sollte. Mit weit über 20 000 Schritten auf dem Schrittzähler täglich, zusätzlichem Sport und einer Ernährungsumstellung hat er in den folgenden 4 Wochen insgesamt fantastische 10 kg abgenommen – und was fast noch weniger zu glauben war:
Die Nüchtern-Blutzuckerwerte lagen jetzt bei 120 mg/dl (6,7 mmol/l), und die HbA1c-Kontrolle ergab bei Entlassung unglaubliche 8 Prozent. Die neuen Tabletten zusammen mit Metformin hat er gut vertragen – eine Dosiserhöhung war vorgesehen! Hoffentlich bleibt Peter H. so konsequent!
Typ-2-Diabetes ist keine einheitliche Erkrankung – jeder Diabetes ist anders! Dementsprechend gibt es auch keine einheitliche Behandlungsform, und es werden viele verschiedene Ansätze verfolgt, je nachdem, wie der Diabetes entstanden ist.
Typ-2-Diabetes ist eine chronische Erkrankung mit fortschreitendem Untergang der insulinproduzierende Zellen. Gleichzeitig sind die Körperzellen unempfindlich gegenüber Insulin (Insulinresistenz), und immer ist auch die Insulinproduktion gestört.
Neue Möglichkeit bei Typ-2-Diabetes (und auch Typ-1-Diabetes?)
Mit den bisherigen Therapieprinzipien sollen die Körperzellen wieder empfindlicher für Insulin werden, soll die Insulinproduktion angeregt werden und soll Insulin in der richtigen Menge ersetzt werden. Ein noch recht neues, sehr effektives Therapieprinzip steht durch SGLT-2-Hemmer zur Verfügung.
Der Hintergrund: Bei gesunden Menschen sorgt ein spezieller Transporter, SGLT 2, in der Niere dafür, dass kein Zucker (der wertvoll für Gehirn und Muskulatur ist) über den Urin verloren geht. Eher zufällig haben Forscher (wieder)entdeckt, dass es einige wenige Menschen gibt, die sehr viel Zucker über die Niere verlieren, ohne dabei krank zu sein (vererbte renale Glukosurie). Bei ihnen ist SGLT 2 nicht funktionsfähig.
Inzwischen wurden bereits mehrere SGLT-2-Hemmer (Empagliflozin, Dapagliflozin etc.) entwickelt. Wird die Funktion von SGLT 2 gehemmt, geschieht das, was unser Körper eigentlich verhindern möchte: Es wird Zucker über den Urin ausgeschieden, wodurch der Zucker dem Körper verloren geht. Bei Typ-2-Diabetikern, die einen SGLT-2-Hemmer in Tablettenform einnehmen, sinkt deshalb der Blutzucker.
Positiver Nebeneffekt: Es kommt auch zu einer Gewichtsabnahme. Da auch viele Typ-1-Diabetiker Probleme mit dem Gewicht haben, wird derzeit geprüft, ob auch sie von der Einnahme eines SGLT-2-Hemmers profitieren können (s. Titelthema). SGLT-2-Hemmer wirken unabhängig vom noch vorhandenen oder gespritzten Insulin.
Das leistet die Niere
Dass die Niere eine entscheidende Rolle im Blutsalz- und Wasserhaushalt des Menschen spielt, ist bekannt, wichtig ist sie aber auch für den Zuckerhaushalt und die Stabilisierung des Blutzuckers.
Die Fakten:
- Die Niere produziert selbst Traubenzucker (Glukose) – vor allem in der Nierenrinde.
- Die Niere verwertet selbst auch Glukose – speziell im Nierenmark.
- Die Niere filtert Glukose und nimmt sie wieder auf (durch SGLT 2). Die Niere gewinnt die Glukose also wieder zurück, damit sie nicht ausgeschieden wird.
Die Leber ist demnach nicht der alleinige Zuckerlieferant zum Aufrechterhalten der Blutzuckerkonzentration. Im Nüchternzustand ist die „Zuckerneubildung“ (Glukoneogenese) für etwa 40 Prozent der Glukosefreisetzung zuständig – Leber und Niere sind dabei die wichtigsten Organe. Die Niere allein ist für etwa 20 Prozent der eigenen Glukosefreisetzung verantwortlich.
Wie gewinnt die Niere Zucker zurück?
In der Flüssigkeit, die eine gesunde Niere täglich aus etwa 1 500 Litern Blut filtert, sind etwa 180 g Glukose (Traubenzucker) enthalten. Davon werden im ersten Schritt 90 Prozent (SGLT 2) und später nochmals die restlichen 10 Prozent durch einen weiteren Glukosetransporter (SGLT 1) in den Blutkreislauf zurückgeholt. Studien zeigten, dass bei Menschen mit Diabetes und erhöhtem Blutzucker fatalerweise bereits filtrierter Zucker sogar verstärkt rückresorbiert wird! Die Folge: Der schon hohe Blutzucker steigt noch weiter an.
SGLT-2-Hemmer hemmen die Funktionsfähigkeit von SGLT 2 und reduzieren so die Rückgewinnung von Zucker, der bereits in der Niere filtriert wurde. Zucker, der nicht wieder zurückgewonnen werden konnte, wird über den Urin ausgeschieden – und das bewirkt, dass der Blutzuckerspiegel und wegen des einhergehenden Energieverlusts das Gewicht sinken.
Der HbA1c-Wert wird im Mittel um etwa 0,7 Prozent gesenkt. In Studien mit Typ-2-Diabetikern kam es zu einer Ausscheidung von Zucker von etwa 70 g/Tag, was etwa 300 kcal täglich entspricht.
So wirken Antidiabetika |
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| Wirkstoff | Wirkweise |
| Metformin | hemmt u. a. die Neubildung von Zucker in der Leber, erhöht die Insulinempfindlichkeit |
| Glitazone | erhöhen die Insulinempfindlichkeit |
| Sulfonylharnstoffe (der 3. Generation), Glinide |
verstärken die Insulinfreisetzung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse |
| GLP-1-Rezeptoragonisten | „Nachahmer“ des Darmhormons GLP 1 stimulieren die Insulinfreisetzung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse in Abhängigkeit vom Blutzucker |
| Gliptine (DPP-4-Hemmer) | hemmen den Abbau des Darmhormons GLP 1 |
| Alpha-Glukosidase-Hemmer | verzögern die Aufnahme von Kohlenhydraten im Darm |
| Gliflozine (SGLT-2-Hemmer) | hemmen die Rückresorption des Zuckers in der Niere, wodurch vermehrt Zucker über den Urin ausgeschieden wird |
Die Patienten nahmen so in nur drei Monaten zwischen 1,3 und 2 kg an Gewicht ab. SGLT-2-Hemmer (fachsprachlich: SGLT-2-Inhibitoren, Gliflozine) senken insulinunabhängig den Blutzucker; der Gewichtsverlust ist ein erwünschter Nebeneffekt. Außerdem sinkt der Blutdruck leicht, und zwar durch den Verlust von Flüssigkeit und Blutsalzen. Studien (EMPA-REG-Outcome-Studie, DECLARE-Studie) zeigten einen Rückgang von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und von Einweisungen ins Krankenhaus wegen Herzschwäche.
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Als Nebenwirkungen kommen bei Frauen etwas häufiger Scheideninfektionen (durch Pilze) vor, bei Männern Entzündungen an der Eichel des Penis. Entzündungen im Dammbereich scheinen nach aktuellen Studien nicht häufiger aufzutreten als bei Diabetikern, die keinen SGLT-2-Hemmer nehmen. Eine weitere Nebenwirkung kann eine Übersäuerung des Blutes (Ketoazidose) sein – Patienten sollten die entsprechenden Anzeichen (z. B. Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen) kennen.
SGLT-2-Hemmer: wichtig zu wissen
Am Grundprinzip der Behandlung von Typ-2-Diabetes hat sich nichts geändert: Angestrebt werden sollten mehr und regelmäßige Bewegung und eine „normale“ (meist kalorienärmere) Ernährung.
Neue, sehr effektive Medikamente wie die SGLT-2-Hemmer sind aber eine enorme Bereicherung bei der Therapie des Typ-2-Diabetes (und evtl. auch des Typ-1-Diabetes) und senken das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Folgen des Diabetes. Sie nur wegen möglicher, meist seltener, Nebenwirkungen nicht zu verordnen, wäre meiner Meinung nach eher ignorant. Schulung und Information zu allen verordneten Medikamenten mit ihren Wirkungen und Nebenwirkungen sind aber unbedingt notwendig.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (4) Seite 36-38
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig