So sieht die perfekte Insulintherapie aus

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So sieht die perfekte Insulintherapie aus

Großer Überblick des Chefredakteurs: Prof. Dr. med. Thomas Haak nennt die Insulinsorten und gibt einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten der Insulintherapie. Auch langjährige Leser erfahren hier das Aktuellste und Neueste rund ums lebenswichtige Hormon.

Insuline: chemisch absolut reine Substanzen

Das lebenswichtige Hormon Insulin wird von fast allen Insulinherstellern weltweit gentechnologisch hergestellt; deshalb handelt es sich bei Insulinpräparaten um chemisch absolut reine Substanzen, die dem körpereigenen Insulin entsprechen. Vor einigen Jahren war dies völlig anders, als Insulin aus Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen herauspräpariert und dann, so gut es ging, gereinigt worden war.

Ein weiterer Vorteil ist, dass es bei der sprunghaft steigenden Zahl insulinpflichtiger Diabetiker durch die gentechnologische Herstellung von Insulin nicht zu Lieferengpässen kommen kann. Neben dem Humaninsulin gibt es heute noch eine Vielzahl von Analoginsulinen, und dies aus gutem Grund. Schließlich wird das zur Therapie verwendete Insulin nicht in die Blutbahn injiziert, sondern in das Unterhautfettgewebe, wo es eigentlich von Natur aus gesehen nicht hingehört. Den Umweg über das Unterhautfettgewebe soll das Insulin so schnell wie möglich nehmen.

Insulin soll rasch ins Blut

Es soll also rasch in die Blutbahn gelangen, ähnlich wie es von der Bauchspeicheldrüse beim Gesunden in die Blutbahn abgegeben wird. Dies gelingt mit den schnellen Analoginsulinen. Die Grundversorgung mit Insulin, die jeder Mensch in Ruhe braucht, selbst wenn er den ganzen Tag keine Kohlenhydrate mit der Nahrung aufnimmt, erfolgt mit den Basalinsulinen.

Seit den 1930er Jahren verwenden wir hierfür NPH-Insulin: ein Insulin, das durch die Vermischung mit dem Eiweiß Protamin an der schnellen Aufnahme in die Blutbahn gehindert wird. Die modernen Basalinsulinanaloga dienen dazu, durch eine verbesserte Wirkweise gleichmäßiger und zuverlässiger in den Blutkreislauf zu gelangen.

Weniger Injektionen = weniger Präzision

Neben den Mahlzeiteninsulinen (prandialen Insulinen) und den Verzögerungsinsulinen (Basalinsulinen) gibt es viele Mischungen, bei denen die beiden Insulinsorten in einer Patrone gemischt sind. Sie werden für Therapien verwendet, bei denen die Zahl der Injektionen aufgrund der Möglichkeiten des Patienten gering gehalten werden soll. Die Verringerung der Injektionen bedeutet aber meist einen Verlust der Präzision der Therapie.

Insulintherapie beim Typ-1-Diabetes

Ziel beim Typ-1-Diabetes ist es, das fehlende Insulin so präzise wie möglich zu ersetzen. Das heißt in erster Linie: Mahlzeiteninsuline müssen Mahlzeitenaufgaben übernehmen – basales Insulin deckt die Grundversorgung ab. Ist zum Beispiel die basale Insulinversorgung überdosiert, so ist der Patient gezwungen, gegen seine Insulinwirkung anzuessen – und unterlässt er dies, so kommt es zu Unterzuckerungen.

Ist im Gegenzug die basale Insulinversorgung unterdosiert, so beginnt der Blutzucker im Tagesverlauf zu steigen und muss zu den jeweiligen Hauptmahlzeiten mit Mahlzeiteninsulin heruntergespritzt werden. Ergebnis: Der Blutzucker fährt Berg- und Talbahn.

Prinzipiell intensiviert!

Beim Typ-1-Diabetes wird prinzipiell eine intensivierte Insulintherapie durchgeführt. Hierbei injiziert man zu den Hauptmahlzeiten sein (prandiales) Insulin – abhängig von der Menge der geplanten Kohlenhydrate und von der Höhe des Blutzuckers. Die Dosierung erfolgt mit Hilfe von KE-Faktoren: Ein KE-Faktor sagt, wie viele Einheiten Insulin für die Verstoffwechselung von einer Kohlenhydrateinheit benötigt werden.

“KE-Faktoren” variieren

Die KE-Faktoren variieren im Tagesverlauf: Morgens ist in der Regel der KE-Faktor am höchsten, mittags am niedrigsten und abends etwas höher als mittags, jedoch niedriger als morgens. Die Ursache hierfür ist in der unterschiedlichen Insulinempfindlichkeit zu unterschiedlichen Tageszeitpunkten zu suchen.

Dies kommt dadurch zustande, dass der Körper über den Tagesverlauf verschiedene Hormone tageszeitrhythmisch ausschüttet; zum Beispiel sind Gegenspielerhormone wie das Kortisol morgens am meisten im Blut vorhanden.

Berechnung mit der Korrekturregel

Im Idealfall wird der Blutzucker bei dieser Therapie vor den Mahlzeiten immer im Bereich zwischen 80 und 120 mg/dl (4,4 und 6,7 mmol/l) liegen. Weicht der Blutzucker hiervon ab, so wird er nach einer Korrekturregel korrigiert. Die Korrekturregel gibt an, mit wie viel Blutzuckerveränderung zu rechnen ist, wenn 1 Einheit Insulin injiziert wird. Beispielsweise besagt eine 30er-Korrekturregel, dass eine Einheit Insulin den Blutzucker um 30 mg/dl (1,7 mmol/l) senken wird.

Hat man zum Beispiel einen Zielwert von 100 mg/dl (5,6 mmol/l) und der Blutzucker beträgt vor der Mahlzeit 160 mg/dl (8,9 mmol/l), so werden 2 Einheiten zusätzlich injiziert, um den Blutzucker zurück auf den Zielwert zu führen. Liegt der Blutzucker allerdings unter dem Zielwert, so wird abhängig von dem gewünschten Anstieg die Insulindosis reduziert. Liegt zum Beispiel der Blutzucker mit einem Zielwert von 100 mg/dl (5,6 mmol/l) bei nur 70 mg/dl (3,9 mmol/l), so wird 1 Einheit Insulin weniger injiziert, als für die Verstoffwechselung der geplanten Kohlenhydrate notwendig wäre.

Die basale Insulinversorgung sollte 40 bis 50 Prozent der Gesamtinsulinmenge betragen, wenn die Therapie ausgewogen ist und in der Ernährung ca. 50 Prozent der Tagesgesamtenergiemenge Kohlenhydrate sind. Dies gilt aber nur, wenn kein Insulin mehr produziert wird.

Insulinpumpen sind Alternative zur ICT

Die Alternative zur intensivierten Insulintherapie ist die Insulinpumpentherapie: Die Insulinpumpe pumpt in kurzen zeitlichen Abständen kleine Mengen eines schnellwirksamen Insulins unter die Bauchhaut. Zu den Mahlzeiten ruft sich der Benutzer die gewünschte Menge zur Verstoffwechselung der Kohlenhydrate auf einen Schlag ab. Man nennt dies Bolusgabe.

Die Vorteile der Insulinpumpe sind neben der hohen Präzision vor allen Dingen der Therapiekomfort, da man nicht mehr Insulin injizieren muss, sondern regelmäßig nach wenigen Tagen die Kanüle und den Katheter wechselt.

Allerdings ist die Insulinpumpentherapie eine teurere Therapie: was die Anschaffung der Pumpe betrifft und auch, was die Kosten für das Verbrauchsmaterial angeht. Daher ist eine Insulinpumpentherapie keine Option, die man einfach wählen kann: Nur wenn die Therapieziele mit der intensivierten Insulintherapie nicht erreicht werden, kann eine Insulinpumpe bei der Krankenkasse beantragt und nach Prüfung dann auch genehmigt werden.

Typ-2-Diabetes: Insulin, wenn anderes nicht reicht

Gemäß den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft ist die Insulintherapie beim Typ-2-Diabetes zu beginnen, wenn die Behandlung mit Tabletten, Tablettenkombinationen oder der Kombination von Tabletten und Exenatide oder Liraglutide nicht mehr ausreicht.

Dies liegt daran, dass der Typ-2-Diabetes eine fortschreitende Erkrankung ist, bei der zu Beginn die körpereigene Insulinproduktion ausreicht, um den Stoffwechsel zu kontrollieren. Mit zunehmendem Versiegen der körpereigenen Insulinproduktion muss Insulin zugegeben werden.

Die Basalunterstützte orale Therapie (BOT)

Die einfachste Form der Insulintherapie beim Typ-2-Diabetes ist die basalunterstützte orale Therapie: die blutzuckersenkenden Tabletten werden wie gewohnt beibehalten, jedoch wird zusätzlich ein basales Insulin zur Nacht injiziert. Ziel der nächtlichen Basalinsulingabe ist, die körpereigene Zuckerproduktion in der Leber zu blockieren, so dass der Tag am nächsten Morgen mit einem guten Ausgangsblutzucker beginnt.

Diese Therapie ist oft über Jahre erstaunlich stabil. Sollte allerdings trotz eines guten Nüchternblutzuckers der Blutzucker im Tagesverlauf auch unter der Höchstdosis von Tabletten steigen, so ist der Zeitpunkt für die Gabe von Insulin zu den Mahlzeiten gekommen.

Auch hier: zum Essen Insulin

Ähnlich wie der Typ-1- gibt sich dann auch der Typ-2-Diabetiker vor jeder Hauptmahlzeit eine Injektion mit einem prandialen Insulin. Und hier gilt die Devise: “So viel Insulin wie nötig, aber so wenig wie möglich.” Zu viel Insulin hemmt neben der blutzuckersenkenden Wirkung vor allen Dingen den Fettabbau, so dass die Gewichtskontrolle äußerst schwierig wird.

Daher sollten die Anwender auch wissen, dass man die Insulindosierung selbständig verändern darf, wenn der Blutzucker gut eingestellt ist. Man sollte dann selbst versuchen, die Insulindosis so weit wie möglich zu reduzieren. Die Unterschiede zur Therapie mit Insulin im Vergleich zu einem Typ-1-Diabetes liegen darin, dass man beim Typ-2-Diabetes in der Regel meist sehr viel höhere Insulindosen benötigt.

Meist viel mehr Insulin!

Dies hat zur Folge, dass KE-Faktoren oft nicht verwendet werden können, weil die KE-Faktoren zu hoch wären und die Therapie unpräzise wird. In dem Fall verwenden Typ-2-Diabetiker meist Tabellen, die Aufschluss geben, welche Insulindosis bei welchem Blutzucker zu injizieren ist. Grundvoraussetzung ist hier, dass die Kohlenhydrataufnahme an den meisten Tagen ähnlich ist.

Eine Sonderform der Insulintherapie hier ist die konventionelle Insulintherapie: Hier injiziert man morgens ein Mischinsulin und vor dem Abendessen erneut ein Mischinsulin. Der schnellwirksame Insulinanteil deckt dabei das Frühstück bzw. das Abendessen ab, der Verzögerungsanteil die Kohlenhydrataufnahme während des Mittagessens bzw. die Grundversorgung während der Nacht.

Diese Therapie ist recht instabil und für die Patienten gedacht, bei denen das Therapieziel nicht eine optimale Blutzuckereinstellung ist. Hier toleriert man Blutzuckerwerte bis 200 mg/dl (11,1 mmol/l).

Das Fazit

Die Insulintherapie ist heute ein etabliertes Therapieverfahren bei allen Diabetesformen. Allerdings ist Insulin kein Allheilmittel. Richtig erfolgreich ist auch eine Insulintherapie nur, wenn die restlichen Bausteine einer guten Diabetestherapie stimmen – das sind: gute Schulung, regelmäßige Blutzuckermessungen, ausgewogene Ernährung und natürlich viel Bewegung und ein gehöriges Maß an Wohlbefinden.


von Prof. Dr. Thomas Haak, Chefredakteur Diabetes-Journal

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (11) Seite 32-35

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