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Der Typ-1-Diabetes kann auch im höheren Erwachsenenalter auftreten. Problem dabei ist, dass ihn auch viele Behandler als Typ-2-Diabetes missinterpretieren. Wir nennen die Anzeichen für einen Typ-1-Diabetes bei Erwachsenen, die Sonderformen und die Risiken.
Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselkrankheit im Kindesalter. In Deutschland haben mehr als 7 Mio. Menschen Diabetes: etwa 90 Prozent einen Typ-2-Diabetes und etwa 400 000 einen Typ-1-Diabetes. Wird Letzterer im Erwachsenenalter neu entdeckt, verkennen ihn Ärzte oft als Typ-2-Diabetes – vor allem, wenn am Anfang kein oder wenig Insulin benötigt wird und der Betroffene schlank ist. Entsprechend dieser Diagnose wird der Diabetes oft lange mit Tabletten behandelt, auch wenn die Blutzuckerwerte nicht im Normbereich sind.
Typ-1-Diabetes ist im Vergleich zum Typ-2-Diabetes zwar eine seltene Erkrankung, aber die Anzahl der Erkrankungen nimmt Jahr für Jahr zu (gerade bei Kindern und Jugendlichen). Der Typ-1-Diabetes ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die die Betazellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zerstört. Unser Immunsystem wehrt normalerweise Krankheitserreger ab; beim Typ-1-Diabetes sind die Antikörper aufgrund einer Fehlsteuerung gegen die eigenen Betazellen gerichtet.
Im Blut von Menschen mit Typ-1-Diabetes findet man Autoantikörper gegen die eigenen Betazellen, gegen das eigene Insulin und gegen Zellbestandteile (siehe Kasten). Über Wochen, Monate oder Jahre führt diese Zellzerstörung zu einer steten Abnahme der Anzahl der Betazellen und schließlich zu den typischen Zeichen eines Diabetes – aber erst, wenn 80 bis 90 Prozent der Betazellen zerstört sind.
Warum genau die betazellzerstörenden Antikörper auftreten, ist bis heute nicht bekannt. Vererbung spielt eine Rolle, möglicherweise sind auch Umwelteinflüsse beteiligt. Das Risiko für Kinder, die ein Elternteil mit Typ-1-Diabetes haben, die Anlage dafür zu erben, liegt bei 3 bis 5 Prozent.
Der Ausbruch des Typ-1-Diabetes verläuft meist sehr plötzlich, aber nicht immer. Erstes Zeichen eines Typ-1-Diabetes sind häufiges Wasserlassen (Polyurie), übermäßiges Trinken (Polydipsie, oft mehrere Liter am Tag), oft nächtliches gehäuftes Wasserlassen (Nykturie) und eine rasche Gewichtsabnahme, die manchmal noch Anlass ist, eine „Krebsdiagnostik“ bei älteren Menschen durchzuführen.
Häufige Infekte (z. B. der Blase, der Vorhaut des Penis, der Haut), Juckreiz sowie Leistungsschwäche, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und vorübergehendes schlechteres Sehen stehen oft am Anfang.
Treten dazu Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen oder Muskelkrämpfe und eine beginnende Bewusstseinsstörung auf, dann bahnt sich ein „ketoazidotisches Coma diabeticum“ an: Durch den absoluten Insulinmangel kann der Körper Energiegewinnen keinen Zucker mehr abbauen, sondern er baut Fett ab – wodurch es zur Bildung von Ketonkörpern (z. B. Azeton) kommt. Dies führt zu süßlichem Geruch der Ausatemluft und schließlich zur Bewusstseinstrübung.
In Urin und Blut kann man dann Ketonkörper nachweisen. Eine sofortige Klinikeinweisung ist meist notwendig oder sinnvoll, denn die Situation kann lebensgefährlich sein und Insulin, Blutsalze und Flüssigkeit müssen ersetzt werden. Durch den Nachweis hoher Blutzuckerwerte, von Ketonkörpern und zusätzlich Insel-Autoantikörpern ist die Diagnose klar.
Manchmal braucht man nach dieser akuten Startphase in den nächsten Wochen, Monaten, gar Jahren nur wenig oder gar kein Insulin (Honeymoon-Phase), da sich ein Teil der Betazellen wieder erholt. Im weiteren Verlauf werden die restlichen Betazellen (ca. 10 bis 20 Prozent) aber auch noch vom eigenen Immunsystem zerstört.
Merke: Im Erwachsenenalter wird dieser Autoimmundiabetes wegen seines nicht so akuten Beginns und dadurch dem Typ-2-Diabetes ähnelnden Verlaufs oft als Typ-2-Diabetes verkannt.
Der „LADA“ ist ein Autoimmundiabetes, der meist nach dem 35. Lebensjahr auftritt („latent autoimmune diabetes in adults“). Er ist eine besondere Form des Typ-1-Diabetes im Erwachsenenalter. Die Patienten sind meist schlank, der Krankheitsverlauf ist langsam. Der Insulinbedarf ist oft erst spät zunehmend, und der Diabetes wird oftmals als Typ-2-Diabetes verkannt, deshalb auch zuerst mit Tabletten behandelt.
Lassen sich mehrere Insel-Antikörper (IAA, GADA, IA2A, ICA, ZnT8A; siehe Info-Kasten) nachweisen, liegt ein Typ-1-Diabetes vor – ein negativer Befund schließt jedoch eine Erkrankung nicht aus. Beim LADA findet man im Gegensatz zum klassischen Typ-1-Diabetes nur GADA. Eine Verwechslung ist aber auch mit dem „MODY“ möglich.
1 bis 2 Prozent aller Diabetiker in Deutschland haben einen MODY (maturity onset diabetes of the young). Das Gewicht der Betroffenen ist meist normal, die Manifestation erfolgt aber meist vor dem 25. Lebensjahr. Man findet keine für den Typ-1-Diabetes typischen Autoimmun-Phänomene. Er ist verursacht durch genetische Veränderungen, die zu Funktionsstörungen an den Betazellen der Bauchspeicheldrüse führen. 14 Genveränderungen und damit 14 MODY-Formen sind aktuell bekannt.
Ist ein MODY in einer Familie aufgetreten, wird er so vererbt, dass er in jeder Generation einer Familie auftritt, also familiär gehäuft. Es besteht keine Insulinresistenz wie beim Typ-2-Diabetes. Viele Betroffene werden anfangs mit blutzuckersenkenden Tabletten behandelt. Im weiteren Verlauf ihres Lebens brauchen aber etwa 30 bis 40 Prozent eine Insulintherapie.
Da beim Typ-1-Diabetes ein absoluter Insulinmangel vorliegt, besteht die Therapie in einer lebenslangen Gabe von Insulin mit Spritze, Pen oder Insulinpumpe in Form verschiedener Schemata: konventionelle Insulintherapie (CT), intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT), Insulinpumpentherapie (CSII). Üblich bei Typ-1-Diabetes sind eine ICT und eine CSII, bei der Basalinsulin und Mahlzeiteninsulin, das nach Bedarf berechnet wird, getrennt gegeben werden.
Bei der Berechnung der Dosis des Mahlzeiteninsulins muss die Menge an Kohlenhydraten in der Mahlzeit, für die Insulin nötig ist, ebenfalls berechnet bzw. eingeschätzt werden. Um dies optimal hinzubekommen, bedarf es von Anfang an regelmäßiger Schulungen – es gilt, die Lebensqualität zu erhalten und Diabetes-Folgeerkrankungen möglichst zu verhindern!
Erkranken Menschen im Erwachsenenalter an Diabetes, ist dies nicht immer ein Typ-2-Diabetes. Durch eine möglichst rasche richtige Einordnung als autoimmuner Typ-1-Diabetes kann gezielt mit einer Insulintherapie begonnen werden, um Komplikationen zu verhindern.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (1) Seite 32-34
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