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Kaum ein Thema treibt den Alltag vieler Menschen so um wie das Körpergewicht – genauer meist das Übergewicht. Eine eigene Kategorie dabei ist extremes Übergewicht, weil es so gefährlich ist. Mehr dazu im aktuellen Diabetes-Kurs.
Sein Hausarzt hatte ihm deshalb dringend geraten, Gewicht abzunehmen – auch deshalb, weil seine Großmutter Typ-2-Diabetes inklusive Folgeschäden hatte. Eine Ernährungsumstellung und etwas mehr Bewegung hatten schon mehrfach nur vorübergehend etwas gebracht. Der Arzt verschrieb Stefan H. nun ein neues Mittel, das gespritzt werden muss und eigentlich für Diabetiker mit Übergewicht gedacht, jetzt aber auch für Übergewichtige ohne Diabetes zugelassen sei. Allerdings müsse man es selbst bezahlen, die Krankenkasse übernehme bisher die Kosten nicht.
Nach 3 Monaten hatte Stefan H. ohne zu hungern erstmals 6 kg abgenommen und war motiviert, das Mittel weiter zu nehmen, obwohl er die Kosten dafür selbst tragen muss.
Die Vererbung scheint bei krankhaftem Übergewicht (Adipositas) ungefähr 60 Prozent auszumachen – die restlichen 40 Prozent haben wir Menschen tagtäglich selbst in der Hand! Auch Umweltfaktoren scheinen eine Rolle zu spielen, aber auch diese können oft von uns selbst beeinflusst werden. Adipositas tritt selten alleine auf – meist wird sie „begleitet“ von Risikofaktoren, die vor allem das Herz-Kreislauf-System betreffen:
Der Body-Mass-Index (BMI) hat sich zwar als „Gradmesser“ für Übergewicht durchgesetzt, ist aber für die Beurteilung des Risikos für Herz und Gefäße nicht so sinnvoll wie der Bauch-
umfang, der vor allem den Anteil des Bauchfettes (viszerales Fett) berücksichtigt. So unterscheidet man, je nach Verteilungstyp:
Bei Menschen mit der „Apfelform“ ist das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und dessen Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Leberverfettung viel höher als bei Menschen mit „Birnenform“.
BMI: Der Body-Mass-Index wird berechnet: Körpergewicht (kg) geteilt durch Körperlänge in (m²)
Beispiel:
68 kg : 1,70 m² → 68 : 2,89 = 23,53 kg/m²
Der BMI beträgt 23,53.
BMI 30 – 34,9 = Adipositas Grad I
BMI 35 – 39,9 = Adipositas Grad II
BMI >40,0 = Adipositas Grad III
Bauchumfang: Gemessen wird an der dicksten Stelle des Bauches!
Männer > 102 cm
Frauen > 88 cm
Deutliches Herzkreislaufrisiko, wenn dieser Bauchumfang überschritten wird.
Das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, erhöht sich bei Adipositas um etwa 20 Prozent je 1 kg/m² höherem BMI. Besonders hoch ist dieses Risiko, wenn das Übergewicht schon im Kindes-und Jugendalter bestanden hat.
Fettgewebe ist aus einer Art Bindegewebe entstanden und tritt an den verschiedensten Stellen des menschlichen Körpers auf. Es wird meist als Fettpolster abgelagert, und zwar vor allem im Bauchraum (viszerales Fett), aber auch unter der Haut (subkutan). Unterschieden werden braunes und weißes Fett.
Das braune Fettgewebe wird primär zur Wärmeproduktion benötigt, das weiße Fettgewebe hat verschiedene Aufgaben, dient aber vor allem der Energiespeicherung. Wir wissen heute, dass das viszerale Fett sich bei starkem Übergewicht (Adipositas) entwickelt. Größe und Umfang der einzelnen Fettzellen nehmen zu, wobei gleichzeitig eine Art Entzündung auftritt, erkennbar an Entzündungszellen und bestimmten Hormonen (Interleukine), die für einen Großteil der Folgeschäden verantwortlich sind.
In den letzten Jahren fand sich ein starker Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms (Bakterien und Pilze, die den Darm besiedeln) und Übergewicht. Darmbakterien sind an der Herstellung bestimmter Vitamine, an der Aufnahme bestimmter Nährstoffe sowie dem Abbau von Ballaststoffen beteiligt.
Das Darm-Mikrobiom spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Immunsystems und der Freisetzung bestimmter Hormone. Je nachdem, wie sich die Zusammensetzung der Bakterienarten verändert, können Adipositas, aber auch Diabetes, Bluthochdruck, Fettleber und Herzerkrankungen auftreten. So kann eine Ernährung mit vielen Kalorien und ungesunder Zusammensetzung zu Adipositas und Herzerkrankungen führen – es ist deshalb nicht egal, was und wie viel wir Menschen essen!
Risiko 2- bis 3-fach erhöht
Risiko bis zu 3-fach erhöht
Menschen mit krankhaftem Übergewicht unternehmen meist erst dann etwas, wenn Beschwerden auftreten (häufig zuerst Rücken-, Knie-, Fußbeschwerden, später auch mangelnde körperliche Belastbarkeit, rasche Ermüdbarkeit, Luftnot bei körperlicher Belastung). Auf die oft sehr belastenden psychischen Problemen möchte ich hier nicht eingehen.
Mehrere Medikamente wurden schon vor Jahren wegen starker, z. T. gefährlicher Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen. Aktuell zugelassen sind Orlistat (hemmt die Fett -Aufnahme im Darm) und das GLP-1 Analogon Liraglutid 3 mg (Saxenda®), das als Victoza® zur Behandlung des Typ-2 -Diabetes zugelassen ist. GLP-1-Analoga hemmen vor allem die Entleerung des Magens – man ist länger satt. Sie senken den Blutzucker, indem sie die Betazellen stimulieren und bremsen den Appetit im Gehirn.
Wir wissen heute, dass man seine lieb gewonnenen Ernährungsgewohnheiten nicht plötzlich auf den Kopf stellen kann – aber: Durch Lernen und Ausprobieren von Lebensmitteln, die weniger Kohlenhydrate und Kalorien enthalten, evtl. ergänzt durch Medikamente, ist auch ohne Operation manchmal eine andauernde Gewichtsreduktion möglich.
Oft ist aber eine Lebensstiländerung unumgänglich. Man muss auch lernen, immer wieder „Nein“ zu sagen, ohne das Gefühl zu entwickeln, auf etwas verzichten zu müssen. Der Weg der Umstellung (Ernährung, Bewegung) ist, wie wir alle wissen, oft steinig. Aber wenn man ihn bewusst geht – eher erfolgreich.
Klar ist: Adipositas ist zunehmend ein Problem in unserer Gesellschaft – oft schon bei Kindern und Jugendlichen. Eine langsame und anhaltende Gewichtsreduktion ist nicht immer möglich; ein operatives Vorgehen sollte jedoch gründlich überlegt werden.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (3) Seite 28-30
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