- Behandlung
Wenn der Schmerz zur Krankheit wird
4 Minuten
Wenn der Schmerz seine natürliche Funktion als Warnsignal verliert, wenn er ständig vorhanden ist und sich verselbstständigt, kann er die Betroffenen zermürben. Im folgenden Artikel sagen wir, wie es dazu kommen kann.
Schmerz ist für uns alle lebenswichtig, sogar überlebenswichtig, denn er dient als Warnsignal und hat die Aufgabe, den Körper zu schützen, indem er auf eine tatsächlich stattfindende Verletzung oder auch drohende Gewebeschädigung hinweist. Meist geht dem Schmerz ein Reiz voraus, der zeitlich und örtlich begrenzt ist – z. B. der Kontakt mit einer brennenden Kerze; in dem Fall spricht man von einem akuten Schmerz.
Chronischer Schmerz dagegen ist ein Sammelbegriff für einen ununterbrochenen Schmerz von mindestens 6 Monaten nach Beginn der Erkrankung, einer Verletzung oder einem Unfall. Oft ist den Betroffenen gar nicht mehr bewusst, was den eigentlichen Schmerz ausgelöst hat. Der Schmerz hat sich womöglich verselbstständigt und kann für das weitere Leben zur Qual werden.
Im Gegensatz zum akuten Schmerz, der meist wieder verschwindet, wenn z. B. die Wunde verheilt ist, kann sich ein chronifizierter Schmerz auswirken
- körperlich (somatisch),
- psychisch (Befindlichkeit, Stimmung, Denken, Verhaltensweise) und
- sozial (Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit).
In diesem Zusammenhang spricht man auch, je nach Ursache,
- von einem chronischen Krebsschmerz (Tumorschmerz),
- von einem chronischen postoperativen bzw. traumatischen Schmerz (nach Unfall),
- von einem chronischen muskulo-skeletalen Schmerz, der auf Defekte an Knochen, Gelenken oder Weichteilen zurückzuführen ist, oder auch
- von chronischem peripheren neuropathischen Schmerz, wie wir ihn häufiger bei Patienten mit Diabetes im Laufe ihrer Erkrankung finden.
Schmerzwahrnehmung ist subjektiv
Seit einigen Jahren gibt es funktionell bildgebende Untersuchungsmethoden wie funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder auch PET (Positronen-Emissions-Tomographie) und Magnet-Enzephalographie (MEG). Hierdurch ist es gelungen, das Gehirn genauer zu untersuchen – als Ursprung der subjektiven Wahrnehmung des Schmerzes und seiner Veränderung z. B. durch gedanklich-emotionale Faktoren. Nun wurde das bisherige bio-medizinische Modell (Ursache/Wirkung-Effekt) abgelöst durch ein bio-psycho-soziales Modell.
Das Befinden der Patienten beeinflusst das Schmerzempfinden
Man hat auch gesehen, dass der chronische Schmerz eine überwiegend “subjektive Wirklichkeit” für die Betroffenendarstellt, die sich hauptsächlich aus dem Befinden der Patienten und nicht aus medizinischen Befunden ergibt. So können Empfindungen, Gefühle, Wahrnehmungen und Gedanken die Schmerzwahrnehmung und das Krankheitsgeschehen massiv beeinflussen; der Schmerz ist also nicht mehr nur Symptom, sondern er wird selbst zur Krankheit. Psychosoziale Faktoren, die für die Schmerzchronifizierung verantwortlich sein können, sind im Info-Kasten dargestellt.
Psychosoziale Risikofaktoren, die das Chronischwerden des Schmerzes fördern können:
Einstellungen des Patienten, z. B.:
- “Der Schmerz muss erst weg sein, bevor ich wieder Dinge tue, die ich auch früher gemacht habe.”
- “Der Schmerz ist durch mich nicht beeinflussbar.”
Verhalten, z. B.:
- extrem langes “Sich-Schonen”Klagen über extrem hohe Schmerzintensität
Arbeitsunfähigkeit, z. B.:
- berufliche Anamnese mit länger andauernden Arbeitsunfähigkeitszeiten
- fehlender finanzieller Anreiz zur Aufnahme der Arbeit
Diagnose und Behandlung, z. B.:
- Konfrontation mit widersprüchlichen Diagnosen (“Die Ärzte sind sich völlig uneinig.”)
- Dramatisierung der Schmerzen durch Behandler (“Gut, dass Sie jetzt/endlich zu mir gekommen sind!”)
- frustrane Behandlungserfahrungen (evtl. auch falsche Vorstellungen von den Möglichkeiten!)
Familie, z. B.:
überbehütender Partner (“Wie eine Glucke!”)
fehlende soziale Unterstützung (“Keiner hilft oder interessiert sich.”)
Arbeit, z. B.:
- häufiger Jobwechsel
- Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz
(nach: Main, Waddell: Schmerzmedizin. Verlag Elsevier, 1998)
Nicht selten gibt es auch Patienten mit einem “Ganzkörperschmerz”, diffus ausstrahlenden Schmerzen (“wide-spread pain”), einer Sonderform des primär chronischen Schmerzes, bei dem keine organische Ursache gefunden werden kann – im Unterschied z. B. zur Fibromyalgie, die sich in der Regel auf die Muskulatur und Sehnen beschränkt. Neben den bereits genannten Auslösern des akuten Schmerzes und auch der chronischen Schmerzen können Erkrankungen der inneren Organe wieEntzündungen im Bereich der Gallenblase, der Leber, des Darms usw. Schmerzen verursachen.
Rezeptoren leiten den Schmerz weiter
Das Gehirn selbst ist schmerzunempfindlich, dagegen finden sich in unserem Körper zahlreiche Schmerzrezeptoren, die Nozizeptoren: Dies sind die Enden von Nervenfasern, die zu über 90 Prozent in der Haut lokalisiert sind, aber auch in den inneren Organen unseres Körpers, wo sie für die Schmerzweiterleitung verantwortlich sind.
Unter anderem folgende Reize werden von ihnen weiter über das Rückenmark zum Gehirn geleitet:
- Temperatur,
- Dehnung,
- Druck,
- Verletzungen,
- aber auch chronische Reizungen wie nach Verätzungen oder nach einem Bienenstich.
Neuropathischer Schmerz: das schmerzleitende System ist selbst geschädigt
Neuropathische Schmerzen sind chronische Schmerzen. Sie entstehen nach einer Schädigung entweder zentraler (Rückenmark, Gehirn) oder peripherer nozizeptiver Systeme (z. B. Messfühler in der Haut), also schmerzverarbeitender Nerven selbst. Als Folge dieser Verletzung sind die zum Rückenmark oder Gehirn leitenden Nerven in ihrer Funktion verändert, ebenso der Schmerzcharakter. Typisch ist auch, dass trotz Gewebeheilung die Schmerzen fortbestehen können (Schmerzgedächtnis).
Von der Entstehung her unterscheidet man die
- örtlich begrenzte (fokale), periphere schmerzhafte Neuropathie von der
- nicht genau zuzuordnenden (diffusen) peripheren schmerzhaften Polyneuropathie.
Die “Chronifizierung” des Schmerzes
Besteht eine Funktionsstörung eines Nerven über längere Zeit, so hat das einen enormen Einfluss auf die Empfindlichkeit der Zellen im zentralen Nervensystem. Während also ein Akutschmerz ein wichtiges Warnzeichen ist und anzeigt, dass etwas nicht in Ordnung ist, hat der chronische Schmerz diese Alarmfunktion verloren; er zermürbt die Patienten körperlich und psychisch, wobei für die Chronifizierung im Wesentlichen zwei Dinge verantwortlich sind:
- der Auslöser der Schmerzen konnte nicht beseitigt werden und
- das Schmerzgedächtnis!
Normalerweise werden Schmerzreize vom Ort des Entstehens durch spezielle Nervenfasern ins Rückenmark geleitet. Von dort gelangen Informationen über bestimmte Schmerzbahnen zu den verschiedenen Regionen im Gehirn. Die Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung erfolgt im Großhirn.
Die Rolle des Gehirns
Wenn sich nun starke Schmerzsignale ständig wiederholen, kann sich ein Schmerzgedächtnis ausbilden. Die Folge ist, dass manchmal selbst leichte Reize wie eine Berührung, Wärme oder Dehnung plötzlich von unserem Körper als Schmerz empfunden werden. Es kann sogar sein, dass ein Schmerz ausgelöst wird, obwohl gar kein Reiz stattgefunden hat – zum Beispiel am amputierten Bein als “Phantomschmerz” bekannt.
- arbeiten blitzschnell
- Erstschmerz: scharf, stechend
- Schmerz kann meist sehr genau lokalisiert werden
C-Fasern
- dünne Nervenfasern
- leiten die Information langsam weiter
- mischen dem Schmerz eine emotionale Komponente bei
Ursache ist, dass im zentralen Nervensystem die Schädigungen eine Gedächtnisspur hinterlassen haben, so dass ständig Schmerzsignale erzeugt werden, ohne dass ein Auslöser dafür vorliegt. Je länger ein Schmerz besteht, umso tiefer gräbt er sich ins Gedächtnis ein und ist umso schwerer zu behandeln. Deshalb muss eine Schmerztherapie frühzeitig und konsequent durchgeführt werden.
- Wenn der Schmerz zur Krankheit wird
- Statt “Spätschäden” Frühsymptome
- Möglichkeiten der Schmerztherapie
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/ Sozialmedizin,
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg,
Chefarzt Deegenbergklinik,
Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen,
Tel.: 09 71/8 21-0, E-Mail: schmeisl@deegenberg.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (8) Seite 18-22
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- MONITOR
Jeder Dritte erkrankt an Gürtelrose: Vorsorge für Ältere und chronisch Kranke besonders wichtig
3 Minuten
- Behandlung
Hinter die Dinge schauen: Kinder-Diabetologin und Coach Dr. Katja Schaaf im Interview
13 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
-
moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
-
-
hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
-
connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
-


Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig