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Vom krankhaften Schwitzen oder einer “Hyperhidrosis” spricht man, wenn die Schweißabsonderung das für die Temperaturregulation notwendige Maß überschreitet, minimale Geschmacksstoffe oder psychische Reize ein starkes Schwitzen provozieren oder bereits Gedanken an eine bestimmte Speise oder an eine bestimmte Stresssituation körperlich mit Schwitzen beantwortet werden. Hier die Übersicht.
Hyperhidrosis: krankhaftes Schwitzen, über ein notwendiges Maß hinausgehend
Akromegalie: vermehrte Produktion des Wachstumshormons aufgrund eines
(Hypophysen-)Tumors
Morbus Parkinson: häufige Erkrankung des Nervensystems mit Zittern (in Ruhe), versteiften Muskeln etc.
Plasmozytom: Krebserkrankung des blutbildenden Systems
Wichtig ist zu wissen, dass eine Hyperhidrosis durch die Einnahme bestimmter Substanzen und Medikamente auftreten oder mit diversen Erkrankungen verbunden sein kann. Bekannt ist, dass Alkohol, Koffein und Nikotin ein vermehrtes Schwitzen provozieren können und deshalb bei einer Hyperhidrosis nur in kleinen Mengen oder gar nicht genossen werden sollten.
Die Liste der Medikamente, die eine Hyperhidrosis auslösen können, ist lang; exemplarisch finden Sie auf der nächsten Seite einige Präparate in alphabetischer Reihenfolge. Aber falls Sie eines oder mehrere dieser Medikamente einnehmen und an verstärktem Schwitzen leiden, setzen Sie keines dieser Präparate überstürzt ab – sprechen Sie vorher mit ihrem Hausarzt und wählen Sie mit ihm gemeinsam ein geeignetes Alternativpräparat.
Bei den endokrinologischen Erkrankungen, also den Erkrankungen der Drüsen,tritt vermehrtes Schwitzen bei einer Überfunktion der Schilddrüse und beim Phäochromozytom auf: Dieser Tumor der Nebennieren produziert vermehrt (das Herz-Kreislauf-System) anregende Stoffeund führt bei den Betroffenen auch anfallsartig zu Kopfschmerzen und starken Blutdruckerhöhungen. Die Hyperhidrosis kann auch ein Frühzeichen einer Akromegalie sein, bei der es durch einen Hypophysentumor zu einer vermehrten Produktion von Wachstumshormon kommt.
Kardiologische Patienten mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und einem Bluthochdruck klagen nicht selten über eine Hyperhidrosis. Aus dem neurologischen Fachbereich findet sich ein vermehrtes Schwitzen als Begleitbeschwerde bei der Nervenerkrankung Morbus Parkinson oder nach einem Schlaganfall. Durch den Rückgang der Östradiolproduktion in den Eierstöcken sind Hitze- und Schwitzattacken klassische Beschwerden bei vielen Frauen rund um die Zeit vor und nach der Menopause.
Bei einer Vielzahl von Tumor- und Infektionserkrankungen kann eine Hyperhidrosis auftreten. Erwähnt sei insbesondere das “Plasmozytom”: Dabei handelt es sich um eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems, die durch eine Vermehrung der antikörperproduzierenden Zellen (Plasmazellen) gekennzeichnet ist.
Die Hyperhidrosis bei Diabetikern hat einige Besonderheiten: In der Literatur sind Fälle beschrieben, dass Insulininjektionen selbst eine Hyperhidrosis auslösen können. In der Regel führt ein Wechsel des Präparats zu einer Besserung der Beschwerden. Das legt den Verdacht nahe, dass nicht das Insulin, sondern die Begleitstoffe der Insulinpräparate der Auslöser des vermehrten Schwitzens waren.
Unzweifelhaft kommt bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern das gustatorische, sprich durch Schmecken bedingte, Schwitzen häufig vor – der konkrete Hintergrund ist nicht immer eindeutig. Tritt die Hyperhidrosis vor allem verstärkt bei der schnellen Einnahme von sehr warmen Speisen auf, ist der temperaturregulierende Zusammenhang unstrittig, das Schwitzen dient hier also als Temperaturausgleich.
Das kompensatorische vermehrte Schwitzen ist typisch für Diabetiker mit autonomer Neuropathie – bei denen es zum Ausfall der nach außen gerichteten Schweißproduktion in der unteren Körperhälfte gekommen ist, vor allem der Füße oder Hände. Im Rahmen der kompensatorischen Temperaturregulation wird bei diesen Diabetikern bei Hitze oder stärkerer körperlicher Aktivität vermehrt Schweiß im Bereich der oberen Körperhälfte gebildet. Sie klagen deshalb typischerweise über eine trockene untere Körperhälfte und über vermehrtes Schwitzen an Brust, Rücken, Hals und Kopf.
Nun noch mal zum Dirigenten, zur ehemaligen Lehrerin, zum Koch (Seite 24):
Die Hyperhidrosis des jungen Musikers ist aufgetreten, nachdem es mit dem Chefdirigenten zu Spannungen gekommen war; der vermehrte Schweiß tritt am Kopf und an den Händen und Füßen auf. Die Zuordnung ist einfach: Er leidet an einer emotionalen Hyperhidrosis.
Bei der Lehrerin mit der diabetischen Nervenerkrankung im Bereich der Hände und Füße und sicherlich auch von Unter- und Oberschenkel liegt zweifelsfrei eine kompensatorische Hyperhidrosis vor. Aber es hat sich bei ihr zusätzlich eine emotionale Hyperhidrosis entwickelt:
Auf Nachfrage gab sie an, dass es bei ihr anlässlich einer Einladung im Hochsommer buchstäblich zu Schweißsturzbächen an Kopf und Hals gekommen sei. Man habe sie immer wieder gefragt, ob sie krank sei – durch diese Zuwendungen habe sich die Hyperhidrosis nur weiter verstärkt. Sie habe Angst vor der Wiederholung eines solchen Ereignisses und würde deshalb lieber für sich allein leben.
Bei dem Koch aus Osnabrück liegt eine gustatorische Hyperhidrosis vor, die sich schon verselbständigt hat (konditioniertes Schwitzen). Für zusätzliches temperaturregulierendes Schwitzen sprechen sein Übergewicht und die erhöhte Temperatur am Arbeitsplatz. Ob die Angst vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes zusätzlich eine emotionale Hyperhidrosis bedingt, sei dahingestellt.
Auf Grundlage dieser Zuordnung der jeweiligen Form der Hyperhidrosis zu den 3 Personen besprechen wir im nächsten Artikel eine erfolgreiche Therapie ihrer Hyperhidrosis.
von Prof. Dr. med. Reinhard Zick
Medicover Osnabrück
Möserstrasse. 4a
49074 Osnabrück
der.chef@mac.com
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (1) Seite 25-26
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