- Bewegung
Therapie anpassen bei körperlicher Aktivität mit AID-System
5 Minuten
Körperliche Aktivität tut grundsätzlich gut, auch Menschen mit Typ-1-Diabetes. Spannend wird es hier, wenn es um das Anpassen der Insulin-Therapie geht. Dabei alle Einfluss-Faktoren zu berücksichtigen, ist herausfordernd. Systeme zur automatisierten Insulin-Abgabe (AID-Systeme) können hier gut unterstützen.
Anpassen der Insulin-Therapie beim Sport – in den “guten, alten Zeiten” haben die Diabetes-Teams zusammen mit den Sportlern und Sportlerinnen mit einem Typ-1-Diabetes im Vorfeld überlegt: Wie viel Insulin ist zur Zeit des Sports wirksam? Wie ist zu der Tageszeit die Insulin-Empfindlichkeit? Wie stark reduziere ich deshalb den Bolus/die Basalrate/das Verzögerungs-Insulin? Was habe ich am Vortag gemacht, wirkt noch der Muskel-Auffülleffekt? Was habe ich wann vor Beginn der Aktivität zu mir genommen? Wie intensiv wird meine Belastung werden? Wie ist mein Trainings-Zustand? Und so weiter, und so weiter …
Alle diese Überlegungen haben wir in unseren Gehirnen herumgewälzt und sind dann zu einer Therapie-Anpassung gekommen. Jetzt, in den Zeiten der AID-Systeme (AID: engl. Automated Insulin Delivery), sollen wir diese komplexen Zusammenhänge “ganz einfach” der künstlichen Intelligenz oder dem AID-Algorithmus übergeben? Können diese Systeme unsere vielschichtigen Überlegungen ebenso in eine funktionierende Anpassung der Therapie bei körperlicher Aktivität umsetzen?
Ulrike Thurm und Dr. Bernhard Gehr, das Autorteam dieses Beitrags, haben auch zusammen die Diabetes- und Sportfibel verfasst, die im MedTriX-Shop in der 5. Auflage erhältlich ist.
Sport – so wird es kein Problem
Die meisten Algorithmen der AID-Systeme ermitteln die Insulin-Empfindlichkeit als Mittelwert der letzten Tage und geben entsprechend das basale Insulin und die Korrekturen ab. Bei sehr schnell wechselnden Veränderungen der Insulin-Empfindlichkeit kann der Algorithmus eine so differenzierte Anpassung, wie sie für Sport nötig ist, gar nicht leisten, wenn wir ihn nicht dabei unterstützen.
Wie kann so eine Unterstützung aussehen? Auch darauf gibt es keine allgemeingültigen Antworten, da jeder Algorithmus anders “denkt, rechnet und arbeitet”. Deshalb müssen im Vorfeld einige allgemeingültige Faktoren in die Überlegungen einbezogen werden. Diese werden dann mit den individuellen, für den jeweiligen AID-Algorithmus spezifischen Anpassungs-Möglichkeiten kombiniert.
Tab. 1: AID-Systeme – Anpassung an körperliche Aktivität |
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STUFE 1 geringe körperliche Aktivität (leichter Spaziergang, Haus-/Gartenarbeit mit geringer Intensität/Dauer, kurze Radtour etc.) |
STUFE 2 mittelgradige körperliche Aktivität (30–60 Min. Joggen, zügige Radtour 1–2 Std., intensive Garten-/Hausarbeit, z. B. langes Schneeschippen, Frühjahrsputz etc.) |
STUFE 3 sehr intensive und lange körperliche Aktivität (Marathon, Triathlon, ganztägige Wanderungen (hochalpin), ganztägiger Umzug, ganztägige Radrennen etc.) |
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MiniMed 670G / 770G / 780G
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CamAPS FXS
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t:slim mit Control-IQ
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DBLG1
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“Sport-Prinzipien” mit AID-Systemen
Diese allgemeingültigen Prinzipien sollten die Menschen mit einem AID-System vor, bei und nach dem Sport berücksichtigen (siehe auch Tabelle):
- das aktive Insulin (IOB, Insulin on Board) so gering wie möglich halten,
- dem System rechtzeitig, am besten mindestens 2 Stunden vor Beginn des Sports, mitteilen, dass wir uns bewegen wollen,
- mit einer steigenden oder zumindest konstanten Glukose-Tendenz (CGM-Trendpfeil: oder oder ) den Sport beginnen,
- erhöhte Glukose-Zielwerte anstreben und diese auch in das jeweilige AID-System eingeben (die Möglichkeiten, wie hoch man den Sport-Zielwert eingeben kann, sind spezifisch für die einzelnen Systeme),
- flüssige Glukose (Glukose-Gels, Saft, flüssige Traubenzucker-Mischungen etc.) in ausreichender Menge mitführen,
- bei der Zufuhr der flüssigen Glukose kontinuierlich kleine Mengen an Kohlenhydraten trinken und nicht z. B. an einer Verpflegungs-Station im Wettkampf 50 bis 60 Gramm Gels, Saft etc. auf einmal trinken – dadurch würden die Glukose-Werte in den meisten Fällen deutlich über die mögliche, einstellbare Glukose-Obergrenze im AID-System steigen und dieses würde möglicherweise mit einer Insulin-Abgabe (Erhöhen der basalen Insulin-Menge oder Abgabe eines Korrektur-Bolus) reagieren,
- bei längeren sportlichen Aktivitäten immer ein Blutketon-Messgerät und Blutketon-Messstreifen mitführen, um eine Ketoazidose beim Sport rechtzeitig und sicher erkennen zu können,
- bei längeren sportlichen Aktivitäten auch ein Blutzucker-Messgerät und Blutzucker-Messstreifen mitnehmen (am besten ein Gerät, mit dem man Blutzucker- und Blutketone messen kann), um bei einem Ablösen/Ausfallen des CGM-Sensors die aktuellen Blutzucker-Werte messen zu können; dann auch den Umstieg auf die “manuelle Therapie-Anpassung” ohne AID-Unterstützung geplant haben inklusive Reduktion der Sicherheits-Basalrate, die in der Insulin-Pumpe immer hinterlegt ist, etc.,
- den CGM-Sensor und den Katheter der Insulin-Pumpe zusätzlich fixieren und ggf. schweiß- und wasserfest verstauen (Tipps dazu in der Diabetes- und Sportfibel, Verlag Kirchheim),
- nach Ende der körperlichen Aktivität den Muskel-Auffülleffekt und die verbesserte Insulin-Empfindlichkeit bei der Therapie-Anpassung berücksichtigen, falls das der Algorithmus nicht automatisch übernimmt.
- Diese Empfehlungen sind natürlich nur als Starthilfe gedacht und müssen individuell ausgetestet und angepasst werden. Sollten z. B. bei Stufe 1 noch Hypoglykämien bei körperlicher Aktivität auftreten, dann die Algorithmus-Anpassungen von Stufe 2 wählen etc.
Schwerpunkt „Bewegung grenzenlos“
- Sport-Start mit Diabetes: Das ist zu beachten
- Therapie anpassen bei körperlicher Aktivität mit AID-System
- Kitesurfen: Wellen brechen mit Typ-1-Diabetes
- Fabian Bleck: Zauberer mit Diabetes am Basketball-Korb
von Ulrike Thurm und Dr. Bernhard Gehr
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (7) Seite 17-21
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bloodychaos postete ein Update vor 21 Stunden, 23 Minuten
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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ole-t1 antwortete vor 16 Stunden, 35 Minuten
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 10 Stunden, 47 Minuten
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
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loredana postete ein Update vor 2 Tagen, 18 Stunden
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
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